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Carina's Logbuch

Sooo kalt – endlich so schön warm

Es ist Anfang März und ich bin auf dem Rückweg nach Gibraltar, nach einem fast 5-wöchigen Aufenthalt im für diese Jahreszeit viel zu warmen Deutschland. Die Temperaturen lagen zwischen 2 und 12 ° und der Kachelofen und die Gastfreundschaft meiner Freunde bei denen ich in dieser Zeit wieder wohnen durfte hat mich gut gewärmt. Auf dem Weg zum Flughafen München sehe ich den ersten Schnee in diesem Winter und freue mich jetzt wieder in den Süden in die Wärme zu fliegen. Ich komme planmäßig kurz vor Mitternacht in Malaga an. Zu spät um noch einen Bus nach Gibraltar zu bekommen. Ich werde also die Nacht am Flughafen verbringen. Ich finde in der Gepäckausgabe Halle in einer abgelegenen Ecke 3 Sitzbänke, die ausnahmsweise mal nicht mir Armlehnen unterteilt sind und strecke mich darauf aus. Ein junges Paar das ebenfalls suchend umhergewandert war gesellt sich zu mir und belegt die anderen beiden Bänke. Wir hatten ca. 1 Stunde geschlafen als wir vom Sicherheitsdienst geweckt werden. Dieser Bereich wird nun geschlossen und wir müssten hier weg. Schade, hier lag man gut und warm. Wir werden in die Ankunftshalle geschickt. Dort dürften wir schlafen. Ich finde eine riesige Fensterbank versteckt und ruhig hinter den Abfertigungsschaltern. Hier liegt man ja noch bequemer als auf der Bank. Den Rucksack zwischen mir und Fenster eingeklemmt und die Tasche mit den Wertsachen als Kopfkissen genutzt bin ich bald wieder eingeschlafen. Um 4:00 morgens werde ich wach weil mir kalt ist, sehr kalt. Ich kann nicht mehr einschlafen vor Kälte und wandere nun mit meinem Gepäck auf dem Trolly durch die Hallen um mich zu wärmen. Die Temperaturen waren auf 4° gesunken und ich habe keinen Schlafsack dabei. Während ich meinen Trolly durch die Hallen schiebe komme ich mir vor wie ein Penner der sein Hab und Gut im Einkaufswagen mit sich führt. Endlich macht das erste Cafe auf und ich wärme mich mit einem großen Caffee Latte. Um 08:00 geht der erste Bus nach Marbella wo ich umsteigen muss. Leider kommt er fahrplanmäßig 10 Minuten nach der Abfahrt des Busses nach La Linea an (dort liegt die CARINA). Ich muss 1 ½ Stunden warten und dann über San Roque nach La Linea fahren. Um 14:00 stehe ich im Hafen von La Linea vor meiner CARINA die meine Abwesenheit gut überstanden hat. Und jetzt ist es endlich so warm wie erhofft. Jacke weg, T-Shirt raus und erst mal die Sonne genießen.

Über die Strasse von Gibraltar nach Afrika (Ceuta)

Nachdem alle Pakete aus Deutschland angekommen waren, die Carina mit Vorräten aufgefüllt ist von denen ich vermute sie in Marokko nicht zu bekommen mache ich am Montag den 14. März die Leinen los und segle bei strahlendem Sonnenschein und einer leichten Brise aus der Bucht von Gibraltar hinaus – Ziel Ceuta, spanische Enklave in Marokko und genau gegenüber (südlich) von Gibraltar. Ich quere direkt am Beginn des Verkehrstrennungsgebietes. Hier kommen die Großen noch aus allen Richtungen, in die Strasse von Gibraltar hinein, aus der Strasse hinaus, die Abbieger in die Bucht von Gibraltar und die Fähren die zwischen Algeciras (Spanien) und Ceuta hin und her pendeln und mitten drin die kleine Carina begleitet von Delfinen. Oftmals ist es sehr grenzwärtig ob wir gefahrlos aneinander vorbeikommen und oftmals tuten mich die Großen an. Erst wenn sie schon recht nah sind, kann ich ohne AIS mit Sicherheit sagen ob das gut gehen wird. Da ich ihr Ziel nicht kenne (durch die Strasse von Gibraltar durch oder nach Algeciras oder nach Ceuta) ist es auch nicht ratsam zu früh den Kurs zu ändern. Abgesehen davon kommen sie ja von allen Seiten. Weiche ich einem aus fahre ich dem nächsten vor die Nase. Da muss man schon ziemlich nah an ihnen vorbeisegeln. Manchmal starte ich vorsichtshalber schon mal den Motor, so für alle Fälle und bin froh als ich diese Zone, die ca 8 Seemeilen breit ist, endlich hinter mir habe.

Vor dem Hafen von Ceuta funke ich die Marina Herkules an und frage nach einem freien Platz. Ja, haben sie, ich soll zum Marinabüro kommen. Noch bin ich recht entspannt, denn in meinem Revierführer steht es handle sich um eine zwar kleine, meist volle, aber modernisierte Marina und es ist von Fingerpontoons die Rede. Also der übliche Komfort wie ich ihn aus dem Atlantik und aus La Linea gewöhnt bin. Ich runde den Wellenbrecher und befinde mich nun in der schmalen Zufahrt. Ist wirklich klein hier, die Stege voller kleiner Motorboote und ganz weit hinten ein paar Segelschiffe, aber wo ist das Marinabüro??? Mehrere Gebäude ringsherum, aber keines scheint per Schiff erreichbar zu sein. Ich drehe mich an der Einfahrt auf der Stelle im Kreis um mich zu orientieren, da höre ich jemand pfeifen und sehe einen Herrn am anderen Ende winken. Er meint mich, also fahre ich auf ihn zu. Oh Schreck, das sind ja gar keine Fingerpontoons. Statt dessen sind die schmalen Gassen durch Mooringleinen noch schmaler. Also wie im Mittelmeer üblich, anlegen mit Heck und Mooringleine. Darauf bin ich nicht vorbereitetet. Mit dem Heck anlegen kann ich nicht, da würde ich einen Schaden an der Windsteuerung riskieren. Also mit dem Bug zum Steg. Über den Bug hinunterhüpfen, Leinen festmachen, über den Bug zurück klettern, Mooring festmachen und gleichzeitig das Schiff auf der Stelle halten das wird alleine nicht funktionieren. Zum Glück ist ja ein Helfer da, aber als ich meinen angewiesenen Platz fast erreicht habe geht er weg zu einem anderen Schiff. NEIN !!!! nicht weggehen –ich kann das nicht alleine!!! Abgesehen davon habe ich seit 9 Jahren nicht mehr auf diese Weise festgemacht. Jetzt komme ich aber ins Schwitzen. Ich stoppe auf. Da kommt er zum Glück zurück, war nur zwischendurch beim Ratschen mit den Herren von Schiff 3 Plätze weiter. Der hat Nerven!! Wenn der wüsste wie es um meine Nerven aussieht!! Also vorsichtig zwischen den Mooringleinen hindurch und mit dem Bug zum Steg. Schnell vorlaufen eine Leine übergeben, der Marinero nimmt meine Leine und drückt mir die Mooringleine in die Hand. Igitt, bääähhh, pfui, auch darauf war ich nicht vorbereitet. Hatte weder Bootshaken noch Handschuhe dabei und jetzt die ekelige schlammige Leine in den bloßen Händen. Bis ich damit am Heck der Carina angelangt bin, sind das Schiff und ich von oben bis untern voller braunem Schlamm. Pfui Teufel, was für eine scheußliche Methode. Was bin ich doch verwöhnt vom längsseits anlegen im Atlantik. Der Marinero will mir ein Formular übergeben – das geht jetzt nicht. Meine Hände sind voller Schlamm –muss mich erst waschen – er muss warten. Er winkt ungeduldig mit dem Zettel und ruft immer wieder was vom Marinabüro. Ja , ich komm ja schon. Her mit dem Wisch, und dann erst mal tranquillo mein Herr. Wo ist die spanische Gelassenheit geblieben? Ich weiß nun ganz sicher warum ich nicht ins Mittelmeer wollte, dabei ist das doch hier noch ganz am Rand. Ich leg den Zettel zur Seite, wasch erst mal das Schiff und die Fender bevor der Schlamm antrocknet, und dann mich. Jacke, Hose, Schuhe, alles voll braunem Schlamm. Bääähhh. Während ich so vor mich hinschimpfe und putze ändere ich auch sofort meinen Plan. Ich werde nicht weiter ins Mittelmeer hinein segeln, nicht nach Smir und nicht nach M’Diq um dann auf dem Rückweg nach Tanger hier wieder Zwischenstation zu machen. Abgesehen davon liege ich hier direkt am öffentlichen Gehsteig einer sehr belebten Stadt neben einer 4-spurigen Strasse. Jeder Passant kann direkt auf das Schiff gehen. Nur gut dass ich mit dem Bug zur Mauer liege, da ist erstens das rüberklettern etwas schwierig und zweitens schaut mir nicht jeder in den Salon.

Im Marinabüro kommt der nächste Schock. Mein Handbuch schrieb dass die Liegegebühren hier sehr günstig seien, d.h. nur die Hälfte wie sonst im Mittelmeer. Für mich waren die 21 € pro Tag teuer, denn bisher habe ich in den spanischen Marinas nie mehr als 10 € bezahlt. Da kann ich mir ja vorstellen was die im Mittelmeer für Preise haben. Noch ein Grund mehr dort nicht hinzusegeln.

Ceuta stellt sich als sehr angenehm und sehr hübsch heraus. Es gibt viele schöne Gebäude die vor allem nachts toll angestrahlt werden und eine wunderschöne Palmenallee führt am Hafen entlang. Einkaufen ist einfach, es gibt genügend Supermärkte in Fuß-Reichweite rundherum und alles ist zollfrei, also diesmal wirklich billig. Ich beschließe hier zu bleiben und auf ein günstiges Wetterfenster zu warten um gegen Ende der Woche durch die Strasse von Gibraltar nach Tanger zu segeln.

Ich nutze die Zeit in Ceuta um mich schon mal mit den Formalitäten des Ein- und Ausklarierens für Marokko vertraut zu machen. Ich frage im Marinabüro aber die haben keine Ahnung. So laufe ich nun durch die Stadt von Behörde zu Behörde aber weder im Büro des Hafenmeisters noch beim Zoll weiß jemand ob ich in Spanien ausklarieren muss. Nachdem niemand etwas darüber weiß gehe ich davon aus, dass es nicht notwendig ist.

Erste Berührung mit Marokko

Ich will wissen wie schwierig es ist nach Marokko hineinzukommen und so nehme ich den Bus zur nahe gelegenen Grenze. Dort bietet sich mir erst einmal ein sehr bedrückendes Bild. Endlose Zäune, viel Polizei und das Schlimmste von allem, am Strand vor der Grenze sitzen ca 200 Menschen, offensichtlich Marokkaner, vor allem Frauen, auf zusammengeschnürten Paketen und Kisten und warten, von Polizisten gut bewacht. Diejenigen die versuchen Richtung Grenze zu marschieren werden von den spanischen Polizisten zurückgedrängt. Das erinnert mich sehr an die Flüchtlingssituation aus dem deutschen Fernsehen und es bedrückt mich sehr das live zu erleben. Als ich am Abend von meinem Ausflug nach Tetuan in Marokko zur Grenze zurückkomme sitzen diese Menschen immer noch da. Ich frage einen spanischen Polizisten was mit diesen Menschen ist. Er scheint genauso bedrückt wie ich zu sein und erzählt mir bereitwillig dass es sich hier um marokkanische Händler handelt die nicht nach Marokko zurückdürfen. Die Marokkanische Behörde verbietet ihnen die Rückkehr. Die Spanier wissen nicht wohin mit diesen Menschen und so werden sie wieder eine weitere kalte Nacht hier am Strand verbringen müssen. Sie haben nicht einmal Decken oder Holz um ein Feuer zu machen um sich zu wärmen.

Ich wandere zu Fuß über die Grenze ca 300 m an einem ewigen Zaun entlang. An einem kleinen Fensterchen muss ich ein einfaches Formular ausfüllen, bekomme einen Stempel in meinen Reisepass und bin nun in Marokko. Hier ist nichts, nur trostlose Landschaft und viel Polizei. Der nächste Ort „Fnideq“ liegt 3 km entfernt. Entweder man geht zu Fuß oder nimmt eines der zahlreichen Taxis die hier warten. So schnell kann man gar nicht schauen und schon ist man umringt von Agenten die einem ein Taxi vermitteln wollen. Ein Taxi ins 45 km entfernte Tetuan kostet 12 € und mit dem bin ich jetzt unterwegs.

Tetuans Medina – Weltkulturerbe

Tetuan hat ca 300 000 Einwohner wird selten von Touristen besucht, obwohl Tetuans Medina zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Aufgrund der wenigen Touristen ist es noch immer so marokkanisch wie man sich nur Marokko vorstellen kann. Eigentlich konnte ich es mir nicht wirklich vorstellen und bin jetzt erst mal sehr schweigsam als ich die ersten Eindrücke sammle. Es ist alles so bitterarm und schmutzig. Ich muss mich erst daran gewöhnen. Die einzige Vorstellung die ich tatsächlich von Marokko hatte war komplett falsch. Ich hatte befürchtet dass man es als Frau alleine in Marokko schwer hat, das man nicht respektiert oder gar ignoriert wird. Dies hat sich überhaupt nicht bestätigt. Ich wurde überall mit höchstem Respekt behandelt, herzlich willkommen geheißen. Auch die Marokkanischen Frauen schienen mir sehr selbstbewusst und genossen offensichtlich Respekt in der Öffentlichkeit. Das einzige was sie von uns Europäerinnen zu unterscheiden schien, war die Kleidung, sie tragen eben Kaftans und Kopftücher. Sie machen sich zu Hause schick und wenn sie ausgehen versuchen sie unscheinbar zu wirken. Bei uns ist umgekehrt. Wir legen meist zu Hause nicht so viel Wert auf das Äußere und machen uns schick wenn wir das Haus verlassen. Andere Länder, andere Sitten.

Noch bevor ich die Medina erreiche werde ich von einem Herrn angesprochen, der sich als offizieller Stadtführer ausweist und mich zur Tourist Info bringen will. Da wollte ich ohnehin hin und so folge ich ihm. In der Tourist Info, in einem wunderschönen Gebäude mit herrlichen Wandteppichen, werde ich von einem Herrn in Djellabah hinter einem mächtigen Schreibtisch herzlich willkommen geheißen. Er erzählt mir etwas über Tetuan, gibt mir einen Stadtplan und empfiehlt den Stadtführer der für eine 3-stündige Führung 15 € kostet.

Im nachhinein bin ich froh dieses Angebot angenommen zu haben, denn ich hätte mich in der riesigen Altstadt mit den verwinkelten Gassen hoffnungslos verirrt und hätte wohl Stunden gebraucht hier wieder rauszufinden.

In den winzigen Gassen drängen sich Händler und Menschen. Die Geschäfte sind winzig und die Werkstätten, egal ob nun Schreinerei oder Schneider sind meist nicht größer als ein Gästeklo. Ich falle total auf, obwohl ich sehr dezent gekleidet bin, mit langer Hose und dunkler Jacke und die Haare zusammengebunden habe. Ich sehe wirklich keine Touristen.

Ich kann den Menschen bei ihrer Arbeit zu sehen und bin überall willkommen, aber fotografiert werden wollen die Menschen hier nicht. Wenn man sie fragt kommt ein Nein, wenn sie aus versehen aufs Bild kommen, weil es kaum möglich ist einen Moment ohne Menschen zu erwischen verdecken sie ihre Gesichter oder wenden sich ab. Verständlich aber schade, denn gerade die Menschen waren es, die Marokko so besonders machen.

Am Busbahnhof von Tetuan werde ich wieder von vielen Agenten umringt die mir weis machen wollen dass es keinen Bus nach Ceuta gibt und dass ich ein Taxi nehmen muss. Laut Reiseführer gibt es einen Bus und ich lasse sie einfach stehen und schlage mich durch zum Fahrkartenschalter. Dort bekomme ich ein Ticket bis nach Fnideq für 80 Cent. Von dort sind es 3 km bis zur Grenze die ich zu Fuss oder mit dem GrandTaxi (einem Sammeltaxi) zurücklegen muss. Der Herr am Fahrkartenschalter schreibt mir die Haltestellennummer und die Abfahrtszeit auf das Ticket. Ich werde nervös und habe es eilig, denn bis zur Abfahrt sind nur noch 2 Minuten. Der Fahrkartenverkäufer erklärt mir auf französisch dass der Bus erst später fährt und noch keine Eile besteht. Ich kenn mich gar nicht mehr aus. Man muss es mir angesehen haben, denn ein weiterer Marokkaner mischt sich ein. Ich will auf keinen Fall den Bus verpassen und bitte ihn mir auf dem riesigen Busbahnhof schnell zu zeigen wo denn die Haltestelle 23 sei. Er bringt mich dorthin wo weitere Männer sich der Sache annehmen um mir zu erklären der Bus fällt aus, ich muss mit dem auf Haltestelle 21 fahren. Da ist aber kein Bus und die Abfahrtszeit wäre doch schon erreicht. Verwirrung total. Dann endlich schafft es einer der Männer mir zu erklären dass Marokko eine andere Zeitzone hat als Spanien und dass ich noch eine Stunde Zeit hätte bis zur Abfahrt. Uuufff! Erleichterung!!

Im Bus setze ich mich immer neben eine Frau und da ich immer noch nicht sicher bin ob ich im richtigen Bus bin, denn der hier fährt nach Tanger, frage ich sie einfach. Ja, ist schon richtig und herzlich willkommen in Marokko. Sie steigt auch in Fnideq aus und dort begleitet sie mich dann bis zum Grand Taxi Stand.

Zurück in Ceuta ist es bereits dunkel und auch meine Stimmung ist düster und etwas gedrückt. Auch wenn die Marokkaner sehr freundlich, hilfsbereit und respektvoll waren, bin ich mir noch gar nicht sicher ob ich wirklich nach Marokko will.

Diese Frage stellt sich jedoch gar nicht, ich muss nach Marokko, den dort hin wird Stefan, meine Crew für nächste Woche, fliegen und ich werde ihn in Tanger erwarten.

Abenteuer Tanger

Am Freitag den 18. März segle ich bei leichtem Wind und Sonnenschein mit gemischten Gefühlen weiter nach Tanger. Die Marina in Tanger ist noch nicht fertig und wo und ob ich im Hafen von Tanger einen Platz finden werde steht noch in den Sternen.

Im Schutz der langen Hafenmole richte ich Leinen und Fender und steuere nun, wie im Handbuch empfohlen, auf den inneren Hafen zu. Kurz davor setzt auf einmal ein Höllenlärm ein. Es klingt wie lauter Sirenen aus allen Richtungen, und irgendwie doch anders, laut, fremd, beunruhigend, gerade jetzt wo meine ganze Konzentration der Suche nach einer Anlegestelle gewidmet ist. Dann wird es mir klar. Der Muhezin ruft zum Gebet. Und weil Tanger nicht nur eine Moschee hat, sondern sehr viele, rufen jetzt von allen Minaretts die Muhezins gleichzeitig. Es klingt furchtbar. Das werde ich von nun an 5x täglich zu hören bekommen.

In der Zufahrt zum inneren Hafen treiben jede Menge kleiner Fischerbötchen mit riesigen Lampen dran, an denen ich mühelos vorbeikomme. Dann aber muss ich aufstoppen weil ein großes Fischerboot aus dem inneren Hafen kommt und eh ich mich umschaue bin ich von mindestens 10 großen Fischern umringt die alle ihre kleinen Tenderboote aufsammeln und zum Fischen hinausfahren. Und es kommen immer mehr. Ich stehe in einer Ecke des Hafens und warte ca 30 Min bis ich endlich weiter kann. Im inneren Bassin gibt es 2 Stege, die aber mit lokalen Booten überfüllt sind. Sonst gibt es keinen Platz hier. 2 Männer rufen mir auf französisch zu ich solle zur Fähre „Comarit“ hinausfahren und dort festmachen. Die liegt zwischen innerem und äußerem Hafen, aber auch da ist kein Platz und so gehe ich einfach am dahinter liegenden Lotsenboot längsseits. Einfach war nicht! Gerade als ich mit den Leinen übersteigen will kommt wieder ein Fischer vorbei und macht so viel Welle dass es unmöglich ist alleine festzumachen. Da kommt ein Helfer von der Fähre herbeigeeilt. Als die Carina endlich sicher am Lotsenboot vertäut liegt, kommt der Lotse – er müsste jetzt weg. Also muss ich auch weg. Lotse rauslassen und wieder zurück an dem Boot längsseits gehen an dem der Lotse lag. Zum Glück ist mein Helfer dageblieben. Er heißt Shahi und ist der „Watchman“ der stillgelegten Fähre Comarit. Nun ist ein wenig französisch sehr hilfreich, denn Shahi bietet an mich zum Hafenmeister zu bringen wo ich einklarieren muss. Ich will aber erst noch abwarten bis das Lotsenboot zurück ist und dann erst die Carina alleine lassen. Um mir Shahi als Helfer warm zu halten frage ich ihn ob er raucht (ich hatte in Ceuta vorsichtshalber Zigaretten gekauft, obwohl ich gar nicht rauche). Ja, strahlt er und ein Bier würde er auch trinken. Er bekommt eine Zigarette und ein Bier und ich ab jetzt eine treuen Helfer und Watchman für die Carina.

Nachdem das Lotsenboot zurück ist und die Carina wieder außen längsseits liegt frage ich den Lotsen ob er heute nacht noch mal raus muss. Nein, er fährt eigentlich die ganze Woche nicht raus und ich könnte hier dran problemlos liegen bleiben so lange ich wolle. Das ist schon mal beruhigend, denn es gibt absolut keinen anderen Platz im gesamten Hafen für mich.

Gemeinsam mit Shahi wandere ich nun durch den riesigen Fischerhafen zum Hafenmeister. Der ist sehr freundlich, spricht gutes englisch und ruft umgehend einen Herrn der ein Einklarierungsformular bringt. Das fülle ich aus und brauche erst wieder kommen wenn ich wieder abreise um meine Liegegebühr zu bezahlen. Bin ja mal neugierig was das kosten wird. Ich kann so lange bleiben wie ich will und zum bezahlen/abmelden kann ich gerne auch schon am Vortag kommen, da sie erst um 09:00 öffnen. Jetzt aber muss ich zur Zivilpolizei und mich dort melden. Auch hier werde ich wieder sehr freundlich und respektvoll begrüßt und nachdem der Beamte weiß dass ich aus Deutschland komme spricht er deutsch mit mir. Er fragt mich ob ich keine Angst hätte alleine zu segeln und ich frage ihn woher er deutsch könne. Hat er sich selbst beigebracht, weil die Touristen ihn sonst nicht verstehen. Respekt. Eigentlich müsste es ja umgekehrt sein. Die Touristen sollten die Sprache des Landes sprechen in das sie reisen wollen. Es dauert ca 30 Minuten bis er umständlich ein weiteres Formular ausgefüllt hat. Dann bekomme ich meinen Reisepass mit einem Stempel drin zurück, aber die Bootspapiere behält er. Vor der Abreise muss ich mich wieder bei ihm abmelden und dann bekomme ich auch die Schiffspapiere wieder.

Alles ging freundlich, problemlos und kostenfrei von Statten. Als ich aus dem Büro komme ist es bereits dunkel und ich bin froh dass Shahi auf mich gewartet hat, denn im Dunklen über den Fischerhafen zu laufen ist schon sehr unheimlich. Shahi bekommt wieder eine Zigarette und ein Bier und ist nun mein Freund.

Auf dem Schiff fühle ich mich sicher, denn direkt neben mir auf der Fähre wacht Shahi über uns. Auch wenn ich in die Stadt gehe wacht Shahi, für eine Zigarette und ein Bier, prüft die Leinen und ich kann die Carina sorglos alleine lassen.

Tanger ist anders als Tetuan. Etwas mehr multikulturell und touristisch. Trotz allem gibt es keine Tourist Info. Die Marokkanerin die ich danach frage erklärt das sei nicht nötig, denn ich könnte jeden auf der Strasse fragen und jeder könnte mir Auskunft geben. Sie heißt mich herzlich willkommen in Marokko und wünscht mir eine schöne Zeit. Gleichzeitig bittet sie mich keine Fotos von den Menschen zu machen. Das ist ihnen wirklich sehr ernst.

Ich laufe kreuz und quer durch Tangers Altstadt und natürlich wieder einem Guide in die Arme. Ich brauche und will eigentlich keinen, aber er begleitet mich einfach und plaudert vor sich hin erklärt dies und jenes und schließlich habe ich doch einen Guide. Er war es wert. Ich habe nicht nur viel von der Stadt gesehen sondern auch viele für mich wichtige Informationen erhalten.

Ich kaufe auf dem Markt Gemüse, als eine Frau neben mir steht und einzelne Päckchen Tempo-Taschentücher anbietet. Nein danke, brauch ich nicht. Aber sie hat Hunger und möchte Kartoffeln kaufen und zeigt auf einen Sack Kartoffeln am Gemüsestand vor mir. Ich denke mir viel kann das nicht kosten und kaufe ihr den Kartoffelsack. Das freut nicht nur die beschenkte Frau sehr sondern auch den Verkäufer, und weil ich ihr etwas schenke will er ihr auch etwas schenken und packt noch eine große Portion Zuckerschoten mir drauf. Die Frau bedankt sich viele male und geht glücklich mit ihren Lebensmitteln davon, Der Verkäufer erklärt weil ich etwas verschenkt habe will er mir auch etwas schenken und packt noch ein paar Fenchelknollen kostenlos zu meinem Gemüse dazu.

Bettler gibt es mehr als man beschenken kann. Geld gebe ich nicht, aber einem kleinen Jungen der mir ebenso deutet er habe Hunger und mich zu einem Brotstand geleitet kaufe ich doch ein Brot (kostet ja nur 10 Cent). Eines für ihn und eines für mich.

Die Nächte auf der Carina sind sehr unruhig, vor allem am späten Nachmittag und morgens zwischen 04:00 und 08:00 wenn die Fischer auslaufen und zurückkehren. Dann schaukelt die Carina gemeinsam mit den Lotsenbooten wie wild, es kracht und scheppert und es klingt als würden alle Leinen brechen und alle Fender platzen. Nicht so hart gesottene werden hier mit Sicherheit seekrank. Bin mal gespannt wie es Stefan gehen wird, der heute ankommt und 8 Tage mit mir die marokkanische Atlantikküste entlang segeln wird. Wahrscheinlich kriegt er erst einmal einen Kulturschock und der ganze Müll der hier im Wasser treibt wird ihn auch nicht begeistern.

Draußen höre ich gerade ein Auto hupen und schaue unbemerkt durch die Vorluke. Draußen sitzt der Polizeibeamte vom Einklarieren im Auto und führt einen kurzen Dialog mit Shahi auf der Fähre, ob alles in Ordnung sei und dass er auf mich und die Carina aufpassen soll. Ja, das mache er ohnehin schon die ganze Zeit. Der Beamte ist zufrieden und fährt wieder. Die beiden haben nicht bemerkt dass ich zugehört habe, aber für mich ist es ein gutes Gefühl, ich finde das unglaublich nett und sehr beruhigend.

So, nun mach ich mich auf den Weg um am Grand Socco den Wetterbericht im Cafe Riff einzuholen, euch diese Zeilen zu schicken und Stefan abzuholen.

Viele Grüße aus einem sehr anderen aber sehr gastfreundlichem Land sendet euch Erika

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