/* Feste Breite um zu kurzes Bild bei erstem laden zu umgehen */ background
Logo Unter weißen Segeln

Carina's Logbuch

That's boating

Feuertaufe – Carina schwimmt - und der Hatea-Glue

 

Feuertaufe

Jetzt schwimmt die Carina wieder und wir schaukeln vergnügt am Anker im Fluss, genießen die schöne Umgebung und die Sonne im Cockpit. Aber das war nicht immer so, denn es begann alles mit einer Feuertaufe.

Gestern war der große lang herbeigesehnte Tag an dem die Carina nach 2 Jahren und 9 Monaten an Land endlich wieder zu Wasser gelassen wurde. Ich bin schon sehr früh aufgestanden denn gleich um 08:00  Uhr, wenn die Arbeiter im Boatyard beginnen, soll die Carina ins Wasser. Das geht nur in bei Hochwasser weil sonst in der Slipanlage nicht mehr genügend Wasser vorhanden ist. Ich zittere vor Aufregung denn ich habe das Gefühl noch gar nicht richtig fertig zu sein, hatte gar keine Zeit mich mental darauf vorzubereiten, denn kein Sturm ist so aufregend wie Schiff aus dem Wasser und ins Wasser lassen. Ich packe gerade noch das Stromkabel weg und trage den Müll weg da sehe ich die Carina auch schon zur Slipanlage fahren. Während des Transports und des Slippens darf aus Sicherheitsgründen niemand an Bord sein. Sobald das Schiff im Wasser ist, bringen die Slipmaster mich mit einem Ruderkahn zum Schiff. Ich bin furchtbar aufgeregt. Das Slippen hat gut geklappt aber ist auf der Carina wirklich alles dicht, funktioniert wirklich alles wieder? Alle Aufregung umsonst, die Slipmaster geben mir alle Zeit die ich benötige um alles zu überprüfen bevor sie den Trailer unter der Carina hinausziehen. Drinnen passt alles soweit. Nun Motor starten. Da sehe ich an der Mauer neben dem Slipmaster meinen Motorenmechaniker stehen und herüberwinken. Das ist beruhigend und unglaublich nett dass er extra zu meinem Sliptermin erscheint um sicherzustellen dass auch alles passt. Es passt nicht, es kommt nicht genug Kühlwasser aus dem Auslass. Der Mechaniker steigt in den Ruderkahn und kommt zu mir herüber. Er sei mitten in der Nacht aufgewacht und hat sich Sorgen um mich gemacht, erzählt er, deshalb sei er vorsichtshalber hergekommen. Welch weise Voraussicht. Der Wärmetauscher war verstopft und wird nun freigepustet. Jetzt passt alles. Die Anwesenheit des Mechanikers und sein unbekümmertes Geplauder haben mich beruhigt und ich fühle mich nun startklar.

Unglücklicherweise fegen heute Böen mit 30 kn (= 50 kmh) über den Fluss und die Slipmaster haben Mühe die Carina umzudrehen damit ich nicht rückwärts durch die nur 10 m breite ca 100 m lange Slipanlage rausfahren muss. Und los geht’s – phew – geschafft ohne auf Grund zu laufen. Ca 400 m flussabwärts finde ich eine freie 2 m tiefe Stelle um neben dem Fahrwasser zu ankern, gleich hinter meinem ehemaligen Boatyard-Nachbarn Marty.  Zum Glück greift der Anker sofort und die heftigen Böen sind ein guter Test ob er auch hält. Gleichzeitig das richtige Wetter um mich wieder an die Bewegungen und Geräusche des schwimmenden Schiffes zu gewöhnen. Schwankende Planken, klapperndes Geschirr und bei diesem Wetter auf der Hut sein. Gut dass ich mein Schiff und die Umgebung ständig im Auge behalten habe, denn ein Schiff weiter flussaufwärts beginnt abzutreiben, langsam kommt es den Fluss hinunter auf die Carina zu. Es ist unbemannt, denn ich habe sein Beiboot in der Slipanlage liegen sehen und es rührt sich auch niemand an Bord. Ich hol ein paar Fender aus der Backskiste um einen eventuellen Zusammenstoß abzufendern. Auch das Beiboot könnte ich zwischen uns ziehen. Soweit kommt es zum Glück nicht. Das Schiff bleibt ca 100 m von mir entfernt im Schlamm stecken. Nochmal gut gegangen. Der Besitzer war sicher verwundert als er sein Schiff an einer ganz anderen Stelle wieder fand und beim nächsten Hochwasser zurück an seinen ursprünglichen Platz verankern konnte.
Das Leben auf dem Wasser hat diesmal ziemlich stürmisch begonnen, nun muss nur noch das Wetter besser werden.

 

Alltag auf dem Wasser

Nach dem stürmischen Beginn ist es jetzt ruhig geworden am Ankerplatz und ich mache frohen Mutes das Beiboot klar um einen Spaziergang in die Stadt zu unternehmen. Mein Außenborder war ja zum Generalcheck und Service in der Werkstatt und sollte nun wieder einwandfrei funktionieren. Umso größer war die Enttäuschung als mein Boot beim Start mit Vollgas davonrauschte. Es sollte eigentlich im Leerlauf starten. Das war der Grund warum er zum Service war. Und er läuft auch viel zu schnell. Ich muss schon mehrere Meter vor dem Anlegesteg den Motor abschalten um nicht mit voller Wucht dagegen zu prallen. Somit steht schon fest wohin mich mein erster Weg führen wird. Der Anlegesteg am Whangarei Cruising Club oder auch Kissingpoint genannt ist ein Schwimmsteg und somit bei jedem Gezeitenstand zugänglich. Der liegt eigentlich fast gegenüber vom Norsand Boatyard. Der Weg vom Kissingpoint in die Stadt ist bedeutend schöner, als durch das Industriegebiet von Norsand aus zu laufen. Und es ist auch nicht weiter.

In der Motorenwerkstatt verspricht man mir zum Kissingpoint zu kommen und das zu richten. Sie werden mich anrufen sobald sie Zeit haben. Zurück am Schiff stelle ich fest dass sie meine Telefonnummer falsch aufgeschrieben haben und mich somit niemals erreichen werden. Ich schreibe eine E-Mail erhalte aber darauf keine Antwort. Und wieder ist die Enttäuschung groß.

Die nächsten Tage tu ich einfach mal gar nichts. Ich döse in der Sonne im Cockpit (wenn sie ausnahmsweise mal scheint) genieße das sanfte Wiegen des Schiffes, beobachte die Wasservögel oder verkrieche mich nach drinnen wenn es wieder mal so stürmt dass man das Schiff nicht verlassen kann. Ich schlafe viel, schreib endlich mal wieder an meinen Berichten und alle längst überfälligen E-Mails.

Langsam kehrt der Rhythmus eines freien Seglers wieder ein, nur dass dieser Segler statt zu segeln schon seit 2 Wochen am Ankerplatz hängt. Wenn es nicht gerade stürmt motore ich mit dem Beiboot hinüber zum Boatyard um Wasser zu holen, zu duschen, zum Wäsche waschen die dann in Carinas Rigg fröhlich im Wind flattert. Im Boatyard  treffe ich auch  immer genügend Bekannte und Arbeiter für einen netten Ratsch.  So manche Einladung zum Kaffee muss ich leider ausschlagen denn hier bin ich  gezeitenabhängig, spätestens 3 Stunden nach Hochwasser muss ich wieder los, denn dann fällt die Zufahrt trocken und mein Beiboot würde im Schlamm festsitzen.

Die Tage an denen ich nicht an Land komme nutze ich um mal wieder richtig zu kochen, nicht nur schnell-schnell, wie es die letzten Monate am Boatyard war. Meine aktuellen Favoriten sind Gemüseaufläufe. Auch meine geliebten Hooley Crogs, die ich schon aufgegeben hatte, weil sie über und über mit Epoxy und Antifouling und Farbe bekleckert waren bekomme ich in stundenlanger Arbeit wieder sauber. Gut dass ich die Zeit dafür wieder habe.

Inzwischen ist auch der Außenbordmechaniker am Kissingpoint eingetroffen und stellt meinen Außenborder wieder richtig ein. Jetzt kann ich wieder starten ohne gleich wie eine Rakete los zu düsen. Er nimmt mich auch mit in die Stadt was mir 3 km Fußmarsch erspart so dass ich die Gelegenheit nutze und einen entspannten Spaziergang den Fluss aufwärts zu unternehmen. Schön ruhig ist es hier, ein gepflegter Weg führt durch dichten Urwald, teilweise verboten zu betreten wegen den hier lebenden Kiwis. Es wäre gar nicht nötig das abzusperren, denn das Unterholz ist undurchdringlich dicht.

 

Wasser

Es fasziniert mich immer wieder wie viele Gestalten und Farben Wasser annehmen kann – von glasklar munter plätschernd zu undurchsichtig braun, grau, grün, blau, wild schäumend, Berge von Wellen aufwerfend zu spiegelglatt.

Gestern war es wild und aufgewühlt. Der Wind pfiff uns mit 35 bis 40 Knoten um die Ohren und das schwere dicke Stahlschiff meines Nachbarn, ein Motorsegler, treibt ab. Sein Anker hatte dem Wind und den Wellen nicht standgehalten. Langsam sehe ich ihn auf mich zutreiben, langsam, weil Anker und Kette im flachen Wasser über den Grund schlieren und ihn zum Glück abbremsen. Marty steht bereits am Steuer mit laufendem Motor und manövriert sein Schiff wieder vor mich, mit gutem Abstand, um dort erneut zu ankern. Aber Murphys Law, trifft wieder mal zu. Seine Ankerkette hat sich verklemmt und er kann sie weder rauf noch runterlassen und so treibt er Richtung Mangroven ins flache Wasser ab. Ich steh auch bereits startklar an der Pinne mit laufendem Motor um auszuweichen falls Marty es nicht unter Kontrolle bekommt. 2 Stunden stehe ich am Steuer, muss tatenlos zusehen wie Marty verzweifelt mit Anker und Kette kämpft, er ist auch alleine auf dem Schiff. Zum Glück musste ich nicht weg (es kein Spaß bei 35 Knoten im engen Fluss ein Ankermanöver zu fahren), Marty hatte sein Schiff wieder an einem sicheren Ort verankert.

Umso ruhiger ist es heute. Das Schiff liegt ganz ruhig. Nur vereinzelt verursacht ein Windhauch kleine Kräusel auf der Oberfläche. En guter Tag um in die Stadt zu gehen, denn dazu benötige ich das Beiboot um an Land zu kommen und dafür ist es heute ideal.

Hab viel zu erledigen heute, außer dem üblichen Lebensmitteleinkauf benötige ich endlich mal wieder neue Unterwäsche, die Armbanduhr benötigt eine neue Batterie, Carina will einen weiteren Kanister für Trinkwasserreserven, im Boatyard ist ein Päckchen für mich angekommen und zum Abendessen bin ich bei Veronika und Robert auf der Seven Seas eingeladen die noch im Boatyard steht.

Es war ein erfolgreicher Tag, hab alles bekommen weshalb ich in der Stadt war und nach ganzen 6 Stunden Fußmarsch und einer ausgiebigen Dusche erhole ich mich jetzt erst mal auf der Seven Seas. Der gemeinsame Abend war wieder sehr unterhaltsam und das Essen (heute gabs Paella mit Meeresfrüchten) wie immer vorzüglich. Und so ist es kein Wunder dass es wieder mal spät geworden ist. Es ist 23:00 als ich aufbreche, eine Zeit in der noch genügend Wasser in der Slipanlage des Boatyards vorhanden ist um mit dem Beiboot das tagsüber, bei Ebbe, im Schlamm geruht hatte, wieder loszufahren.

Es ist eine ganz windstille, warme, friedliche Nacht, viel zu schön um sie durch Motorenlärm zu stören. Also bleibt der Außenborder aus und ich lass mich mit der ablaufenden Strömung durch die Stille der Nacht treiben. Ich muss nur aufpassen nicht an der Carina vorbeizutreiben. Der Vollmond lugt milchig durch die Wolken, die Mangroven spiegeln sich im Schein des Mondlichts im spiegelglatten Wasser. Am liebsten würde ich noch lange so weitertreiben durch diese magische Nacht. Aber dann müsste ich sie früher später wieder durch Motorenlärm stören um zurück zur Carina zu kommen. Also doch gleich zur Carina. Die Einkaufstaschen bleiben unausgepackt, ich schnapp mir ein paar Kissen und sitze noch draußen bis mir die Augen vor Müdigkeit zufallen.

 

Flaggen, Windfraß und das Kreuz des Südens

Ich habe die Flaggen wieder aus der Schublade rausgekramt. Es ist Brauch auf See die Flagge des Heimatlandes am Heck zu fliegen und aus Respekt vor dem Land in dem man sich aufhält, deren Flagge, die sogenannte Gastlandflagge, unter der Steuerbord-Saling zu hissen. (Für die Nichtwissenden: Steuerbord ist rechts und eine Saling ist ein Querstreben am Mast der die Wanten (=Drahtseile) abspreizt).

An Carinas Heck flattert also wieder die Deutschlandflagge und unter der Steuerbord-Saling die neuseeländische Gastlandflagge. Die Deutschlandflagge ist schon ganz schön ausgefranst und muss wieder neu gesäumt werden. Dabei wird sie immer kürzer und kürzer. Das Problem ist dass man keine deutschen Flaggen hier bekommt. Spätestens wenn sie bereits quadratisch ist wird sie ausgetauscht. Notfalls muss ich selbst eine nähen.
Auf der blauen Neuseelandflagge befindet sich rechts oben die englische Flagge integriert (wegen der Zugehörigkeit zum Vereinigten Königreich) und links davon die Sterne des Kreuz des Südens. Aber in meinem Kreuz des Südens fehlen bereits 2 Sterne, nämlich Beta Crucis und Gamma Crucis. Wo sind die denn hingekommen? Gäbe es Motten auf der Carina würde ich sagen die Motten haben sie aufgefressen, aber in diesem Fall war es wohl auch der Wind der letzten Jahre in Neuseeland der 2 Löcher in die Fahne gerissen hat, genau dort wo die Sterne waren. Das ist allerdings  respektlos dem Gastland gegenüber und ich besorge umgehend eine neue Flagge mit allen 4 Sternen.

Im Sommer ist es immer schön das Kreuz des Südens am Himmel zu sehen. Es ist am Südhimmel das ganze Jahr über sichtbar und wird deshalb auch zur Navigation  genutzt. 4 helle große Sterne in der Milchstraße bilden ein markantes Kreuz mit einer langen Achse und einem kürzeren Querbalken. Ein fünfter kleinerer Stern befindet sich nahe unter dem Querbalken. Wer sehr gute Augen hat kann in klaren Nächten, weit entfernt von Städten, 34 Sterne im Kreuz des Südens sehen, mit einem Teleskop einige Tausend.
Aktuell sind mir aber die Nächte noch zu kalt zum Sterne schaun, und außerdem ist es jetzt im Oktober nicht so gut zu sehen hier in Stadtnähe zwischen den Hügeln, es ist noch zu niedrig am Horizont und aktuell steht es auf dem Kopf. Ich hatte mich während meiner Zeit auf der Südhalbkugel der Erde oft gewundert wo denn das Kreuz des Südens hingekommen sei, da mir zu Beginn nicht klar war dass es ständig seine Position und Richtung ändert, sich sozusagen um den Himmelssüdpol dreht ( in Wirklichkeit dreht sich die Erde und nicht das Kreuz des Südens, aber uns erscheint es so) und somit nicht immer aufrecht am Himmel steht. Im Januar liegt es auf der Seite im Südosten. Erst  im April steht es hoch am Himmel und aufrecht, im Juli liegt es wieder auf der Seite aber nun im Südwesten und jetzt im Oktober steht es auf dem Kopf.

Wie soll man denn da den Süden finden, wenn es ständig in eine andere Richtung zeigt?  

Man benötigt 2 weitere Sterne um den Südpol zu finden, die sogenannten Pointer (Zeiger) Alpha Centauris und Beta Centaurius. Diese beiden sehr hellen Sterne muss man  mit einer gedachten Linie miteinander verbinden. Diese Linie hilft auch das Kreuz des Südens zu finden. Zu dieser Verbindungslinie zieht man genau in der Mitte dieser beiden Sterne im 90° Winkel eine weitere gedachte Linie. Gleichzeitig verlängert man die Längsachse des Kreuz des Südens nach unten. Dort wo sich diese Linie mit der gedachten Linie zwischen den Pointern schneidet befindet sich der Himmelssüdpol. Von diesem Punkt aus eine senkrechte Linie zum Horizont zeigt auf den Südpol. Klingt ganz schön kompliziert, aber funktioniert immer.

 

 

Frühling auf dem Boswell Track

Es ist wieder ein schöner Tag, sogar so schön dass ein T-Shirt ausreichend warm ist und ich bin unterwegs auf dem Boswell Track, einem Wander- & Radweg der einer ungenutzten Eisenbahnlinie folgt. Ganz idyllisch geht es erst durch ein hübsches Siedlungsgebiet dann durch den Wald und weiter durch die Mangroven. Überall blüht und zwitschert es. Unzählige Vögel huschen zwischen den Büschen hin und her. Ich versuche sie an ihrem Ruf zu identifizieren, aber leider kann ich diesen bisher nur ganz wenigen zuordnen. Als ich auf einem alten Baumstamm raste und meinen Müsliriegel verzehre fliegt ein farbenfrohes Papageienpärchen an mir vorbei. Rot, blau und grün leuchten sie in der Sonne. Das ist richtig Glück, denn diese Art ist recht selten anzutreffen.

Der Weg verlässt die Mangroven und führt rund um die Halbinsel von Onerahi immer am Wasser entlang mit wunderschönem Blick auf die Berge von Bream-Head, wo der weitläufige Gezeitenfluss ins Meer übergeht. Dann nehme ich den Weg durch den Ort und zurück nach Kissingpoint wo mein Beiboot auf mich wartet. 16 km, 6 Stunden nonstop, ich bin total erledigt, bin so lange Wanderungen nicht mehr gewohnt. Aber wunderschön war es doch. Erschöpft aber glücklich klettere ich vom Beiboot zurück aufs Schiff.

 

Außer Gefecht

Ich kann mich kaum noch bewegen, auf keinen Fall den Oberkörper neigen und mich nur mit Mühe hinsetzen. Der Schmerz im Rücken, in Hüfthöhe ist so stark dass mir bei jeder auch nur minimalen Bewegung schwindlig wird. Auch wenn ich mich ganz still halte schmerzt es schrecklich. Ich trau mich gar nicht mich hinzulegen aus Angst nicht mehr aufstehen zu können. Panik packt mich, die Vorstellung mich nicht mehr bewegen zu können und nicht mehr aus meinem Bett rauszukommen, dort unbemerkt zu verhungern (oder wohl eher zu verdursten)  lässt mich solange aufbleiben wie ich es nur aushalte. Aber irgendwann geht es doch nicht mehr und ich klettere mühselig in mein Bett in der Vorkabine. Das Handy hab ich dabei, um notfalls Hilfe herbeizurufen. Einziger Trost ist Veronika, die Ärztin, die ich anrufen würde wenn morgen gar nichts mehr geht. Allerdings wüsste ich nicht wie Veronika mir helfen sollte, denn ich ankere im Fluss und sie ist an Land. Irgendwie würde sich eine Lösung finden und ich schlafe endlich ein.

Am nächsten Morgen kann ich mich wenigstens im Bett ein wenig drehen und schaffe es tatsächlich aufzustehen. Ich kann mich etwas besser bewegen als gestern aber der Schmerz ist noch viel stärker geworden. Ich krame meine Erste Hilfe Tasche raus und suche nach Schmerztabletten. Seit 2016 abgelaufen - weil ich halt nie was brauche – die werden also so gut wie keine Wirkung mehr haben. Trotzdem, ich will erst mein Müsli essen bevor ich etwas einnehme. Mit vielen Schwindlig-Pausen schaffe ich es Kaffee und Müsli zu bereiten und tatsächlich auch zu essen. Die Tabletten liegen drohend neben einem Wasserglas auf dem Tisch. Ich leg mich besser erst mal hin. Und es dauert nicht lang und ich schlafe wieder ein. Es ist mittags als ich wach werde und erstaunlicherweise schaffe ich es aufzustehen. Es ist etwas besser geworden, trotzdem bin ich noch weit entfernt von beweglich oder schmerzfrei. Also leg ich mich wieder hin und verschlafe den halben Nachmittag. Als ich um 15:00 wieder aufstehe ist es bedeutend besser. Ich kann mich sogar ein wenig bücken und der Schmerz ist erträglich. Die Tabletten habe ich verschmäht, auch wenn sie noch notfallbereit auf dem Tisch liegen. Es geht wieder bergauf mit mir …  Hoffentlich denn für nächste Woche sind mäßige Südwinde und Temperaturen um 18° vorhergesagt. Die wollte ich eigentlich nutzen um endlich mal wieder die Segel auszupacken und zu sehen ob ich noch weiß wie man damit umgeht um nordwärts, Richtung Bay of Islands zu segeln.

Heute ist wieder mal so ein Gefangenschaftstag, also ein Tag an dem man auf dem Schiff gefangen ist weil man es wetterbedingt nicht alleine lassen kann. Wütende Böen fegen über den Ankerplatz, legen die Carina zur Seite und treiben meinen armen Nachbarn wieder ab. Sogar Seegang haben wir heute hier im Fluss. Allmählich nervt mich das. Wird das Wetter denn nie besser, beständiger? Von den 2 Wochen die ich nun auf dem Wasser bin, musste ich mehr als die Hälfte auf dem Schiff bleiben weil es alle paar Tage stürmt wie verrückt. Aber diesmal soll es laut Vorhersage nur 1 Tag und eine Nacht dauern. Irgendwann muss doch auch hier mal Frühlingswetter werden

 

Endlich Sonne und Segeln

Die schlimmsten Stürme scheinen erst mal durchgezogen zu sein und endlich scheint die Sonne wieder. Das ist gut fürs Gemüt, denn das ständige an Bord gefangen sein bei Böen von 35 Knoten hat mich schon ganz schön frustriert. Jetzt kann man einfach mal im Cockpit sitzen und in Ruhe einen Kaffee trinken oder all die kleinen Arbeiten an Deck erledigen die noch liegengeblieben sind, wie die Leinenführung der Windsteuerung zu montieren, Baumbremse anbringen, Ankerwaschanlage perfektionieren oder einfach nur zusehen wie die große Auto-Fähre zur Reparatur an Land gezogen wird, die das ganze Jahre über zwischen  Auckland und Great Barriere Island pendelt.

Und heute war ich noch in der Stadt Großeinkauf machen. Lebensmittel für mindestens 1 Woche und Internet. Beim Müll entsorgen, Duschen und Haare waschen war ich auch noch und Wasser holen für Carinas Tank. Irgendwie benehme ich mich als würde ich auf eine große Ozeanüberquerung gehen, dabei  verlasse ich nach 3 ½ Wochen im Fluss nur zum ersten Mal den Ankerplatz. Ich habe nicht vor gleich wieder hierher zurück zu kommen, deshalb der Großeinkauf, denn die schönsten Ankerplätze liegen abseits jeglicher Zivilisation und es wäre echt schade nur wegen der fehlenden Einkaufsmöglichkeiten die schönsten Plätze auszulassen.

Und dann ENDLICH… Anker auf …. Und los, den Fluss hinunter… Ich will diesmal all die kleinen Buchten erkunden, die ich in den letzten Jahren ausgelassen habe und so ist mein erster Stopp Parua Bay, den halben Weg den Fluss hinunter. Eine rundum von Hügeln eingeschlossene Bucht in die nur eine schmale Einfahrt führt. Dementsprechend ruhig liegt man hier auch. Mein Lieblingsplatz in dieser Bay ist gleich die erste Bucht, genannt „The Nook“ mit schönem Blick auf den Mt. Manaia, einem Berg mit einer Skyline aus 5 bizarren aufrechtstehenden Felsen. Den Maori Legenden zur Folge handelt es sich hierbei um den Häuptling Manaia mit seinen 2 Kindern und der schönen Pito die er dem benachbarten Häuptling Hautatu gestohlen hat und vor dem sie nun auf der Flucht sind. Als dieser gerade seine untreue Frau erschlagen will, sendet der Wettergott Tawhirimatea einen Blitz der alle 5 Personen versteinert. Seit dem leben keine Maori mehr im Schatten des Mt Manaia.

Ich nutze das völlig ruhige und klarere Wasser um Carinas Unterwasserschiff mit einer langen Teleskopbürste  zu putzen, denn daran hat sich in den 3 ½ Wochen jede Menge Schlamm abgesetzt der nur zu einladend für Muscheln und alle Arten von Seegetier ist um sich am Rumpf anzusiedeln. Der Propeller des Außenborders ist bereits übersät mit winzigen Baby-Barnackles die sich zum Glück noch relativ leicht entfernen lassen.

Ich starte früh am nächsten Morgen um endlich aufs Meer hinauszukommen. Der Fluss und die Küste sind heute übersät mit mehr als hundert kleinen Sportfischerbooten, denn es ist Labour-Weekend und Fisching-competition. Der ideale Tag dafür. Es ist herrlich sonnig mit leichten Winden, also auch ideal um die Segel auszupacken. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste sag ich mir, ist ja doch schon fast 3 Jahre her dass ich zuletzt gesegelt bin, und hol fürs Erste nur die Genua raus. Es ist herrlich den Motor abschalten zu können und endlich wieder unter weißen Segeln übers Wasser zu gleiten.

Nach ein paar Stunden in denen ich die Fahrwasserbojen als Slalomstrecke genutzt hatte um wieder alle Windkurse auszuprobieren kehre ich zurück in die Smugglers Bay, meinem Lieblingsplatz an der Zufahrt zum Hatea River der nach Whangarei hinaufführt, dem ich nun endlich entkommen bin.

Es ist etwas schaukelig hier aber nicht unangenehm, es fühlt sich an als würden wir noch segeln. Es ist so warm heute dass einige Leute am Sandstrand sonnenbaden und sogar im 18° kaltem Wasser sind einige. Ich nutze auch die Gelegenheit um ein Sonnenbad im Cockpit zu nehmen. Ahhhh… life is good again … zumindest noch …

Die Nacht wird äußerst unangenehm. Obwohl es windstill ist werden die Schiffsbewegungen so heftig dass ich die ganze Nacht keinen Schlaf finden kann. Es schaukelt nicht nur von rechts nach links sondern auch vor und zurück wie auf einem Schaukelpferd. Diese Bucht ist bekannt für Grundschwell den ich aber heute zum ersten Mal in dieser Bucht erlebe. Bei meinen bisherigen Besuchen in den vergangenen Jahren war es immer sehr angenehm hier.

Total übernächtigt verlasse ich am nächsten Morgen die wunderschöne Smugglers Bay. Es ist wieder herrlich sonnig und ein leichter Wind weht aus Südwest. Ich packe das Großsegel aus. Da gibt es noch einige Arbeit, muss noch alles richtig justieren damit es sich problemlos aus und in den Baum rollen lässt. Also einige Male setzen und wegreffen, ein paar Einstellungen verändern, dann endlich passt es und ich segle nun mit Groß-und Genua rund um Bream Head Richtung Norden. Die Segel sehen noch sehr zerknittert aus nach all den Jahren in der Tasche.

Der Wind frischt auf und ich reffe, mein Ziel ist Pataua. Ich muss nun den Kurs auf West ändern und habe inzwischen den Wind gegenan. Zum Kreuzen hab ich keine Lust, also Segel wegpacken und wieder unter Motor die restlichen 2 Meilen zurücklegen. Dort werde ich in einer sandigen Bucht, gerahmt von Felsen, für die Nacht ankern.

 

So viel Aufregung an einem Tag

In der malerischen Parawanui Bay bei Pataua liegt die Carina ganz ruhig, geschützt von allen Winden aus Süd und West. Nach einer sehr erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück im Cockpit beschließe ich die Gegend an Land zu erkunden. Es ist ganz ruhig und sonnig und ich rudere mit dem Beiboot an den weitläufigen Sandstrand. Das Anlanden am Strand war einfach und ich zerre das Beiboot weit hinauf damit es von der auflaufenden Flut nicht davongespült wird.

Die Wanderung über die grünen Hügel ins Maori Dorf ist hübsch. Sie führt an die Flussmündung die durch eine Sandbarre eine rundum abgeschlossene Bucht bildet. Hier würde man geschützt liegen, aber die Barre verhindert die Zufahrt. Das Dorf ist sehr gepflegt, aber man sieht an den Holhütten und Häusern dass die Menschen eher arm sind. Eine kleine Fußgängerbrücke führt über den Fluss. Angler grüßen freundlich als ich passiere. Auf einem Felsen nisten Möwen, alles ist friedlich, aber für mich wird es Zeit den Rückweg anzutreten, denn für Nachmittag ist wieder mehr Wind angesagt und er wird auf Nord drehen. D.h. ich muss die dann ungeschützte Bucht verlassen.

Als ich wieder am Strand bei meinem Beiboot ankomme hat der Wind ordentlich aufgefrischt und die auflaufende Flut verursacht heftige Brandung. Oh, je, und da soll ich nun durch? Ob das gutgeht? Noch immer unvergessen ist mein Salto vor vielen Jahren in der Bretagne als die Wellen mein Beiboot mit mir darin überschlagen ließen. Ok, den richtigen Augenblick abwarten um ins Beiboot zu springen und dann Vollgas losrudern (Motor hab ich heut nicht dran). Mit voller Kraft rudere ich gegen die Brecher und den Wind und komme nur sehr langsam voran. Jede Welle spült mich wieder die mühselig erruderte Strecke zurück. Es ist hier extrem flach, was die heftigen Brecher verursacht und die Carina sehr weit draußen ankern ließ. Nach 30 Min bin ich endlich, ziemlich ko, an der Carina angekommen. Jetzt aber nichts wie weg hier. Als ich meinen Anker lichte überspülen die Wellen bereits Carinas Bug. Der Wind ist auflandig und das Wasser flach. Ich muss schnell sein, zwischen Bug und Ruder hin und her sausen damit uns der Wind nicht ins zu flache Wasser treibt. Ouufff, geschafft, endlich in tiefem Wasser. Der Motor tuckert und ich verschnauf mich erst mal. Segel setzen? Och nö, ist ja wieder voll gegenan und es sind nur 5 Seemeilen hinüber in die vor Nordwind geschützte Wellington Bay. Die 1,5 m hohen Wellen kommen von der Seite und es ist sehr unangenehm. Ist ja nicht mehr weit, die halbe Strecke haben wir schon, bestenfalls noch 1 Stunde. Aber was ist das? Der Motor … er wird leiser, langsamer… und jetzt geht er einfach aus? Schnell das Segel raus um mich von der Küste frei zu segeln, aber das ist leichter gesagt als getan. Der Wind kommt einfach aus der falschen Richtung und ist jetzt auch nicht mehr besonders stark, so dass wir kaum vorankommen.

Ich starte den Motor wieder der auch willig anspringt und seine Fahrt fortsetzt. Hmm …, sonderbar, aber es dauert nicht lang, da beginnt das Spiel wieder von vorne, wird leiser, langsamer, ich nehme Gas weg, er stirbt. Wieder anlassen, springt ohne Probleme an, fährt ein paar Minuten problemlos und dann wieder, leiser, langsamer … Diesmal gebe ich Vollgas und kann ihn vom Absterben bewahren. Aha, das ist also der Trick. Ich hoffe er funktioniert weiterhin, denn die Zufahrt in die Wellington Bay ist ziemlich schmal, zwischen Felsen hindurch, unter Segel mit der falschen Windrichtung nicht möglich. Bitte, bitte, halt durch, lass mich heil hineinkommen … Und es hat funktioniert. Gott sei Dank. Der Anker ist unten und wir liegen vor dem Wind geschützt in einer hübschen sandigen Bay hinter der sich eine Reihe hübscher Villen befindet. Leute führen ihre Hunde am Strand spazieren, Fischer klettern auf den Felsen herum und hoffen auf einen guten Fang und ich erhole mich erst mal von all der Aufregung des heutigen Tages.

Ich grüble was das Problem verursacht und bin auch besorgt über den weißen Rauch der konstant aus dem Auspuff kam. Außerdem hatte ich das Gefühl, bei dem überstürzten Ankermanöver dass der Propeller nicht stoppt, das Schiff wurde einfach nicht langsamer, von Stehenbleiben ganz zu schweigen. Erst der Rückwärtsgang, der mit lautem Krachen seine Arbeit begann bringt es zum Stehen. Oh je, ich bin ja gar kein Motorexperte und hier in dieser Bucht gibt es auch niemand der mir helfen könnte. Davon abgesehen ist ab morgen Nachmittag Sturm angekündigt und ich kann hier nicht bleiben. Nicht nur all diese Sorgen sondern auch wieder ein heftiger Schwell, der das Schiff wieder wie verrückt tanzen lässt, sorgen für die nächste schlaflose Nacht. Auch der nächtliche Umzug von der gemütlichen Vorkabine in den Salon hat nicht geholfen. Die nächste sichere Bucht um den Sturm abzuwettern, der einige Tage dauern wird, ist Tutukaka. Aber dort hineinzufahren ist immer wieder abenteuerlich. Weiß schäumend brechen sich die Wellen an den Felsen zwischen denen man durch muss, die aber auch die Bucht gut schützen. Ich habe keine Wahl, ich muss dort hinein und hoffen dass der Motor nicht genau in der Zufahrt abstirbt.

 

Tutukaka, Wetterberichte und verschluckte Filter

Fix und fertig von der schlaflosen Nacht und der Sorge dass mich der Motor an der schlimmsten Stelle in Stich lassen könnte mach ich mich also auf den Weg nach Tutukaka. Der Morgen ist zum Glück relativ ruhig, aber leider zu ruhig um zu segeln ….  Hoffentlich … hoffentlich … lieber Motor …. lass uns heil im sicheren Hafen ankommen.  Zu Beginn muckst er noch 2x, was ich mit Vollgas wieder unter Kontrolle bekomme und dann hält er zum Glück durch als ich voll gestresst die Einfahrt nach Tutukaka nehme. Hoffentlich ist der Ankerplatz nicht zu voll …. er ist erstaunlicherweise ganz leer … kein Schiff hier, außer denen an den Bojen die das ganze Jahr hier liegen. Ich habe also genügend Platz und freie Auswahl und kann wie erhofft nahe an der kleinen, aber hohen Felsinsel ankern die mich vor dem kommenden Nordweststurm schützen sollte.

Noch ist es ganz ruhig hier und ich nutze die Chance für einen Landgang, um meine Wasservorräte aufzufüllen und den kleinen Supermarkt aufzusuchen. Der erwartete Sturm bleibt aus …. Zum Glück!

Auch der nächste Tag ist nicht schlimm. Es weht schon hier aber nicht mit den angekündigten 40 Knoten. Entweder habe ich den perfekten Platz gefunden oder die Wetterberichte sind falsch. Der Funk warnt aber weiterhin vor Sturm mit Böen bis zu 50 Knoten.

Ich mach mich auf die Suche nach dem Motorproblem. Nichts offensichtliches da unten bis ich auf die Idee komme den Luftfilter zu inspizieren. Oh je, da krümelt es aber da drin und ein Viertel des Schaumfilters ist komplett verschwunden. Der muss wohl ins System gekommen sein und die Verstopfung (das Absterben) verursacht haben. Das würde auch erklären warum Vollgas geben geholfen hat. Ab in die Mülltonne mit dem verbleibenden Schaumfilter. Und er wird auch nicht mehr ersetzt obwohl ich einen Ersatzfilter habe. Ich fürchte dass auch dieser sich wieder auflösen könnte. Abgesehen davon kann ich auch keinen Sinn in diesem Filter finden, denn im Motorraum aus dem die Luft angesaugt wird befindet sich absolut nichts dass gefiltert werden sollte, bestenfalls eine verirrte Fliege oder Mücke, die aber ganz schnell durchgebrannt ist.

Ich schreibe ein „Hilfe“- Mail an meinen Mechaniker in Whangarei. Ob er nach Tutukaka kommen würde oder ob ich auch ohne Luftfilter und mit rauchendem Motor nach Whangarei fahren könnte sobald der Sturm vorbei ist. Es wäre ok nach Whangarei zu kommen aber ich sollte so viel wie möglich segelnd zurücklegen. Wir vereinbaren dass ich einen Platz in der Marina in Whangarei buche und er am Mittwoch kommt.

Ganze 4 Tage verbringe ich in Tutukaka um den Sturm abzuwettern der seinen Weg zum Glück nicht zu meinem Ankerplatz findet. Trotzdem sind die Böen heftig genug um einen meiner Trinkwasserkanister von Deck zu blasen. Er treibt so schnell davon dass ich keine Chance habe ihn per Beiboot wieder einzufangen. Die Betreiber der Marina in Tutukaka sind sehr nett und lassen mich alle Einrichtungen (Duschen, Müllentsorgung, Waschmaschinen) kostenlos benutzen obwohl ich draußen am Ankerplatz liege. Den habe ich die ganzen 4 Tage für mich alleine. Nur einen Abend kamen 2 Schiffe herein die aber schon am frühen Morgen wieder weitergezogen waren.

 

Pinguine, der laufende Petrel, Delfine und sind Motoren weiblich?

Segelschiffe sind ja bekanntlich weiblich, warum könnt ihr auf der Homepage unter „Das Schiff“ nachlesen. Allmählich glaub ich dass auch Motoren weiblich sind, zumindest hält mich dieser hier  zum Narren.  Aber der Reihe nach ….

Als ich mich auf den Weg von Tutukaka nach Whangarei machen muss um meinen Termin mit Byron, dem Motorenmechaniker, einzuhalten, der mich freundlicherweise zwischen rein geschoben hat, ist es total windstill, … die Ruhe nach dem Sturm. Das Meer ist spiegelglatt, nur ein Schwell von 1 m lässt uns hin und herschaukeln. Die Segel bleiben wieder mal wo sie sind und der Motor muss die ganze Arbeit, aus Protest weiß rauchend, wieder alleine machen.

Auf dem spiegelglatten Wasser zeigen sich hier und dort kleine blaue Pinguine und rasten zahlreiche Sturmtaucher. Während man an die Pinguine nicht sehr nach ran kommt, die tauchen immer sehr früh ab, sind die Vögel bedeutend mutiger. Erst wenn man auf ca 10 m rankommt flattern sie ein wenig zur Seite oder meist vor uns her um dann gleich wieder die Flucht ergreifen zu müssen. Ein schwarzer Petrel ist besonders mutig. Während alle anderen bereits die Flucht ergriffen haben schwimmt er noch ganz gelassen dahin. Erst als wir zum Greifen nah sind läuft er weg. Ja richtig, er „läuft“. Die Sturmvögel und Petrels die zu den Albatrossen gehören, starten indem sie erst mal ein Stück übers Wasser laufen bevor sie abheben. Dieser hier läuft einfach nur, ohne seine Flügel einzusetzen, ca 50 m. Das sah echt lustig aus.

Als ich Bream Head runde, das letzte Kap bevor es in den Hatea River hineingeht der nach Whangarei hinaufführt, begleiten mich Delfine. 6 oder 8, schwer zu sagen wie viele genau, wenn sie dauernd auf einer anderen Seite des Schiffes wieder auftauchen. Es ist immer wieder herrlich sie zu beobachten wie sie synchron auftauchen und unter dem Schiff hindurch. Ich bin wieder mit der Welt versöhnt, denn in Tutukaka, nach all dem Motorenstress und den ständigen Stürmen hier, hatte ich schon ernsthaft überlegt ob ich die Seglerei aufgeben sollte. Nein … tu ich nicht. An Tagen wie diesen weiß man wieder warum man sich all den Stress antut. Es ist einfach zu schön hier draußen auf dem Wasser … wenn grad mal alles passt.

Um ins Town Bassin von Whangarei zu kommen, in dem die Marina liegt, muss man unter der Brücke durch. Das ist einfacher als gedacht. Man ruft einfach über Funk auf Kanal 18 Bridge Control an und sie öffnet sobald man in Sichtweite ist. Man muss also gar nicht warten. Außer zur Rush-hour, morgens von 0730 bis 0845 und abends von 1630 bis 1800 wird nicht geöffnet, denn die Brücke ist viel befahren.

Wie vereinbart erscheint Byron, mein Mechaniker, in der Marina. Der Motor ist seitdem nicht mehr ausgegangen, war wohl doch der verschluckte Luftfilter und der Mechaniker empfiehlt ihn auch nicht mehr zu ersetzten. Sie benützen die Schaum-Luftfilter gar nicht. Das Problem mit dem nicht stoppenden Propeller und dem schwergängigem Gaszug ist schnell gefunden und gelöst. Das Kabel hatte einen Knick und wurde ausgetauscht. Bleibt nur noch der weiße Rauch, aber heute, bei dem starken Wind können wir gar keinen Rauch sehen. Es ist bereits spät abends und wir vertagen auf morgen.

Am nächsten Morgen prüfen wir den Motor auf alle denkbaren Ursachen, machen Dichtigkeitstests um auszuschließen dass es die Zylinderkopfdichtung ist und können nichts finden. Es bleibt bei der Vermutung dass die Einspritzdüsen gereinigt und geserviced werden müssen. Wir lassen den Motor laufen aber kein weißer Rauch zeigt sich. Ich fühle mich vom Motor zum Narren gehalten. Da mach ich solch ein Spektakel und sobald der Mechaniker da ist, läuft alles wie es soll. Ich komme zu dem Schluss dass dieser Motor weiblich sein muss. Immer wenn der nette, junge, gut aussehende Mechaniker da ist zeigt sie sich von Ihrer besten Seite. Ich schlage vor einen alten grantigen Mechaniker zu schicken … aber Byron wird nach dem Wochenende am Montag wieder kommen um die Injektoren auszubauen.

Ich verlege die Carina vom Courtesy-Pontoon, dem Steg an dem man bei der Ankunft anlegt und kostenlos bleiben kann bis sich ein Liegeplatz gefunden hat, an eine Pile-Mooring. Das sind 2 Pfosten im Wasser zwischen die man sich mit Leinen (vorne und hinten) hängt.

Auf dem Weg dorthin höre ich vom Motor her ein metallisches regelmäßiges „Klick-klick-klick…“ sobald ich in den Vorwärtsgang schalte. Oh nein, was ist jetzt schon wieder … Ich kann mich jetzt gerade nicht darum kümmern, hab nur 30 cm Wasser unterm Kiel, der Wind bläst und ich muss irgendwie an diesen Pfählen festmachen. Zum Glück habe ich einen Helfer, der von seinem Beiboot aus die Leinen annimmt und durch die Ringe an den Pfählen schleust bevor er mir das andere Ende wieder zurück an Bord gibt..

So, die Carina hängt nun sicher zwischen den Pfählen. Ich hatte extra einen neuen extralangen Festmacher dafür gekauft. Ich habe hier zwar keinen Strom- oder Wasseranschluss und muss mit dem Beiboot an Land fahren aber es gefällt mir trotzdem besser hier. Ich bin nicht so eingeengt und es ist ruhiger hier, als zwischen all den anderen Schiffen und direkt unter dem Restaurant. Die Marina-Einrichtungen kann ich trotzdem alle benutzen und ich zahle nur die Hälfte hier. Wir hatten heute einen herrlichen Regenbogen der sich im Wasser spiegelte und so einen kompletten Kreis beschrieben hat. Leider kann ich nicht so weit auszoomen um ihn komplett aufs Bild zu bringen.

Übers Wochenende untersuche ich wieder mal meinen Motor was da so geklickert hat und finde eine aufgesprengte Beilagscheibe in der Motorbilge. Wo die herkommt? Muss wohl das Klicken verursacht haben. Ich kann keine Stelle sehen wo sie fehlen könnte und lasse sie wo sie ist um es dem Mechaniker am Montag zu zeigen. Ich lass den Motor laufen aber es klickt nichts mehr, dafür raucht er jetzt wieder wie die Hölle.

Ich genieße trotzdem das sonnige Wochenende, den Vorteil einer Marina mit Steg fürs Beiboot, heißen Duschen und Waschmaschinen und gehe auf den jeden Samstag stattfinden Bauernmarkt. Markttag hier in Neuseeland ist anders als in Deutschland. Viel relaxter. Die Stände sind gut bestückt mit Gemüse, Obst, Honig, Muscheln, Nüssen, Ölen … und dazwischen ist viel Platz für kleine Imbissbuden, Tische und Stühle und irgendwo spielt immer eine gute Band. Da lassen sich leicht ein paar Stunden verbringen mit Kaffee und Einkaufen und Musikhören. Und natürlich läuft einem der eine oder andere Bekannte über den Weg für einen netten Ratsch.

Auf dem Weg zurück zur Marina fährt ein Bus an mir vorbei dessen Aufschrift meine Aufmerksamkeit erregt „Woofles“ steht da drauf. Hmm, nichts Besonderes eigentlich, aber er ist mir schon mal aufgefallen. Heute aber, als ich näher hin schaue, kann ich es kaum glauben. Da sitzen keine Leute drin, sondern Hunde! Ohne Herrchen. Nicht in Transportboxen sondern einfach so auf den Sitzen. Auf fast jedem Sitz sitzt ein Hund. Ein Hundetransport? In einem ganz herkömmlichen Bus? Wohin? Warum? Und wo sind die zugehörigen Besitzer? Auf alle Fälle sieht es witzig aus. Zu Hause google ich und finde heraus dass Woofles eine Hundetagestätte ist. Eine Farm mit unendlich viel Platz auf der sich unzählige Hunde tummeln. Die werden morgens per Bus bei Ihren Herrchen/Frauchen abgeholt und abends wieder per Bus zurück gebracht. Was es alles gibt, Reisebus, Schulbus, Hunde-Bus …!

Montag morgen ….
Byron kommt mit dem großen Werkzeugkasten um die Injektoren auszubauen. Zuerst aber suchen wir wo die Beilagscheibe herkommen könnte – aber sie fehlt nirgendwo. Byron studiert die Pläne von Motor und Saildrive aber im gesamten Motorensystem gibt es keine  Beilagscheibe dieser Größe. Sehr mysteriös. Als wir den Motor laufen lassen um das Klicken zu hören, klickt nichts und es raucht auch nichts. Also bleiben die Injektoren wo sie hingehören und wir vereinbaren ich fahre und beobachte bevor wir weitere Schritte unternehmen. Das muss aber noch einige Tage warten denn es sind gerade wieder 2 heftige Stürme im Anzug. Nimmt das denn gar kein Ende hier?

 

Sturm, Überflutungen und ein paar Schäden

Es ist abends und der Wind zerrt an den Festmachern, sogar hier im Fluss wo das Wasser sonst ganz ruhig ist gibt es Schaumkronen auf dem Wasser.  Es ist äußerst ungemütlich hier. Aber ich hänge ja sicher zwischen den Pfählen und es kann nicht viel passieren, denke ich. In der Nacht wird es noch schlimmer aber ich finde doch ein paar Stunden Schlaf, da ich ja nicht fürchten muss dass der Anker nicht hält. Bis Mittag des nächsten Tages ist der Sturm vorbei und ich inspiziere die Leinen. Da hab ich aber Glück gehabt. Der hintere nagelneue Festmacher ist fast durchgescheuert. Hoffnungslos den zu flicken, also werden aus einem langen Festmacher 2 kurze. Ein wenig Takelarbeit und nun mit diesen Beiden wieder festmachen. Dann ab ins Beiboot um einen neuen langen Festmacher zu kaufen. Oh je, das Beiboot hat auch was abgekriegt. Es ist halb gefüllt mit Wasser und ein zerbrochenes Bodenbrett schwimmt darin umher. Es ist undicht und macht Wasser. Wie ärgerlich. Aber nach 12 Jahren hat es wohl wirklich ausgedient. Seit 2 Jahren verliert es schon regelmäßig langsam Luft ohne eine sichtbare Stelle zu finden und ich muss es jeden 2. Tag nachpumpen. Jetzt muss ich es auch noch dauernd austrocknen. Zum Glück ist es warm genug um barfuß ins Beiboot zu steigen um nicht ständig nasse Schuhe zu bekommen. Aber abstellen auf dem Boden kann ich gar nichts mehr. Muss alles in den Rucksack oder auf den Schoß, was das Rudern ziemlich erschwert. Es ist klar, nur ein neues Bodenbrett kaufen reicht nicht  - es braucht fachmännische Reparatur oder ein Neues muss her.

Gegenüber gibt es Northlands Inflatables, eine auf Beibootreparaturen spezialisierte Werkstatt. Dort marschiere ich nun hin. Ein nicht sehr kooperativer Herr will früh Schluss machen und sagt ich soll morgen wiederkommen und Fotos und Maße von meinem Beiboot mitbringen. Phew, für morgen ist der nächste noch heftigere Sturm angekündigt, da will ich nicht mit dem Beiboot rumtuckern.

Donnerstag morgen, es ist noch ganz ruhig und ich mach mich doch auf den Weg zu Northlands Inflatables. Es ist 10:00 aber die Werkstatt ist geschlossen. Ich rufe an, ja, er ist in 10 Minuten da. Und heute ist er super freundlich, gesprächig, studiert meine mitgebrachten Fotos und Maße um mir zu versichern dass mein Beiboot ein sehr gutes ist, aber halt jetzt in die Jahre gekommen. Er könnte es sicher reparieren und es würde noch eine Saison halten. Er kann mir aber auch ein Neues besorgen. Ich wäge ab. Draußen auf den pazifischen Inseln habe ich keine Chance, wenn mich das Alte verlässt und ich entscheide mich für ein Neues. Wir besprechen verschiedene Hersteller und Modelle, pro und contra und ich entscheide mich für ein Maxxon 230 das meinem bisherigen von Qualität und Größe am Nähesten kommt. Ich werde also hier in Whangarei warten, wer weiß wie lange, bis dieses Beiboot kommt.  Aber ich habe Glück, Tim erwartet ein solches und es sollte morgen da sein.

Zurück auf der Carina geht das Getöse los. Der Sturm ist da, es fegt mit 45 Knoten. Ich bin vorbereitet. Hab Bug und Heck mit jeweils 3 Festmachern an den Pfählen gesichert. Das sollte halten. Das Beiboot ist eh schon kaputt, aber trotzdem binde ich es ordentlich auf der Leeseite an, denn ich brauch es ja noch. Sonst müsste ich an Land schwimmen.

Der Sturm ist noch viel heftiger als der Vergangene und diesmal regnet es, es gießt wie aus Eimern. Am nächsten Tag ist der Fluss nur noch eine braune Schlammmasse auf der riesige Baumstämme, Äste und viele kleine Holzspäne treiben. Das Wasser ist höher als sonst, es scheint als würde die Flut den ganzen Tag dauern. In der Stadt gab es große Überschwemmungen, alle Schulen bleiben geschlossen. Am Schiff gab es keine Schäden und meine Leinen haben auch gehalten. Aber die Seewasserpumpe in der Küche und die Toilettenspülung sind verstopft von all dem Zeug das hier rumschwimmt

Nachdem Tim sich nicht gemeldet hat, ist mein Beiboot wohl nicht gekommen und ich werde das Wochenende noch hier verbringen. Am Samstag führt mich mein Spaziergang an seiner Werkstatt vorbei die offen steht. Ich gehe hinein um Hallo zu sagen und siehe da, mein Beiboot war doch bereits am Freitag angekommen und es liegt aufgeblasen in der Werkstatt. ??? Tim sagt, er testet immer zuerst die Boote bevor er sie an die Kunden abgibt. Das find ich richtig gut. Also Montagmorgen kann ich es abholen.

Montag: ich habe vorsichtshalber mal die Marina noch bis Dienstag gebucht, denn ich bin mir ziemlich sicher dass das Beiboot abholen etwas länger dauern wird, soweit kenne ich Tim inzwischen schon. Ich rudere mein Beiboot in die Marina, lade es auf einen Trolley und karre es zu Tim (er nimmt mein Altes denn er kann Ersatzteile wie Ventile, Sitz etc. brauchen und entsorgt es dann für mich). Die Radfahrer und Ladys mit Kinderwägen, die mir auf dem beliebten Rundweg begegnen, haben ziemliche Schwierigkeiten an meinem dicken Beiboot vorbeizukommen. Geschafft, an der Werkstatt angekommen treffe ich Tim schwer beschäftigt an, er klebt gerade einen Boden in ein Beiboot das er zur Reparatur hat. Also warte ich, denn diese Arbeit kann er jetzt nicht unterbrechen. Bis er damit fertig ist kommt ein weiterer Kunde und Tim bittet mich zu warten, er müsste nur kurz mit dem reden. „Nur kurz“ dauert 30 Min und ich inspiziere inzwischen mein neues Beiboot. Oh je, das sieht nicht gut aus. Die hintere linke Kammer ist nicht mehr voll aufgeblasen. Verliert sie Luft? Oder hat Tim die Luft rausgelassen? Aber warum sollte er? Irgendwas ist nicht in Ordnung und ich werde furchtbar traurig. Doch kein Beiboot für mich heute? Als Tim mit dem andern Kunden fertig ist zeige ich ihm meine traurige Entdeckung. Oh nein, das ist nicht in Ordnung und er stellt es zur Seite. Wie gut dass er es getestet hatte. Das geht zurück, außer ich möchte dass er es repariert, dann wäre es billiger. Nein, ich will kein neues repariertes Beiboot und resignierend finde ich mich damit ab nun ewig zu warten bis ein neues bestellt und angekommen ist. Aber Tim hat noch eines, originalverpackt in der Kiste. Das könnte ich haben und es wird nun ausgepackt und aufgeblasen. Gerade wollen wir uns an den Bürokram, Rechnung, Steuerersparnis, Bezahlung etc. machen, da fährt ein Jaguar vor aus dem ein älterer cooler Typ steigt, in der Hand einen Coffee to go. Als er mich sieht meint er, er würde wieder fahren wenn Tim keine Zeit hätte, aber ich sage er könne ruhig mit Tim Kaffee trinken, so kann ich das Beiboot noch etwas beobachten ob dieses in Ordnung ist. Und so teilt der coole Grant seinen Kaffee mit Tim während wir zu dritt in der Werkstatt auf billigen Plastikstühlen sitzen und plaudern. Da fährt ein Taxi vor und eine ältere Frau steckt den Kopf durch die Tür. „Oh, Du hast Besuch, dann fahr ich wieder“. Nein, komm nur herein, eine mehr oder weniger…. Caldon, so heißt die Taxi fahrende Dame, hat sich gerade ein Mittagessen to go besorgt, Kichererbsen-Hühner-Curry und frisches Brot und sie wollte Tim die Hälfte abgeben weil es für sie zu viel ist. Und so sucht sie nun nach Schüsselchen in Tims kleiner Werkstattküche, teil das Essen auf und gesellt sich zu uns. Ich werde sie besuchen wenn ich das nächste Mal nach Tutukaka komme, denn sie wohnt genau in der Bucht in der ich immer ankere. Ich könne sie nicht verfehlen, sie wohnt in dem Zelt mit dem Camper davor. Tja, so ist Neuseeland, eine nette großzügige Gesellschaft in der Geld nicht zählt. Sonst käme der stinkreiche Jaguarfahrer nicht täglich zu einem Schwatz in Tims bescheidene Werkstatt und macht keine Unterschiede ob reich wie er oder arm wie Caldon. Und man gehört einfach dazu. Als beide gegangen waren habe ich bereits 4 Stunden in Tims Werkstatt verbracht nur um mein Beiboot abzuholen und zu bezahlen. Es waren sehr gesellige, angenehme Stunden und jetzt karre ich das neue Beiboot zurück in die Marina um es dort zu Wasser zu lassen und nach Hause zu rudern.

Morgen werde ich endlich den Fluss verlassen um nach Nord und Süd zu segeln, je nach Windrichtung. Auch wenn es schön war in Whangarei, aber so schnell will ich nicht mehr hier her zurückkommen. In den 8 Wochen in denen die Carina wieder im Wasser ist habe ich es nur für 6 Tage geschafft den Fluss zu verlassen und davon saß ich 4 Tage in Tutukaka fest - Sturm abwettern!

 

Der Hatea-Glue

Vielleicht erinnert ihr Euch an meinen Bericht vom Guadiana-Glue, dem Grenzfluss in Portugal wo man kleben bleibt, einfach nicht mehr weg kommt weil es so schön dort ist. Ein ähnliches Phänomen scheint es hier im Hatea River zu geben, dem Fluss der von Whangarei ins Meer mündet und in dem ich mich nun schon 9 Wochen befinde. Allerdings mit dem Unterschied dass ich hier nicht ganz freiwillig so lange geblieben war. Wenn es nicht das stürmische Wetter war, das mich hier festgehalten hat, dann war es Carinas Motor.

Heute aber endlich lege ich von den Pile Moorings ab mit Ziel Waiheke Island im Hauraki Gulf. Heute schaffe ich es aber nicht mehr bis ans Meer, sind ja doch 16 Meilen bis dahin und ich ankere nochmal in der Parua Bay, auf halbem Weg. Dort nutze ich wieder das stille sauberere Wasser um wieder Carinas Unterwasserschiff und Wasserlinie zu putzen die schon wieder schrecklich aussieht. Wieder alles voller braunem Schlamm. So, aber nun ist sie hübsch und sauber, wenn auch nicht für lange. Auf dem Weg den Fluss hinunter hat der Motor wieder geraucht wie Hölle. War doch klar, der hübsche junge Mechaniker ist weg und „die“ Motor kann sich wieder gehen lassen. Aber diesmal hält er/sie mich nicht wieder zum Narren. Ich habe ein Video gemacht und es dem Mechaniker geschickt. Irgendwas muss ja verkehrt sein. Es sorgt mich wirklich. Spät abends nach Feierabend schreibt mein Mechaniker zurück, er hat sich das Video angeschaut und vermutet es ist Dampf und nicht Rauch. Das würde heißen es wird nicht genügend Kühlwasser durch den Motor gepumpt wodurch der Auspuff zu heiß wird und das austretende Kühlwasser zu Dampf verwandelt. Das klingt auch für mich plausibel. Leider kann er diese Woche nicht mehr nach der Carina schauen, aber wenn ich zurück nach Whangarei führe, käme er Montagnachmittag vorbei um das Kühlsystem zu überprüfen.

Ich bin so enttäuscht, dass ich wieder zurück muss. Werde ich diesem Fluss jemals entkommen? Ich scheine hier wirklich festzukleben. Er ist ja schlimmer als Industrie-Kleber. Aber ich bin auch erleichtert, dass wir ggf. die Ursache gefunden haben und mich der Mechaniker wieder zwischen all seine Termine einflicken kann. Es ist Hochsaison. Die Sommerferien stehen bevor und alle wollen sie ihre Schiffe vor Weihnachten fertig und im Wasser haben. Dazu kommt dass nun alle Schiffe, die den Winter auf den pazifischen Inseln verbraucht haben zurückkommen und all die Wartungsarbeiten und Reparaturen ausgeführt haben wollen die auf den Inseln nicht möglich waren.

Bis Montag sind noch 5 Tage die ich nicht in der Parua Bay und auch nicht in Whangarei verbringen will. Ich motore bis an die Mündung des Flusses und finde eine hübsche vor Nordwinden geschützte Bucht mit Blick hinaus aufs Meer. Dort in der Taurikura Bay lasse ich den Anker fallen und verbringe die verbleibenden Tage. Ich checke den noch konservierten Wassermacher und bestelle Filter und Reinigungsmittel, warte die Winschen und lege einen Nähtag ein. Eine Short muss geflickt werden, aus abgeschnittenen Jeansbeinen entsteht eine Tasche für die Beiboot-Ruder und ein Kleid dass ich kürzlich in Whangarei gekauft habe wird gekürzt. Als ich es anziehe um zu sehen ob es mir jetzt besser gefällt und mich im Spiegel betrachte, finde ich es schrecklich. Es steht nach vorne weg und sieht aus wie ein Zirkuszelt während die Rückseite einigermaßen zu passen scheint. Mir schwant, dass ich aus Versehen ein Umstandskleid gekauft habe. Naja, muss ich halt den großen Bauch wegnähen und irgendwann wird es schon passend sein.

Eigentlich bin ich ganz froh darum hier in der Taurikura Bay warten zu müssen, denn wieder ziehen Tiefs von Tasmanien herauf und über Neuseeland hinweg mit viel Regen und Sturmböen bis zu 55 Knoten. Da wollte ich ohnehin nicht draußen auf dem Meer sein. Auch Daysailing macht keinen Sinn. Es wäre grundsätzlich möglich so nah an der Mündung , einfach ein paar Stunden segeln zu gehen aber es gibt zur Zeit entweder gar keinen Wind oder dann aus dem Nichts Böen mit 40+ Knoten. Das würde heißen für null bis ganz wenig Wind würden wir volle Segel brauchen und die nächste Bö würde uns flachlegen. Mit gerefften Segeln kämen wir nur in den kurzen Böen ein Stück voran und würden dann wieder ewig rumdümpeln bis zur nächsten Bö. So macht Segeln keinen Spaß und ich bin es inzwischen sooo leid. Wird das denn nie anders mit dem Wetter? Na ja, bald ist Sommer, dann wird es sicher besser und mein Motor wird ja diesmal hoffentlich auch gerichtet. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Am Sonntagnachmittag mach ich mich auf den Rückweg nach Whangarei, eigentlich nur bis Norsand, denn einen Platz in der inzwischen überfüllten Marina, in der die Schiffe schon im Päckchen liegen, habe ich erst ab Montag. Die letzten Meilen im Fluss sind sehr flach. Da aber Hochwasser früh am Morgen oder spät abends ist muss ich bereits morgens sobald die Brücke öffnet durch. Deshalb will ich so nah wie möglich sein.

Ca 1 Stunde nachdem ich meinen Ankerplatz verlassen hatte erwischt mich die erste Bö mit 45 Knoten, so heftig dass der Autopilot den Kurs nicht mehr halten kann. Also Handsteuern und Vollgas um nicht gegen die großen Frachter, die am Marsden Point liegen, getrieben zu werden. 10 Minuten, dann ist das Schlimmste vorbei. 30 Minuten später der nächste Squall, diesmal nicht gar so viel Wind dafür umso mehr Regen. Es prasselt nur so um mich herum und ich sehe gar nichts mehr. Auch keine Fahrwasserbojen, muss also im Blindflug, mich auf die elektronischen Seekarten auf dem Tablet verlassend, das Fahrwasser finden. Das sieht ja hier aus als wäre endlos viel Wasser und Platz in dieser weitläufigen Mündung. In Wirklichkeit gibt es nur ein sehr schmales nicht allzu tiefes Fahrwasser zwischen all den Sandbänken die entweder trocken fallen oder nur noch 50 cm Tiefe aufweisen. 20 Minuten Prasselregen ohne Sicht, dann 30 Minuten trocken mit mäßigem Wind, dann der nächste Wolkenbruch … so geht das nun seit Stunden dahin und der Auspuff qualmt wieder wie Hölle. Da fällt mein Blick auf die Motoranzeigetafel die etwas versteckt im Cockpit unter dem Sitz angebracht ist. Huch…, da leuchtet ja ein rotes Lämpchen! Eigentlich sollte es auch Alarm piepsen, aber das tut es seit der langen Zeit auf dem Trockendock nicht mehr (also noch was das überprüft und gerichtet werden muss). Nun aber erst mal schauen was es mit dem roten Lamperl auf sich hat. Aha, Motortemperatur! Oufff, wer weiß wie lange schon der zu heiß ist, hab ja vorher da gar nicht hingeschaut und es jetzt erst bemerkt. Ich sollte den Motor ausschalten, aber das geht gerade nicht. Ich befinde mich an einer der engsten Fahrwasserstellen, rundherum zu flach und ein großes Gebiet mit Unterwasserkabeln die von Limestone Island zum Festland hinüber verlegt sind. Also ankern unmöglich. Segeln geht auch nicht – Null-Wind oder Bö und die gegenan, kein Platz zum Kreuzen hier. Ich muss weiter unter Motor fahren bis hinter Limestone Island wo ich dann ankern kann. Zum Glück ist die Strömung mit uns und ich kann den Motor mit sehr wenig Last laufen lassen für die halbe Stunde die wir noch bis dahin brauchen. Dann endlich Anker unten, hinter Limestone Island und Motor aus. Bis Norsand, dem nähesten Ankerplatz zu Whangarei, an dem ich die Nacht verbringen wollte sind es noch 2 Meilen. Ich werde den Motor 2 Stunden abkühlen lassen und dann bevor es dunkel wird den Rest angreifen.

Nach 2 Stunden fühlt sich der Motorblock immer noch sehr heiß an und ich helfe etwas nach, mit feuchten Tüchern und gekühlten Gelpads die ich immer im Kühlschrank aufbewahre, um sie im Notfall für Verletzungen parat zu haben. Heute profitiert der Motor davon.

Nach 3 Stunden Abkühlphase ist der Motor zwar immer noch nicht abgekühlt, aber ich muss weiter um noch am Ankerplatz zu sein bevor es dunkel wird. Ich weiß dass dort immer viele Schiffe ankern ohne Licht. 30 Minuten schafft es der Motor mit akzeptabler Temperatur, dann wird es ihm wieder zu heiß und das Lamperl, das ich nun ständig im Auge behalte, leuchtet wieder auf, nur noch ½ Meile, durchalten! Leider jetzt gegen die Strömung. Endlich bei Einbruch der Dämmerung geschafft, noch einen freien Platz ergattert und Motor aus. Jetzt kann er abkühlen bis morgen früh.

Mit jetzt wirklich kaltem Motor schaffen wir am frühen Morgen die letzten 2 Meilen bis in die Marina ohne Überhitzung. Und jetzt warten wir auf Byron, den Mechaniker. Es ist bereits 16:00 Uhr und er ist immer noch nicht da. Ein kurzes SMS, es schafft es heute leider nicht mehr, ob morgen früh gleich um 07:30 ok sei? Hilft ja nix, also bis morgen früh. Gut dass er so früh kommen will, denn, glaubt es oder nicht, der nächste Sturm wird morgen ab Mittag erwartet, wieder ein ganz heftiger.

Der nächste Morgen, 07:30, das Handy piepst – Byron. Er hat übersehen dass er heute kein Beiboot zur Verfügung hat um zu den Pile-Moorings zu kommen an denen Carina wieder hängt. Kein Problem, ich hol ihn halt mit meinem ab.

Der äußere Seewasserkühlkreis ist tatsächlich verstopft. Wir finden darin diese kleinen Holzspäne die beim letzten Sturm herumtrieben, eine Babymuschel und Kalk. Also richte ich eine Essiglösung her die wir dahinein pumpen wollen um den Kalk zu lösen. Aber die Impellerpumpe saugt das Essigwasser nicht an. Also wird die Pumpe zerlegt. Nichts Offensichtliches zu sehen. Byron packt seine Sachen zusammen und nimmt die Pumpe mit um sie in der Werkstatt zu testen. Ich überlasse ihm dazu mein Beiboot, denn ich habe sowieso nicht vor das Schiff zu verlassen. Es regnet gerade wieder mal schrecklich und ich gebe ihm einen 1 $ Touristen-Regenponcho den ich immer im Rucksack habe, damit der arme Kerl nicht in total durchnässten Klamotten den restlichen Arbeitstag verbringen muss.

Stunden später kommt Byron zurück, ohne Pumpe, ohne Werkzeug. Carinas Seewasserpumpe geht tatsächlich nicht mehr, nur bei extrem hohen Drehzahlen saugt sie noch, aber auch nicht ausreichend. Wir müssen eine neue bestellen und brauchen daher die Motorendaten. Mit etwas Glück ist sie in Auckland verfügbar und könnte morgen schon da sein. Hoffentlich! Und hoffentlich sind damit dann alle Probleme gelöst. Zum einen wird die ganze Geschichte allmählich unbezahlbar für mich und zum anderen erwarte am Freitag Besuch von Conny, die mit mir eine Woche die Küste entlangsegeln will.

Ich bringe Byron zurück an Land, gerade noch rechtzeitig bevor die ersten angekündigten Sturmböen uns hier im Town Bassin erreichen und der Regen wieder prasselt. Und nun heißt es wieder mal warten und hoffen.

Ihr denkt euch wahrscheinlich die ganze 'Geschichte ist ja zum "Haare raufen" während die Segeler hier nur läßig die Schultern zucken und meinen „That’s boating“.

 

Zu den Fotos ...

 

2024  Unter weißen Segeln um die Welt   globbers joomla templates
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.