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Carina's Logbuch


Freundliches Marokko

Nur wenige Meilen von Europa entfernt und doch liegen Welten dazwischen. Größer kann man sich Gegensätze kaum vorstellen. Eine eigene Welt, die ganz anders ist als sie uns in Europa über die Medien vermittelt wird. Marokko.

Klang in meinem letzten Bericht noch viel Unsicherheit und Skepsis durch; so hat sich das Blatt nun komplett gewendet. Meine Erfahrungen in Marokko widersprechen allen Erwartungen und zwar im positiven Sinne. Nie habe ich mich unsicher oder gar als Frau minderwertig gefühlt. Die Vorstellungen die ich aus Europa mitgebracht hatte sind mir nun ein Rätsel. Woher solche Vorurteile nur kommen? Ich fühle mich hier sehr wohl und herzlich willkommen. Doch lest selbst welchem Respekt und Herzlichkeit ich in diesem Land erfahren darf auch wenn wir so dann und wann dem einen oder anderen liebenswerten Ganoven auf den Leim gegangen sind. Und natürlich gibt es auch hier wie in jedem Land der Erde zwielichtige Gestalten vor denen man sich besser in Acht nimmt. Aber das überall präsente Polizeiaufgebot gibt auch diesen Kerlen kaum eine Chance und uns ein großes Gefühl der Sicherheit. Auch wenn sich das alles nun sehr positiv anhört, leben möchte ich hier nicht. Denn es ist ja doch ein Unterschied ob man auf einem, wenn auch kleinen aber komfortablen, Schiff lebt und genügend Geld hat für den täglichen Bedarf, oder in so einer armseligen winzigen Behausung wohnen muss und nicht weiß ob man morgen auch wieder satt wird.

 

Neue Crew

Ich sitze auf einem Straßenbegrenzungspfosten vor der Einfahrt zum Fährhafen und mustere eingehend alle passierenden Taxis, denn mit einem davon sollte Stefan, meine Crew für die nächsten Tage, ankommen. Ich beobachte wie junge Kerle versuchen auf die einfahrenden Busse aufzuspringen um so unkontrolliert in den Fährhafen zu gelangen der schwer bewacht ist. Nur einem ist es gelungen, der aber sofort von der wachenden Polizei wieder hinausbefördert wird. Mir scheint dies eine Art Sport und Mutprobe der jungen Leute zu sein, denn eine wirkliche Chance hier unbemerkt hineinzukommen haben sie nicht.

Endlich hält ein Taxi aus dem Stefan aussteigt. Ich verhandle kurz mit dem Fahrer und dann steigen wir alle wieder ein und lassen uns in den Fischerhafen bringen wo die Carina liegt. Das spart uns einen langen Fußmarsch mit Stefans Gepäck. Ich hatte erwartet dass Stefan erst mal schockiert sein würde von unserem Liegeplatz und der Umgebung und bin froh dass er das statt dessen als spannend, abenteuerlich und ganz in Ordnung empfindet.

 

Die Schwimmer im Hafen – Grund zur Beunruhigung

Stefan ist schon so neugierig auf Marokko und so nutzen wir den Nachmittag zu seinem ersten Stadtbummel. Er ist regelrecht erschlagen von dem bunten Getümmel und der Vielfalt der angebotenen Waren und den neuen Eindrücken. Bis wir zur Carina zurückkommen ist es bereits dämmerig.

Auf der Mauer vor der Carina steht Shahi, macht ein besorgtes Gesicht und deutet auf die Fischerboote. Seht ihr die Schwimmer dort? Ja, ganz schön hart gesottene Kerle, bei den Wassertemperaturen, antworte ich und denke mir nichts schlechtes dabei. Shahi bleibt sehr ernst. Das sei ein echtes Problem meint er. Diese Kerle hätten keine Papiere und würden die Schiffe entern und so versuchen unbemerkt aus Marokko zu fliehen um in Spanien ein neues Leben zu beginnen. Solche Idioten, meint Shahi, sie denken nicht. Ihnen ist nicht bewusst dass sie in Spanien ohne Papiere und ohne Ausbildung keine Chance haben. Sie schwimmen auch in den Fährhafen verstecken sich unter den Katamaranfähren um dann wenn sie losführen als blinde Passagiere nach Spanien zu gelangen. Nun machen auch wir uns etwas Sorgen und bleiben an Bord. Wir sitzen lange im Cockpit und sehen wie die 3 Kerle auf die Fischerboote klettern und immer wieder sehen wir auf den Schiffen ihre Taschenlampen aufblitzen. Shahi beobachtet alles weiterhin und scheinbar hat er auch die Polizei verständigt, denn die ist nun im Hafen angelangt und inspiziert die Casablanca, den großen Rettungskreuzer, der neben uns liegt. Ob sie die Kerle gefasst haben, oder ob diese entflohen sind können wir nicht feststellen, aber auf alle Fälle ist nun wieder Ruhe im Hafen eingekehrt und wir begeben uns beruhigt ins Bett. Ich bin so froh Shahi als Freund und Wachmann zu haben. Wir nennen uns gegenseitig Monsieur Shahi und Madame Erika und haben eine freundschaftliche Bindung aufgebaut. Wir begrüßen uns jeden morgen und ich melde mich ab und an wenn ich die Carina verlasse. Er könnte mir auch Strom, Wasser und Diesel besorgen falls ich es brauche. Gut zu wissen – just in case. Wir plaudern täglich ein wenig und Shahi freut sich über eine Zigarette und ein Bier. Er hat nie etwas verlangt für seine Hilfsbereitschaft. Ich wollte ihm das einfach als Dank für seine Hilfe und Freundschaft schenken. Er gibt mir soviel Sicherheit und beschert mir eine relativ sorglose Zeit in Tanger. Vor allem aber ist er so ein liebenswerter und zuverlässiger Kerl. Ich werde ihn vermissen wenn ich Tanger verlasse.

 

Sind die neuen Nachbarn die Kanadische Bank?

Eigentlich hatten wir uns gerade fertig gemacht zum Landgang, da kommt der Lotse. Er müsse wieder mal weg. Also ablegen, Lotse raus lassen und wieder neu anlegen. Kaum sind wir an dem anderen „Lotsenboot außer Dienst“ wieder fest sehen wir im Hafenbecken hinter uns eine Segelyacht die auf uns zuhält und ebenfalls nach einem Liegeplatz sucht. Es ist eine 48 Fuß Island Packet, also ein riesiges, schweres Schiff im Vergleich zur kleinen 30 Fuß Carina. Per Zurufe verständigen wir uns mit den Neuankömmlingen. Sie wollen dass wir an ihnen außen längsseits gehen und sie an dem Lotsenboot festmachen da sie ja viel schwerer seien als wir. Ich habe wenig Lust schon wieder ab und anzulegen und so bitte ich sie solang an der Carina festzumachen bis das Lotsenboot zurückkäme. Dann müssten wir ja ohnehin wieder weg und könnten dann gerne die Plätze tauschen. Und so gehen sie nun an der Carina längsseits die neben dem Riesen wie ein kleines Beiboot wirkt. Die neuen Nachbarn sind Kanadier und ihr Schiff ist wunderschön und riesengroß. Sie stellen sich vor mit den Worten: „Wir sehen zwar aus wie die Kanadische Bank, aber wir sind es nicht“. Von nun an haben wir nette Gesellschaft neben an.

Als das Lotsenboot zurückkam waren wir nicht da. Wir waren grad auf Stadtbummel und so ging das Lotsenboot einfach am Rettungskreuzer längsseits. Von nun an hatten wir einen störungsfreien Platz und die große Island Packet blieb problemlos längsseits außen an der kleinen Carina bis zu dem Tag an dem wir gemeinsam Tanger verlassen.

 

Künstler – Hippie – Berber - oder einfach nur liebenswerter Ganove?

Wir bummeln durch die Souks und den Gemüsemarkt, durch die Fischhalle und durch die Gassen der Medina. Stefans Begeisterung kennt keine Grenzen und ich bin froh dass es ihm so gut gefällt. Denn auch mir gefällt es inzwischen in Tanger und ich hätte kein Problem hier noch ein paar Tage zu bleiben. Aber eigentlich haben wir uns vorgenommen morgen weiterzusegeln. Deshalb sitzen wir nun auf den Stufen vor dem Kino, dass das Cafe Riff mit freiem Wifi beherbergt, und checken den Wetterbericht und prüfen unseren E-Mail Eingang als ein Herr in Jeans mit Farbflecken darauf, einem roten T-Shirt, lila Schal und Kappi vor uns steht und uns in ein belangloses Gespräch verwickelt. Er ist ein total netter Kerl gibt sich als Künstler und Hippie aus und heißt Richard. Ein seltsamer Name für einen Berber wie er uns erklärt. Und dann schwärmt er von seinem Land wie alle Marokkaner und erzählt uns von den leckeren Gerichten die es hier zu essen gibt. Er erklärt uns wo wir nicht essen gehen sollen, nämlich an den kleinen Restaurants hier rund um den Grand Socco, und dass man am Besten im Mamunia isst. Wir wollten ohnehin heute essen gehen und hatten uns schon mit den kleinen Restaurants am Grand Socco angefreundet, aber jetzt wollen wir natürlich wissen wo das empfohlene Mamunia ist. Er wird es uns zeigen denn es läge auf dem Weg zu seinem Laden – er ist Maler wie man ja an seiner Hose sehen könne. Wir bummeln mit ihm durch die Gassen und er schwärmt weiter über die Gewürze und hat natürlich auch eine Empfehlung wo man Gewürze kaufen könne – nicht dort wo die Touristen einkaufen, sondern dort wo er auch einkauft. Ich hatte schon genügend Gewürzstände gesehen auf dem Markt, in denen Gewürzberge ein farbenfrohes Bild geben und die Einheimischen einkaufen. Aber da bringt er uns nicht hin, sondern in die Medina, in die Gassen der Souvenirverkäufer und wir landen in einem touristischen Gewürzladen in dem ein Verkäufer einen Probierstand hat und in perfektem Englisch alles erklärt. Selbstverständlich gibt es bereits fertig abgepackte Portionssäckchen zu kaufen. Genauso wie ich das bereits in Tetuan mit meinem Touristenführer erlebt hatte. Und ich lasse mich überreden und kaufe hier 2 Päckchen Gewürze, 1 Päckchen Tee und ein Stück Ambra. Was war nur in mich gefahren? Normalerweise kaufe ich nicht in Souvenirläden ein. Wir wandern weiter mit dem lustigen sympathischen Richard durch die Gassen und er erzählt uns dass er in der Kasbah wohne und wir ihn unbedingt mal besuchen müssen und seine Frau kennen lernen müssten. Das würde uns natürlich brennend interessieren wie es in einem marokkanischen Haushalt aussieht und wir hoffen dass er uns bald einen Termin nennen wird an dem wir willkommen sind. Dann stehen wir vor dem Mamunia Palace, dem empfohlenen Restaurant. Eine unscheinbare Tür führt in einen prächtig gefliesten Treppenaufgang, wirklich wie in einem Palace. Im ersten Stock erwarten uns herrliche Wandgemälde und 2 wunderschön urgemütlich eingerichtete Speisesäle in denen alle Tische stilvoll eingedeckt sind. Ein junger Mann in einer Dschellabah steht an einem Empfangstisch und nachdem Richard uns das Restaurant, mit dessen Erlaubnis gezeigt hatte, empfiehlt Richard dringend zu reservieren, denn es würde hier richtig voll werden. Wir sollten dem Herrn am Empfang 50 Dirham für die Reservierung geben. Wir sind so geblendet von diesem schönen Lokal in dem alles so urmarokkanisch scheint und so umgarnt von Richards Charme dass wir tatsächlich umgerechnet 5 € für die Reservierung bezahlen. Gemeinsam mit Richard verlassen wir das Restaurant mit einer Reservierung für ca 19:00. Wir verabschieden uns von Richard, der ein richtiger Freund zu sein scheint. Er will nichts für seine Bemühungen und lädt uns statt dessen wiederholt zu sich nach Hause zu einem Couscous Essen ein, aber er nennt weder Ort noch Zeit.

Wir machen uns in freudiger Erwartung auf das Abendessen in diesem schönen Lokal auf den Rückweg zur Carina, denn wir wollen noch heute ins Hafenbüro um die Formalitäten für die morgige Abreise zu regeln – doch darüber erzähle ich später. Mir schwant dass es ein teures Abendessen wird, aber es ist mir egal. Einmal will ich mir das gönnen in einem so schönen Lokal typisch marokkanisch zu speisen.

Als wir um 19:00 das Lokal betreten sind wir die einzigen Gäste. Seltsam. Stefan meint wir sind einfach sehr früh dran, und dass die Marokkaner erst sehr spät essen gehen. Vielleicht hat er ja recht. Der junge Mann der nachmittags eine Dschellabah trug, trägt nun einen Jogginganzug und überreicht uns eine Speisekarte in der es genau 2 Menus gibt. Das kleine Menü für 120 Dirham oder das große Menü für 160 Dirham. Beide bestehen aus Fastensuppe, Pastellaria, Couscous und einer Nachspeise. Hmm, die Preise mit 12 und 16 Euro hatte ich befürchtet und somit schockiert es mich nicht aber ich hatte mir etwas mehr Auswahl erwartet. Wir entscheiden uns beide für das kleine Menü das mehr als reichlich war.

Die Suppe wird serviert und während ich noch nicht mal die Suppe zur Hälfte gegessen habe kommt bereits der 2. Gang der bis ich ihn verzehren kann, kalt ist. Schade. Geschmeckt hat es trotzdem. Auf dem Weg zum Restaurant hatten wir noch gedacht, wir hätten eigentlich Richard einladen können mit uns im Mamunia zu speisen. Das wäre wohl überflüssig gewesen, denn wer erscheint gerade im immer noch leeren Lokal? Richard! Ach er sei grad zufällig auch hier, ob es uns was ausmachen würde wenn er sich zu uns setzt. Nein, natürlich nicht, aber gerne doch. Ich bin immer noch mit meiner Suppe beschäftigt da wird bereits eine große Schüssel Couscous aufgetragen und der Kellner fragt ob das für uns „3“ in Ordnung sei. Selbstverständlich ist Richard von uns eingeladen, aber etwas sonderbar erscheint es mir schon, dass der Kellner das fragt und die Portion schon im Voraus für „3 Personen“ bemessen war. Eine Stunde später ist das Lokal immer noch leer. Ein offensichtlicher Guide bringt ein chinesisches Paar ins Restaurant und verabschiedet sich. Das Paar strahlt genau wie wir als wir das Lokal betraten. Aber sie scheinen schlauer. Nachdem sie die Karte ausgiebig studiert hatten verlassen sie das Lokal ohne etwas zu verzehren. Sie waren die einzigen anderen Gäste die wir an diesem Abend in diesem „so gut besuchten“ Restaurant gesehen haben in dem man unbedingt „reservieren“ muss. Richard speist also mit uns und erklärt uns zum 10. Mal dass sein Haus auch unser Haus sei und dass wir unbedingt zum Essen kommen müssten. Ich warte immer noch darauf wann und wo und eine Ungereimtheit reiht sich an die andere. Wir haben nie erfahren wo sein Laden sei. Seltsam als Künstler würde er doch seine Gemälde zeigen und verkaufen wollen. Die Farbstreifen auf seiner Hose sind zu ordentlich angeordnet um von einer tatsächlichen Arbeitshose zu zeugen. Der Gewürzladen war nicht der wo Einheimische einkaufen und dass er zufällig im Lokal erscheint … alles sehr suspekt. Nun will er uns die Hercules Grotten und einen Kamelritt am Stand schmackhaft machen – ein Ort an dem man nur mit Taxi kommt. Und zum Cafe Hafa wo einst die Rolling Stones gekifft hatten dürften wir auf keinen Fall alleine gehen, dass sei zu gefährlich, da würde er uns dann hinbringen. Ha, da war ich bereits noch bevor Stefan in Tanger ankam.. Überhaupt nichts ist gefährlich dabei. Nun will ich es aber wissen und ihn auf die Probe stellen. Ich bedanke mich herzlich für die wiederholte Einladung zum Essen bei ihm zu Hause und frage wann und wo er uns denn dazu abholen würde. Wann immer wir wollten, mittags, nachmittags, abends. Also wieder keine konkrete Antwort. Ich werde ihn festnageln. Morgen abend würde uns gut passen. Nun kommt er mir nicht mehr aus. Ok, um 16:00 am Brunnen am Grand Socco sollten wir auf ihn warten, dann würden er uns die Kunstschule zeigen (ich weiß da gibt es noch jede Menge Souvenirs zu kaufen). Er legt Stefan nahe Kleider zu kaufen (er meint damit eine Dschellabah, diese Zipfelmützen-Kutten die die Männer hier als Mäntel tragen), denn wenn er das Land respektieren würde, würde auch das Land ihn respektieren. Wo er die denn anziehen sollte? Na in Deutschland, man würde sie ihm auch schicken. Aber er solle sie nur „im“ Haus anziehen, denn auf der Strasse würde man ihn damit auslachen. Wir amüsieren uns sehr mit oder über ihn. Ja und dann würde er uns ans Kap Spartel zur Hercules Grotte bringen und wir könnten Bilder machen mit Kamelen und wir würden einen schönen unvergesslichen Tag in Marokko haben. Den haben wir bereits heute mit ihm J. Wir vereinbaren also 16:00 am Brunnen und Richard entschuldigt sich, seine Frau würde schon warten, er müsse jetzt gehen. Wir gehen auch, nachdem wir 50 € für das Abendessen bezahlt hatten. Ein Horrorpreis für Marokko. Uns ist nun klar dass dieses Lokal eine absoluter Touristennepp war. Bereut haben wir es trotzdem nicht. Auf dem Nachhauseweg zweifeln wir sehr daran dass wir jemals Richards zu Hause sehen werden und beschließen am nächsten Tag nicht am Brunnen zum verabredeten Zeitpunkt zu erscheinen. Uns ist nun klar dass wir einem sehr raffinierten aber sehr liebenswerten Ganoven auf den Leim gegangen sind. Er scheint sein Geld damit zu verdienen dass er sich einladen lässt, und in den Läden und Restaurants in der er die Touristen bringt einen Anteil vom Gewinn bekommt. Der Trick mit der Essenseinladung erhält ihm natürlich seine Kundschaft für die gesamte Aufenthaltsdauer in Tanger. Wir sind nun um eine Erfahrung reicher, die wir trotz allem nicht missen wollten und an die wir uns sicher noch sehr lange mit Vergnügen erinnern werden.

 

Ausklarieren in Tanger – oder – die unendliche Geschichte

Stefan war nach Marokko gekommen um mit mir zu segeln und ich hatte auch schon eine Strecke für uns geplant - Tanger - Asilah - Larache - Kenitra - Rabat - Casablanca, also südwärts und alles in idealen Tagesetappen von 20 bis 30 Seemeilen zu erreichen. Was ich allerdings nicht planen konnte war das Wetter. Für die nächsten Tage war viel Wind aus Südwest und Regen vorhergesagt. Nun war ich in einem Zwiespalt. Eigentlich habe ich keine Lust im Regen gegen den Wind aufzukreuzen und loszusegeln, andererseits wäre es gefahrlos machbar, wenn auch äußerst ungemütlich. Und ich will Stefans Urlaub nicht verderben in dem ich ihn die Hälfte seines Urlaubs in Tanger festnagle, an einem Ort wo er nicht mal duschen kann, weil wir im stinkigen Fischerhafen zwischen Fähre und Lotsenboot liegen. Das andere Problem ist, dass die Häfen von Asilah, Larache und Kenitra nur bei sehr gemäßigten Wetterbedingungen angelaufen werden können und es bei diesem Wind sehr wahrscheinlich nicht möglich sein wird die Hafeneinfahrten zu passieren. Dann müssten wir bis Casablanca durchsegeln. Das sind 180 Seemeilen für die wir mindestens 2 Tage und eine Nacht brauchen würden – und das im Regen und viel Wind gegen an. Ich fürchte das wird Stefan, der noch keine Seebeine hat, nicht so ohne weiteres überstehen. Und dann wären wir bereits am Ziel angekommen und hätten die gesamte Strecke auf einmal unter miesen Bedingungen hinter uns gebracht und keine weiteren Ziele mehr vor uns, dann, wenn der Wetterbericht besseres Wetter verspricht.

Ich überlasse Stefan die Entscheidung. Im Regen segeln oder noch 3 Tage Tanger und auf besseres Wetter warten. Stefan würde gerne segeln.

Also machen wir uns auf den Weg zum Hafenmeister um heute schon die Liegegebühr zu bezahlen und auszuklarieren um morgen frühzeitig, also um 07:30 los segeln zu können. So könnten wir Asilah bei Hochwasser erreichen und mit etwas Glück ist der Hafen dann auch noch passierbar. Mit unseren kanadischen Nachbarn, die ja an der Carina festgemacht hatten, war das schon abgesprochen. Sie würden dann auch gleich morgen früh weitersegeln, nach Gibraltar.

Ihr werdet Euch jetzt vielleicht etwas wundern dass ich ausklarieren gehe wo doch unser nächstes Ziel auch in Marokko liegt. In Marokko muss man in jedem Hafen ein und ausklarieren auch wenn man das Land gar nicht verlässt. Das bedeutet man muss für jeden Hafen genug Zeit einplanen, denn diese Prozedur kann sich unter Umständen etwas hinziehen.

Als wir im Büro des Hafenmeisters stehen ist es bereits nach 18:00. Er erkennt mich sofort wieder und ist freundlich und zuvorkommend wie beim letzten Mal auch. Aber die Hafengebühren könnten wir heute leider nicht mehr bezahlen, dafür sind wir zu spät dran. Die zuständigen Personen sind nicht mehr im Haus, wir sollen morgen früh ab 09:00 Uhr wieder kommen. Abgesehen davon sei das Wetter schlecht und das Meer rau und wer nicht unbedingt raus muss sollte besser in Tanger bleiben. Stefan fragt ihn nach einem Wetterbericht, den er uns auch prompt vorlegt. Ja, das sind die selben Infos die wir auch selbst über das Internet rausgefunden hatten. Hmmm, wir sind unschlüssig. Der Hafenmeister ist also meiner Meinung, dass es besser wäre hier zu bleiben und Asilah eh nicht machbar wäre.

Ich frage den Hafenmeister wie hoch denn die Liegegebühr wäre und er sagt es wird nach Tonnage berechnet – bis 10 Tonnen kostet es 15 € pro Tag, von 10 bis 20 Tonnen kostet es 25 Euro und so weiter. Aber bezahlen könnten wir erst morgen. Wir sollten nun zur Polizei gehen und dort unsere Ausweise stempeln lassen, die Schiffspapiere holen und dann brauchen wir morgen früh nur noch schnell bei ihm zahlen und könnten dann gleich los. Allerdings sei morgen nicht er, sondern sein Kollege im Dienst.

 

Es hilft also nichts. Wir marschieren rüber ins Polizeibüro. Der Beamte vom Dienst ist heute nicht mehr da. Aber die Polizisten an der Pforte deuten uns zu warten, sie würden ihn rufen.

Wir sitzen auf der Treppe vor dem Polizeigebäude als ein Beamter von der anderen Straßenseite auf uns zu kommt und uns mit den Worten begrüßt. „Ich arbeite doch nicht 24 Stunden!“ Oh je, der ist grantig. Das wird wohl nichts mit dem Ausklarieren. Dann wird er aber sehr freundlich und fordert uns auf mitzukommen. Da sitzen wir nun in seinem Büro und er füllt die Formulare zum Ausklarieren aus. Dann schaut er noch nach ob unsere Schiffpapiere auch da sind. Ja, da sind sie. Wir freuen uns schon, dass dies nun doch so schnell geklappt hat, aber das war zu früh gefreut. Nein, den Stempel in den Ausweis könne er nicht machen. Der hätte ja dann ein falsches Datum. Das ginge erst morgen. Er habe ja jetzt schon alles vorbereitet so dass es dann morgen ganz schnell geht. Also morgen früh um 09:00. Und dann gibt er uns noch 4 Formulare für unsere kanadischen Nachbarn mit, damit sie auch schon alles ausfüllen und vorbereiten könnten damit es bei ihnen auch schnell geht. Wir bedanken uns und verabschieden uns mit einem „bis morgen um 09:00“

Das war ja alles sehr nett und hilfsbereit und im Rahmen seiner Möglichkeiten, aber es hilft uns nicht wirklich. So kommen wir morgen nicht vor 10:00 aus Tanger weg. Um Asilah noch bei Hochwasser zu erreichen müssten wir die ganze Strecke motoren, denn um unter Segeln gegen den Wind zu kreuzen reicht die verbleibende Zeit nicht mehr.

Auf dem Rückweg zur Carina kommen wir gemeinsam zu dem Entschluss dass es unvernünftig wäre die Erfahrung und den Rat eines Hafenmeisters einfach in den Wind zu schlagen, dass wir unser Tagesziel wohl nicht erreichen könnten und dass es wohl besser wäre zu warten. Stefan meint er hätte eigentlich kein Problem noch ein paar Tage in Tanger zu bleiben, denn es gäbe ja noch so viel zu sehen. Die endgültige Entscheidung wollten wir jedoch morgen früh treffen.

Am nächsten Morgen (Dienstag) regnet es in Strömen und wir liegen um 10:00 immer noch faul in unseren Kojen ohne darüber diskutiert zu haben ob wir nun lossegeln oder nicht. Der aufs Deck trommelnde Regen hatte für uns entschieden. Auch unsere Nachbarn haben sich gegen ein Weitersegeln entschieden und so warten nun 2 Beamte vergebens auf 6 Segler die es doch so eilig hatten hier wegzukommen. Sie werden auch morgen früh wieder vergebens warten, denn wir haben endlich die Vernunft walten lassen und unseren Abreisetag auf den Donnerstag festgelegt, auf den Tag an dem nach Wettervorhersage der Wind mit optimaler Stärke aus der optimalen Richtung wehen wird, die Sonne wieder scheinen soll und der Seegang ein Anlaufen von Asilah ermöglicht. Auch unsere Nachbarn hatten sich ohne von unseren Plänen zu wissen für die Donnerstagsvariante entschieden.

 

Wir vertrödeln den verregneten Vormittag an Bord und machen Pläne für den Mittwoch. Wir werden ihn für einen Inland-Ausflug nutzen und mit dem Bus nach Tetuan fahren. Wir wollen früh morgens los und werden vorrausichtlich erst spät abends zurück kommen. Da wird das Hafenbüro bereits wieder geschlossen haben.

 

Deshalb sind wir jetzt unterwegs ins Hafenbüro um unsere Liegegebühren zu bezahlen. Heute ist der andere Kollege anwesend der uns und unser Vorhaben noch nicht kennt. Wir sollen am Abreisetag zum Bezahlen kommen meint er. Ab 09:00 Uhr. Es braucht einige Erklärungen und viele weitere Kollegen bis er sich endlich bereit erklärt bereits heute kassieren zu lassen. Wie lang das Schiff sei, fragt er. Warum? Weil der Preis nach Schiffsänge berechnet wird. Wie? Der Kollege sagte nach Tonnage. Nein, es geht nach Länge und er errechnet den Preis. 13,50 € pro Tag. Wir diskutieren nicht mehr. Damit kommen wir ja günstiger weg und heimlich muss ich grinsen, denn es amüsiert mich wie man hier arbeitet. Jeder Beamte macht es anders, so wie er meint. Es scheint keine allgemeine Regel zu geben.

Die Sekretärin wird aus dem Nebenzimmer gerufen um das Kassieren abzuwickeln. Ich bitte um eine Quittung, damit ich den Beamten die uns die Schiffspapiere zurückgeben müssen zeigen kann, dass wir bereits bezahlt haben. Och, das ist erst ein Aufwand. Eine Quittung? So was könnten sie nicht ausstellen. Wir werden in ein weiteres Büro geschickt zum Chef du Departement. Wieder erklären wir unsere Situation dass wir übermorgen sehr früh lossegeln müssen um Asilah rechtzeitig zu erreichen und morgen nicht in Tanger sein werden und deshalb alles schon heute regeln müssten. Damit wir bei der Polizei ausklarieren dürfen brauchen wir den Nachweis dass wir bereits bezahlt haben. Das sieht er ein. Er setzt sich hin und setzt ein handschriftliches Schreiben auf in dem er die Anweisung gibt uns auszuklarieren und dass er persönlich überprüft habe, dass alles weitere erledigt sei. Damit schickt er uns nun zur Polizei. Wir erklären ihm dass die uns erst am Abreisetag ausklarieren würden, aber er besteht darauf dass wir jetzt rüber gehen, gibt mir seine Visitenkarte und meint wenn es Probleme gäbe sollten wir ihn anrufen. Wir plaudern noch ein wenig über Segeln, über Tanger, Asilah und Dhakla und werden ganz herzlich mit den Besten Wünschen für die weitere Reise von ihm verabschiedet.

Im Polizeibüro ist der Beamte wieder nicht anwesend. Wo der nur immer steckt? Die Herren an der Pforte werden ihn rufen, wir sollten warten. Und wieder kommt ein Beamter von der anderen Straßenseite. Was die dort machen? Da ist doch nur die Medina und all die Cafes.

Es ist der Beamte der mich einklariert hatte. Diesmal ist er nicht so freundlich wie damals als ich alleine war und heute spricht er auch nicht deutsch. Was wir wollen? Ausklarieren! Ob wir heute abreisen? Nein übermorgen! Dann sollen wir übermorgen kommen, um 09:00. Und wieder beginnt die Geschichte mit all den Erklärungen warum weshalb und wieso es heute sein muss. Nein, heut nicht, übermorgen. Ich überreiche ihm das Schreiben, das er lang mit ernstem Gesicht studiert und mir dann zurückgibt. Wir diskutieren noch ein wenig merken aber bald dass wir keine Chance haben und nehmen dankbar sein Entgegenkommen an, dass wir bereits um 08:00 kommen dürften. Dann müssten wir doch kurz nach 08:00 loskönnen und unser Ziel rechtzeitig erreichen.

Wir erstatten unseren kanadischen Nachbarn Bericht. Sie werden auch bereits am Vortag ihre Gebühren bezahlen gehen und wir beschließen am Donnerstag früh um 07:50 gemeinsam zum Polizeibüro aufzubrechen.

Als wir um 16:00 Uhr Richtung Bahnhof marschieren um die Busverbindung nach Tetuan zu erfragen fällt uns ein dass am Grand Socco am Brunnen ein Richard vergebens nach uns Ausschau hält und irgendwie sind wir ein bisschen schadenfroh. Aber wir sind uns ganz sicher dass er schnell Ersatz für uns gefunden hat. Und wir haben viel zu lachen als wir den gestrigen Tag mit Richard Revue passieren lassen. Als wir auf dem Rückweg gegen 20:00 am Mamunia Restaurant vorbeikommen sehen wir dass auch heute wieder nur 2 Gäste im Restaurant sitzen und zwar genau auf dem von Richard empfohlenen Platz auf dem auch wir gestern saßen. Ob Richard auch dabei war, konnten wir nicht sehen, aber gewundert hätte es uns nicht.

Den Ausflug nach Tetuan starten wir blitzsauber, denn wir waren gerade beim Duschen! Ja, ihr habt richtig gelesen „Duschen“. Wir haben in Tanger am Eingang in die Medina ein öffentliches Duschhaus entdeckt, das wir heute früh aufgesucht haben. Man bekommt dort Handtücher, Schampoo und eine herrlich warme saubere Dusche für 2 €uro. Sie ist gut besucht von Marokkanern und gut gewartet. Ein Einweiser weist uns eine frisch geputzte Dusche zu und nimmt uns anschließend die gebrauchten Handtücher wieder ab. Schade dass wir uns erst so spät entschlossen haben dieses Angebot zu nutzen.

 

Alles hat ein Ende, auch das Ausklarieren – unterwegs nach Asilah

Es ist Donnertag früh um 07:50 und gemeinsam mit unserem kanadischen Nachbarn sind wir unterwegs um im Polizeibüro auszuklarieren. Noch zweifeln wir daran dass unser Beamter tatsächlich um 08:00 da sein wird. Aber er hatte es uns doch versprochen!

An der Pforte werden wir gleich erst mal abgewiesen. Sie öffnen erst um 09:00. Ja, aber wir müssen ausklarieren. – Um 09:00! – sie bleiben eisern. Ich erkläre wir hätten einen Termin aber ich weiß nicht mal den Namen des Beamten. Sie scheinen ungerührt. Ich versuche mein Glück weiter und rede auf die Polizisten ein die uns wieder wegschicken wollen. Ein weiterer Polizist kommt aus einem Hinterzimmer. CARINA? Ja, das sind wir. Moment – wir sollen warten. Und wieder sitzen wir auf dem Treppchen und warten. Wenige Minuten später steht unser Beamter vor uns. Es ist inzwischen 08:30 aber er hat Wort gehalten und im Cafe gegenüber gewartet bis er gerufen wurde. Es dauert noch weitere 10 Minuten und dann ist sowohl die CARINA-Crew wie auch die kanadische Crew ausklariert. Um Punkt 09:00 haben die Island Packet und die Carina die Segel gesetzt und sind auf ihrem Weg.

Die Sonne scheint und es bläst ordentlich. So viel Wind war für heute gar nicht vorhergesagt. Naja so können wir wenigstens segeln. Bis zum Kap Spartel ist das Meer recht rau und die starken Strömungen in die Strasse von Gibraltar hinein verursachen Wirbel und kurze Wellen. Stefan macht seine Sache gut. Er hat alles unter Kontrolle und ich überlasse ihm gerne das Steuer denn ich weiß unsere nächste Etappe wird eine Übernachtetappe werden. Da werde ich froh sein wenn er sich auf dieser Etappe bereits mit dem Schiff vertraut gemacht hat. Nach dem wir das Kap gerundet haben ist der Wind schwächer geworden, das Meer ruhiger und wir haben ideale Segelbedingungen. Aus den kurzen steilen Wellen ist ein angenehmer langer Schwell geworden und die Sonne wärmt uns. Wir machen gut Fahrt und wenn alles so bleibt werden wir kurz vor Hochwasserstand die Einfahrt nach Asilah erreichen. Wenn Meer und Wind so bleiben sollte die Einfahrt passierbar sein.

Stefan hat ein wenig zu kämpfen mit dem für ihn ungewohnten Schwell und legt sich ein wenig hin. Die Küstenlinie ist unspektakulär flach. Der Schwell nimmt im Laufe des Nachmittags unaufhörlich zu und ich mache mir allmählich Sorgen dass wir Asilah nicht ansteuern können. Stefan ist gar nicht begeistert von dem Gedanken noch einen weiteren Tag und 1 1/2 Nächte auf dem Meer verbringen zu müssen und möchte so gerne endlich in Asilah ankommen. Die Hafeneinfahrt ist verdammt schmal und es gibt keine verlässlichen Tiefenangaben da wandernde Sandbänke vor der Einfahrt liegen. Die letzten 500 m vor der Einfahrt haben Tiefen zwischen 5 und 3 m, was bei entsprechendem Schwell gefährliche Brecher verursacht. Rechts und links der Einfahrt betragen die Tiefen laut Karte gerade mal 0,5 m. Die Wellen brechen sich beindruckend an der Hafenmauer beidseits der Einfahrt. Ich würde am liebsten einfach dran vorbeisegeln. Andererseits interessiert mich Asilah sehr und Stefan geht es nicht mehr so gut. Ich werde mal näher ranfahren und mir das ansehen. Ich weiß aber auch wenn ich zu nah bin gibt es kein zurück mehr. In der Einfahrt in einem Brecher könnte ich nicht mehr abdrehen falls es zu flach wird. Ich schwitze und hoffe die Tiefe wird ausreichen. Ich weiß auch dass direkt nach der Einfahrt eine Sandbank liegt, aber wo genau kann niemand sagen. Da sehe ich ein Fischerboot in der Einfahrt warten. Will es uns warnen nicht hineinzufahren? Oder will es uns den Weg weisen? Ich nähere mich vorsichtig und das Fischerboot macht mir Platz bleibt aber rechts der Einfahrt stehen um mir das Ende der Sandbank anzuzeigen. Danke, danke, die Wellen tragen mich durch die Einfahrt und direkt hinter dem Fischer schlagen wir einen scharfen Haken nach rechts um nicht auf die Untiefe weiter drin im Hafenbecken gespült zu werden. Uff, drin, geschafft. War das aufregend.

Hier ist alles ruhig aber es gibt keine Anlegemöglichkeit. Einige Fischerboote hängen an Bojen die mit Plastikflaschen gekennzeichnet sind, andere ankern. Das könnten wir auch tun. Die Tiefe unterm Kiel beträgt ca 3 m. Jetzt ist Springhochwasser und der Tidenhub beträgt heute 2, 50. Das würde gerade noch reichen. An der Hafenmauer liegen Riffboote im Päckchen. Das sind mittelgroße Motorboote, ca 12 m lang. Ich beschließe an Ihnen längsseits festzumachen und steuere auf sie zu. Da kommt auch schon ein Helfer über die Boote geklettert nimmt unsere Leinen an und macht sie fest. Ob wir hier liegen bleiben könnten für eine Nacht? Ja, kein Problem, aber wir müssten uns dort oben bei der Hafenpolizei melden. Na klar machen wir. Wir brauchen noch eine Landfeste, meint unser Helfer. Puuhh, die muss aber lang sein, wir liegen als 10. Boot ganz außen im Päckchen. Ich hole meine beiden 40 m Leinen aus der Backskiste die wir zu einer Langen zusammenknoten. Damit klettert nun unser Helfer über all die Boote um sie dann an der Mauer zu befestigen. Ich schenke ihm für seine Hilfe eine Schachtel Zigaretten die er dankend einsteckt. Ob er denn kein Geld bekäme? Er hätte eine Familie zu ernähren! Das finde ich nun doch etwas unverfroren. Aber ich bin so froh dass wir hier heil reingekommen sind und hier an den Booten fest machen dürfen dass ich ihm auch noch ein Trinkgeld gebe.

Wir sind noch mit dem Schiff beschäftigt als ein Rib mit 2 Polizisten an der Carina längsseits geht. Hafenpolizei. Ich bitte den Polizisten an Bord. Er macht es sich im Salon bequem und will die Ausweise und Schiffspapiere sehen. Ob ich keine Kopien hätte? Doch habe ich in weiser Voraussicht schon vorbereitet. Er nimmt die Kopien, die Ausweise und die Schiffspapiere an sich und erklärt wenn wir weiter wollen, sollen wir die bei ihm im Büro wieder abholen. Das Büro befindet sich nur ein paar Meter von uns entfernt an der Hafenmauer und sie sind 24 Stunden anwesend. Falls die Tür zu ist sollen wir einfach klopfen und wir können hier bleiben so lange wir wollen, denn das Meer sei ja zur Zeit ganz schön rau. Uupps, das waren wohl doch keine ruhigen Bedingungen für die Einfahrt – bin mal gespannt ob wir hier morgen wie geplant wieder rauskommen oder erst mal in der Falle sitzen.

 

Asilah

Wir haben es also geschafft nach Asilah hinein zu segeln und liegen nun in einem winzigen aber sauberen Fischerhafen. Die ein- und auslaufenden Fischer in ihren winzigen bunten Holzbooten winken uns freundlich zu. Um an Land zu kommen müssen wir über 9 andere Boote klettern und dann die lange Leiter an der hohen Hafenmauer hinaufklettern. Am Ende des kleinen Hafens leuchten die Häuser und die Mauern der Medina in der Abendsonne. Wir klettern auf den Wellenbrecher und betrachten die Brandung während die Sonne rotgold im Meer versinkt und sind zufrieden mit dem Ende dieses Tages. Direkt an der Hafenmauer vor der Carina liegt ein uriges Fischerlokal und der Kellner lädt uns ein zu Fisch, Tajine, Kebab, Couscous. Das klingt alles köstlich aber erst wollen wir noch ein wenig durch die Medina bummeln. Schade, dann hätte er schon zu. Ich frage nach seinen Öffnungszeiten und wir beschließen morgen Mittag vor unserer Weiterfahrt hier noch zu essen.

In der Medina gehen bereits die Lichter an und wir sind angenehm überrascht. Hier ist es mal nicht eng und duster wie in Tanger und die Souvenirhändler lassen uns einfach in Ruhe. Niemand will uns eine Führung anbieten und Bettler sieht man keine. Dafür haben die Häuser kunstvolle Wandmalereien. Wir wollen uns das morgen bei Tag alles noch mal genau ansehen, denn wir können ohnehin erst am Spätnachmittag mit dem Hochwasser hier wieder weg. Jetzt merken wir auch ganz plötzlich wie anstrengend der Tag war und eine bleierne Müdigkeit befällt uns. Wir sind nicht mal mehr fähig in einem der zahlreichen hübschen Lokale zu Abend zu Essen und so holen wir uns nur noch eine Pizza die wir an Bord verspeisen bevor wir müde in die Kojen fallen.

Als ich morgens meinen Blick über den Hafen schweifen lasse sehe ich auf der anderen Seite des Hafens Kamele weiden – nein, es sind Dromedare. Egal, da will ich hin und sie mir aus der Nähe betrachten. Anschließend wandern wir durch die wunderschöne Medina von Asilah die so ganz anders ist als die von Tanger. Asilah gilt als Stadt der Künstler und ist ein beliebter Touristenort bei den Marokkanern. Aber jetzt ist keine Saison und nur wenige Touristen sind in den Gassen unterwegs um die kunstvollen Wandbilder zu bewundern.

Heute ist Freitag. Das ist der Gebetstag im Islam. Viele Geschäfte bleiben geschlossen und alle Moscheen sind heute übervoll. In Asilah sitzen die Männer auf dem Platz und in den Strassen rund um die Moschee dicht an dicht auf der Erde, weil sie drinnen keinen Platz mehr gefunden haben. Sie lassen sich bei Ihren Gebeten nicht von den Passanten stören die sich an ihnen vorbeidrängen. Ein eigenartiges Bild für uns.

Es ist inzwischen früher Nachmittag und wir sitzen an der Hafenmauer mit Blick auf die Carina in einem der nettesten und einfachsten Lokale die man sich nur vorstellen kann. Vor uns steht ein großer köstlicher Salatteller, Stefan isst eine Tajine (marokkanischer Eintopf) und ich eine gemischte Fischplatte mit 4 großen Fischen frisch aus dem Meer und 6 Garnelen. Wir trinken Wasser und Pfefferminztee und genießen das Leben. Bezahlt haben wir 20 € für alles. Es war super und so viel dass wir es gar nicht aufessen konnten. Die vielen Katzen rundherum werden sich freuen.

Jetzt müssen wir uns aber fertig machen, denn in einer Stunde ist Hochwasser und dann geht’s weiter nach Rabat. Vorher werfen wir aber noch einen Blick auf die nur 30 m breite Hafeneinfahrt. Das Meer sieht nicht schlimmer aus als gestern.

Ich hole noch unsere Papiere bei der Polizei nebenan und der nette Beamte meint es sei aber wieder rau da draußen. Er verunsichert mich. Ob die Hafeneinfahrt überhaupt passierbar sei? Ja, aber rau, gut in der Mitte bleiben, rät er und wünscht uns viel Glück.

 

120 Seemeilen nach Rabat

Freitag Nachmittag um 16:00 lösen wir uns aus dem Päckchen und steuern auf die Hafenausfahrt zu. Es ist Höchstwasserstand und die Tiefe dürfte uns keine Probleme bereiten, die Wellen hoffentlich auch nicht. Wenn uns eine starke Welle zu weit nach rechts versetzt sitzen wir auf der Untiefe und werden von den Brechern bald zerschmettert. So weit kommt es zum Glück nicht aber meine Nerven sind aufs Äußerste angespannt. Erst als wir die 10 m Linie überquert haben und aus dem Bereich der kurzen steilen Wellen draußen sind setzen wir die Segel und nehmen Kurs auf Rabat. Eine angenehme Brise bringt uns mit 5 Knoten voran und die Sonne scheint. Wir müssen gut Ausschau halten, denn viele Fischer sind hier unterwegs und die Thunfischfangsaison hat bereits begonnen. Wir müssen also auch mit diesen gefährlichen Netzen rechnen. Leider sind sie in Marokko nicht so verlässlich und eindeutig gekennzeichnet wie in Europa.

Stefan ist am Steuer und guter Dinge. Die Sonne steht schon tief und wird bald im Meer versinken und ich beschließe mich ein wenig hinzulegen denn die Nacht wird noch lang. Da es Stefans erste Nachtfahrt wird gibt es noch einiges zu besprechen und zu erklären und währenddessen schläft der Wind komplett ein. Wir packen das Vorsegel weg und starten den Motor. Inzwischen ist es dunkel geworden. An der Küste sind bereits die Lichter von Larache zu sehen. Diese Hafeneinfahrt ist aber heute nicht passierbar. Vor uns auf dem Meer blinkt ein weißes Licht. Ich glaube es ist ein Schiff dessen Licht immer wieder in den Wellen verschwindet und wieder auftaucht so dass es wie ein Blinklicht erscheint. Eine Tonne oder ein Leuchtfeuer kann es jedenfalls nicht sein. Ich will noch bei Stefan bleiben bis wir das Schiff passiert haben. Jetzt blinkt es grell gelb. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Was ist das? Wir weichen in Richtung Küste etwas aus. Das gelbe Blinklicht wird schneller und intensiver. Zusätzlich ist das weiße Blinklicht jetzt auch sehr hell geworden. Das hat nichts mehr mit Seegang zu tun. Mir scheint das Licht will uns vor etwas warnen. Aber wovor? Ich kehre um und das gelbe Licht erlischt. Das ist aber keine Lösung. Wir wollen nicht zurück sondern weiter südwärts und gehen wieder auf unseren ursprünglichen Kurs zurück. Das gelbe Licht flackert wieder und scheint näher als je zuvor. Ich bin total verunsichert, weiß es nicht zu deuten, und weiß nicht wohin ich ausweichen soll. Die Seekarten geben auch keine Hinweise. Ich gebe Vollgas, steure aufs offene Meer hinaus mit Kurs Nordwest, einfach nur weg von diesem unheimlichen Licht, obwohl wir eigentlich einen Kurs von 190 ° steuern wollten. Nach 10 Minuten auf dem Nordwestkurs scheint sich das gelbe Licht zu entfernen und einige Minuten später erlischt es. Wir machen einen Riesenbogen um das jetzt nur noch weiße Licht und haben eine ganze Stunde mit diesem Spektakel verloren. Das unheimliche Licht liegt nun hinter uns. Ich überlasse Stefan die Schiffsführung und schlüpfe in meine Koje. Wenn etwas außergewöhnliches wäre, der Wind zurückkäme oder er müde würde solle er mich wecken.

Nach 2 Stunden in denen ich gut geruht hatte ruft mich Stefan. Er wäre jetzt müde, würde jetzt gerne Wachwechsel machen und vor uns wäre ein rotes Licht dass sich nicht bewegt. Es sei noch weit entfernt. Also kein Grund zur Eile und ich richte mich in aller Ruhe zu meiner Nachtwache. Jetzt ist das rote Licht sehr nah, ich habe wohl die Entfernung falsch eingeschätzt, höre ich jetzt Stefan sagen. Jetzt habe ich es doch eilig. Es handelt sich um einen Treibnetzfischer dem wir jetzt wirklich zu nahe gekommen waren. Schnell einen großen Haken schlagen und seitwärts weg von ihm. Ich übernehme die Wache und trotz Motorengebrumme (der Wind lies sich die ganze Nacht nicht mehr blicken) schläft Stefan hervorragend auf der Backbordbank mit vorgespanntem Leesegel. Die weitere nächtliche Fahrt verläuft unspektakulär. Der Vollmond verbreitet ein mildes Licht und die kleinen Fischerboote die teilweise unbeleuchtet unterwegs sind kann man im Mondlicht rechtzeitig sehen. Nach 5 ½ Stunden am Steuer bin ich dann doch sehr müde und Stefan, der inzwischen gut ausgeschlafen ist übernimmt wieder. Ich weiß er wird mich wecken wenn es nötig wird und das lässt mich ruhig schlafen, sehr lange, denn Stefan bleibt tapfer und weckt mich diesmal nicht auf. Erst um 08:00 krieche ich ausgeschlafen aus der Koje, bereit für den neuen Tag. Stefan schläft ein und der Wind wacht wieder auf. Mit Halbwind und den durchschnittlich 4 Knoten, mit denen ich meine Touren plane, segeln wir bei blauem Himmel und Sonnenschein parallel zur Küste auf Rabat zu. Wir müssen Rabat um spätestens 16:00 erreicht haben. Man kann diese Hafeneinfahrt nur im letzten Drittel vor Hochwasser und nur bis zu einer Wellenhöhe von 2 m passieren, heißt es im Handbuch – und man soll unbedingt bevor man hineinfährt die Marina rufen und nach den Bedingungen fragen. Die wegen dem gelben Licht verlorene Stunde haben wir unter Motor wieder gut gemacht und jetzt sogar ein wenig Vorsprung so dass wir auch mit wenig Wind noch gemütlich segeln können um unser Ziel rechtzeitig zu erreichen.

Der Tag bleibt sonnig aber Stefan hängt ziemlich armselig in den Seilen. So tapfer er nachts alleine seine Wachen durchgehalten hat, jetzt geht es ihm nicht mehr sehr gut. Zum Glück nimmt er meinen Rat an und legt sich immer wieder mal hin so dass er diesen Tag so recht und schlecht übersteht. Der Schwell nimmt wie vorhergesagt gegen Abend zu. Nur noch 10 Seemeilen bis Rabat. Am Funk höre ich das Segelschiff Pelagic die Marina in Rabat auf Kanal 16 rufen. Es erhält keine Antwort. Nach dem 8. erfolglosen Versuch schalte ich mich ein, rufe Pelagic, um ihm zu sagen dass er die Marina auf Kanal 10 rufen muss. Einige Zeit ist nun Ruhe, dann geht es wieder von vorne los. Pelagic ruft wieder auf Kanal 16 die Marina in Rabat, den Hafen, den Lotsen. Viele Male, es klingt schon recht verzweifelt und er erhält keine Antwort. Wieder rufe ich Pelagic und diesmal unterhalten wir uns auf Kanal 67. Er hätte auf Kanal 10 jemand erreicht und sei nun total verunsichert. Die hätten gesagt die Hafeneinfahrt sei für eine Woche gesperrt was er fast nicht glauben kann, denn er stünde direkt davor und die Bedingungen sähen gar nicht so schlecht aus. Mhhh, was nun? Weiter segeln? Noch mal 30 Seemeilen nach Mohammedia und nachts dort ankommen? In Stefans müden Gesicht sehe ich einen Anflug von Verzweiflung und Enttäuschung. Wir beratschlagen und ich kann mir nur vorstellen dass Pelagic zu früh dran ist und der Wasserstand noch nicht ausreichend war, und dass sich die Sperrung auf die Zukunft bezieht, da der Schwell weiter zunehmen wird. Wir einigen uns darauf dass es Pelagic noch mal auf Ch 10 versuchen soll. Wenige Minuten später ruft uns Pelagic mit erleichterter Stimme. Das Lotsenboot würde nun rauskommen und ihn in den Hafen leiten. Wir werden in 2 Stunden folgen und uns dann in der Marina in Rabat sehen.

 

Ankunft in Rabat

Unzählige schlecht gekennzeichnete Fischernetze liegen zwischen uns und der Küste und ich weiß nicht so recht wie ich da durch kommen soll, denn die Hafeneinfahrt ist bereits in Sicht. Hier scheint gerade wieder in Netz zu enden und ich passiere dahinter. Es geht alles gut. Dann beschließen wir die Segel einzuholen und uns für die Ansteuerung des Hafens vorzubereiten. Der Schwell ist höher geworden und je mehr die Tiefe abnimmt um so unangenehmer werden die Wellen. Der Motor läuft jetzt wieder und der Kurs auf die Zufahrt liegt an, aber irgendwie kommen wir nicht voran. Ich gebe mehr Gas, aber es hilft nichts. Nicht mal 3 Knoten schaffen wir. Aus dem Auspuff kommt schwarzer Russ. Also wieder weniger Gas, wieder mehr Gas. Irgendetwas stimmt nicht mit dem Motor, aber was? Nicht jetzt, bitte!! So können wir die Hafeneinfahrt nicht passieren. Wenn der Motor dort ausfällt sind wir geliefert. Wahrscheinlich ist auch die aktuelle Leistung nicht ausreichend um hier heil durchzukommen. Doch weitersegeln nach Mohammedia? oder reinschleppen lassen? Ich stoppe auf um nachzudenken. Ein Fischerboot kommt uns in die Quere, ich fahre ein wenig rückwärts um es passieren zu lassen und dann wieder vorwärts. Huch, was kommt denn da unter dem Heck zum Vorschein? Große Fetzen Pappkartoon, leere Zementsäcke, all dieser Müll hatte sich unter dem Schiff angesammelt und die Schraube behindert. Jetzt wo der ganze Müll achteraus treibt bringt der Motor auch wieder volle Leistung und ich steuere auf die 10 m Line zu um von dort die Marina Bouregreg auf Ch 10 zu rufen und um den kostenlosen Lotsen zu bitten der uns in den Hafen geleiten soll.

Wir bekommen umgehend Antwort und werden aufgefordert auf dem offenen Meer zu warten. Der Schwell ist schon beachtlich. Wenn der Wetterbericht recht hat, sollten wir jetzt ca 1,80 m haben. Das Lotsenboot taucht auf und fordert uns über Funk auf ihm zu folgen. Ich überlasse Stefan das Steuer mit der Anweisung dem Lotsen ganz exakt zu folgen. Stefan macht das sehr gewissenhaft und hat die Carina gut unter Kontrolle obwohl die Wellen in der Zufahrt so hoch werden dass wir das Lotsenboot gar nicht mehr sehen können wenn es im Wellental verschwindet. Welle rauf, Welle runter so geht das nun dahin. Den äußeren Wellenbrecher haben wir hinter uns. Das war gruslig, rechts und links von uns meterhohe Fontänen von den Wellen die sich an den Molenköpfen brechen und wir werden einfach von den Wellen hineingetragen. In den Karten sah das alles ganz einfach und klar und deutlich aus. Die Wirklichkeit war ganz anders. Die inneren Wellenbrecher sind so niedrig dass sie beim jetzigen Springhochwasser und den heftigen Wellen fast dauernd unter Wasser und kaum erkennbar sind. Es ist wirklich nicht ratsam hier ohne Lotse reinzufahren. So schwierig die Einfahrt ist, so schön ist sie auch. Rechts und links der inneren Wellenbrecher liegen herrliche Sandstrände und Surfer gleiten durch die Wellen. Vor uns auf einem großen Felsen leuchtet in der Nachmittagssonne orangerot die Mauer der Kasbah von Rabat. Kaum haben wir den inneren Wellenbrecher hinter uns haben wir auch den Ritt durch die Wellen geschafft. Das Wasser ist nun ruhig und viele bunte Holzboote schaukeln auf dem Fluss. Ein geschäftiges Treiben herrscht hier. Einige fischen, andere queren, andere ankern. Ich habe kaum Zeit dieses farbenfrohe Schauspiel in Ruhe zu betrachten denn ich bin beschäftigt mit Fendern und Leinen und Stefan ist konzentriert auf das Steuern und den vor ihm herfahrenden Lotsen. Vor der großen Brücke geht der Lotse an einen Steg längsseits und fordert uns auf das selbe zu tun. Und Stefan fährt ein Vorzeigeanlegemanöver. Bravo! Der Lotse hilft beim Festmachen und erklärt uns dort drüben sei die Capitanerie. Da kommt eine Polizistin den Steg herunter und überricht uns einige Formulare die wir ausfüllen sollen. Eines fürs Schiff, eines für Stefan eines für mich. Meine Einladung an Bord zu kommen lehnt sie freundlich ab und verlässt den Steg. Sie würde oben warten. Wir verschwinden im Schiffsbauch um die Formulare auszufüllen. Da klopft es wieder. Der Lotse, der auch gleichzeitig Capitanerie ist bringt uns ein Prospekt, eine Preisliste und ebenfalls ein Formular zum ausfüllen. Kaum wieder im Schiffsinneren klopft wieder die Polizistin. So werden wir ja nie fertig mit all dem Formularkram. Nein, wir sind noch nicht fertig mit ausfüllen. Macht nix, sie wartet und auch der Lotse wartet. Endlich fertig ausgefüllt. Nun will sie Bootspapiere, Versicherung und Ausweise haben um diese zu kopieren. Ein Herr vom Zoll ist inzwischen eingetroffen und will auch noch ein Formular ausgefüllt haben und der Capitano von der Marina möchte dass wir ins Marinabüro kommen. Puuhhh, so ein Trubel, beinahe stressig ist das und alles findet im Freien auf dem Steg statt. Kein Platz irgendwas abzulegen. Ich habe gar nicht genügend Hände und der Wind will mir die Papiere aus der Hand blasen. Die Polizistin, der Zöllner und der Capitano helfen halten und dann ist endlich alles ausgefüllt, kopiert und wir glauben nun fertig zu sein um uns im Marinabüro zu melden. Nein, nein, wir müssten noch auf die Spürhunde warten. Und so warten wir nun neben der Carina. Die Polizistin bewundert meine Haarfarbe die gar keine ist. Sie sind einfach nur grau. Gerade das findet sie schön und streicht mir vorsichtig übers Haar. Ein großer respekteinflössender Schäferhund wird von einem ebenso respekteinflößendem Polizisten gebracht. Der Hund bleibt am Steg neben der Carina während die Polizistin nun das Schiff durchsucht. Nur flüchtig schaut sie in alle Ecken, in die Vorkabine, das Bad unter den Tisch in die Hundekoje. Schapps und Schränke öffnet sie nicht. Alles in Ordnung berichtet sie und der Hund zieht unverrichteter Dinge wieder ab. Jetzt sei alles fertig und wir marschieren ins Marinabüro. Der Preis beträgt 7,50 Dirham (= 72 Cent) pro Meter Schifflänge pro Tag. Das sind für die Carina nicht mal 7 € pro Tag. Strom, Wasser und Internet am Steg sowie warme, saubere, moderne Duschen sind inklusive. Was will man mehr. Hinter dem Lotsen fahren wir nun in die Marina an den angewiesenen Liegeplatz. Wir hatten ganz vergessen dass wir unsere Ausweise noch bei der Polizistin abholen sollten und so sind wir erstaunt als auf dem Weg vom Marinabüro zum Steg das Zollauto an uns vorbeifährt, bremst, zurückfährt und uns aus dem offenen Autofenster die Ausweise überreicht werden. Die gesamte Einklarierungsprozedur hat ca 30 Minuten gedauert, war sehr freundlich und kostenlos.

Jetzt sind wir also an Stefans letzter Station in Rabat, der Hauptstadt Marokkos, angekommen.

 

Zwangsverlängerung im sicheren Marokko - Bomben in Brüssel

Nun liegen wir gut vertäut am Steg „Dhakla“ in der Marina von Rabat. Die Stege haben hier keine Nummern wie in anderen Marinas üblich, sondern tragen die Namen der großen Hafenstädte Marokkos. Absperrungen gibt es keine - wie schön, da fühlt man sich endlich mal nicht wie in einem Käfig. Dafür gibt es unendlich viel sehr freundliches Sicherheitspersonal das ständig anwesend ist und darauf achtet dass kein Unbefugter die Stege oder gar ein Schiff betritt. Man braucht sich hier keine Sorgen ums Schiff oder die persönliche Sicherheit machen und kann endlich wieder alles offen lassen.

Insgesamt sehe ich 8 Segelschiffe und einige kleine Motorboote. Neben uns ein Komplex moderner Gebäude und davor ein paar Bars oder Restaurants. Vor uns die Medina von Salé und hinter uns der Fluss und auf der anderen Seite die Medina von Rabat. Trommelwirbel klingt zu uns herüber. Am Stegende ein riesiges Aluschiff aus Neuseeland, neben uns ein unbewohntes Segelschiff aus Holland und wir, das ist alles an diesem Steg – beinahe alles, denn Möwen lieben leere Bootsstege und der Steg ist dicht besiedelt von ihnen. Na das freut mich gar nicht. Noch erinnere ich mich zu gut an den Dreck und habe noch den Gestank der Möwen aus Chipiona in der Nase. Es wird sich ganz schnell als problemlos herausstellen, denn jeden Morgen werden hier alle Stege der Marina mit dem Hochdruckreiniger gereinigt. Während ich die Gegend betrachte spielt Stefan mit seinem Smartphone und macht ein sehr bekümmertes Gesicht. Das ist zuviel für einen Tag – erst die Nachtfahrt, darauffolgend ein langer Tag auf See an dem Stefan immer wieder mit Anflügen von Seekrankheit zu kämpfen hatte und jetzt diese E-Mail. Sein Heimflug übermorgen ist storniert worden. Vor einer Woche gab es einen Bombenanschlag am Brüsseler Flughafen. Davon hatten wir bereits Anfang der Woche gehört, uns aber keine Gedanken gemacht da ja noch gut eine Woche Zeit war bis zu Stefans Heimflug, der über Brüssel gehen wird. Der Abend ist gelaufen. Wir verbringen ihn mit Internetrecherchen nach einem Ersatzflug. Gut dass es in der Marina kostenloses WiFi gibt. Für Montag gibt es keine Flüge mehr. Nächste Möglichkeit wäre am Donnerstag direkt nach München. Also 3 Tage später. Ich finde das gar nicht schlimm. Im Gegenteil ich finde es schön Stefan noch ein paar Tage länger an Bord haben zu können.

Am nächsten morgen erhält Stefan einen Anruf von der Fluggesellschaft. Die Flugkosten für den Anschlussflug ab Brüssel werden erstattet. Royal Air Maroc, die Fluggesellschaft mit der Stefan von Rabat nach Brüssel geflogen wäre bucht ihn ohne Extrakosten auf den gewünschten Flug am Donnerstag nach München um und Stefans Arbeitsplatz macht auch keine Probleme wegen der Urlaubsverlängerung. Nun ist auch Stefan wieder froh und freut sich über die Zwangsverlängerung, denn eigentlich hätte er noch gar nicht nach Hause wollen. Wir haben also noch 3 gemeinsame Tage im freundlichen Marokko gewonnen.

 

In der Medina von Salé

Unsere erste Entdeckungstour führt uns aus der gut bewachten Marina hinaus auf die andere Straßenseite die von den ockerfarbenen Mauern der Medina gesäumt ist. Durch einen kleinen Park gehen wir an der Mauer entlang den Berg hinauf und betreten die Medina durch das mächtige Tor, das Bab Fes. Händler haben ihre Waren auf der Strasse ausgebreitet, Winzige Läden quellen über von Trockenfrüchten und Gewürzen. Berge von Orangen verströmen einen angenehmen Duft. Ich fotografiere einen Stand und die Frauen dahinter lachen und rufen mir etwas zu und halten die Hand auf, was ich als spaßeshalber kassieren fürs Fotografieren verstehe. Ich gehe zu den Frauen die an einem Stand frischen Orangensaft zubereiten und auf einem Gaskocher einen großen Topf stehen haben in dem sie Speisen zubereiten für ihr Minilokal das nur aus 2 Tischen auf der Strasse besteht. Wir lassen uns 2 Gläser frischen Orangensaft pressen die wir direkt vor dem Stand trinken während andere Kundschaften uns in ein freundliches Gespräch verwickeln. Die beiden Säfte kosten 5 Dirham (=50 Cent). Ich gebe 10 Dirham (also 1 €) für die beiden Säfte und als Dankeschön fürs Fotografieren, denn das ist normalerweise äußerst unerwünscht wie wir wenig später auf dem Wollmarkt wieder erfahren müssen. Hier gibt es rohe Schafwolle zu kaufen und jede Menge Textilien. Ein Menschenansammlung erregt unsere Aufmerksamkeit. In einem Kreis von Menschen tragen Männer verschiedenartige Kleidungstücke herum und rufen irgendetwas auf arabisch. Es sieht aus wie eine Auktion und ich mache wieder mal Fotos, als mir ein junger Mann auf die Schulter klopft und mich bittet nicht zu fotografieren. Ich akzeptiere den Wusch, packe die Kamera weg und frage ihn was hier gerade stattfindet. Es ist ein Tauschmarkt. Die Männer und Frauen bringen gebrauchte Kleidung hier her und die Herren in der Mitte versuchen diese Ware zu tauschen oder gegen Höchstgebot für diese Menschen zu verkaufen. Das findet hier täglich statt. Wir plaudern noch lange mit dem jungen Mann. Er hat hier einen winzigen Laden für Unterwäsche. Unter einem Laden in der Medina, versteht man hier etwas anderes als sich ein Europäer vorstellt. Das ist meist nur ein kleiner Tisch oder ein Tuch auf der Erde auf dem etwas Ware ausgebreitet ist. Im glücklichsten Fall ist es ein winziges Zimmerchen in der Größe einer Toilette, das als Laden genutzt wird. Aber wer so einen „Laden“ hat, ist stolz darauf. Viel verkauft er nicht, aber es reicht für die Familie und den Vater und er liebt seine Arbeit, die Ruhe und Beschaulichkeit hier in der Medina. Alles ist friedlich, man hängt im Schatten rum, döst in die Sonne und wenn ab und zu mal Kundschaft kommt wird halt mal ein Unterhöschen oder ein BH verkauft. Er würde dies hier nicht tauschen wollen für einen Laden wie wir sie in Europa führen, mit dem er viel Geld verdienen könnte. Er zieht es vor hier mit wenig Geld aber dafür in Ruhe und Frieden zu leben. Nein, er würde nicht nach Deutschland gehen wollen. Natürlich ist er Fan von Bayern München. Er spielt auch Fußball, mit seinen Kumpels am Strand. Ein Stadion oder einen Verein gibt es hier nicht – wozu auch, geht auch so. Als Stefan ihn nach dem kürzesten Weg zum Strand fragt macht er sich einfach mit uns auf den Weg dort hin. Stolz führt er uns durch seine Stadt und als wir 20 Minuten später am Strand ankommen wünscht er uns alles Gute, viel Glück und will gar nichts für seine Mühe haben. Salé ist anders als Tanger. Hier gibt es keine Souvenirverkäufer, kaum Touristen und man wird nicht von Leuten belästigt die einem für Geld die Medina zeigen wollen. Man kann sie in aller Ruhe selbst entdecken.

 

Mittagessen marokkanisch

Auch unser Mittagessen in Salé war ganz anders als das in Tanger. Hier haben wir uns einfach selbst ein Restaurant gesucht. Na ja, unter einem Restaurant stellt man sich etwas anderes vor als das was wir hier besucht haben. An der wuseligen bunten Einkaufsstrasse mit all den Gewürz, Gemüse und Kleidungsläden und Bäckern gibt es auch immer wieder kleine Straßenküchen, ein Grill oder Gaskocher auf dem ein Topf steht auf dem auf der Strasse gekocht wird. Ich entdecke einen auf dem 2 Tontöpfe, 2 Tajines vor sich hinschmoren. Das riecht köstlich. Dahinter befindet sich ein winziges Zimmerchen mit einem Waschbecken und einem Tisch darin. Das ist unser auserwähltes Restaurant. Der freundliche Marokkaner mit weißem Bart und in ein wallendes Dschellaba gekleidet bittet uns herein. Er stellt einen der Tontöpfe vor uns auf den Tisch und dazu einen Korb mit Brot und wünscht uns guten Appetit. Und nun? Wie sollen wir das denn essen? Eine Tajine ist eine Art Eintopf mit Fleisch in der Mitte um das rundherum Gemüse aufgetürmt ist, Kartoffelstreifen, Karotten, Zwiebeln und vieles mehr, in viel würziger Sauce. Es riecht so fantastisch und der Magen knurrt auch schon, aber wir haben kein Besteck. Ich wusste dass die Marokkaner anstatt Besteck Brot verwenden. Wir versuchen es mit dem Brot und teilweise nehmen wir das Gemüse einfach in die Hand. Es muss sehr unbeholfen ausgesehen haben, denn unser Gastwirt geht auf die andere Seite der Gasse zu einem kleinen Stand und kommt mit 2 Kuchengabeln zurück die er sich dort für uns ausgeliehen hat. Das geht doch gleich viel besser.

Wenig später kommt ein weiterer Gast ins Lokal, ein Marokkaner, und isst ebenfalls eine Tajine. Er spricht gutes Englisch und ist amüsiert über unsere Gäbelchen. Er zeigt uns nun wie man auf marokkanisch mit den Fingern isst und wie man das Brot dazu benützt. Bald ist eine angeregte Unterhaltung im Lokal zu Gange zwischen uns, dem Gast und den beiden Betreibern. Am Ende dieses köstlichen und unterhaltsamen Mittagessens haben wir viel über Land und Leute erfahren, sind platzevoll und satt und haben für uns beide 25 Dirham (= 2,50 € ) bezahlt.

 

Bouregreg Marina - Ein Hafen für Menschen mit viel Zeit

Wir wandern den Sandstrand entlang der sich innerhalb der Wellenbrecher der Hafenzufahrt befindet und schauen den Surfern zu. Die Brecher die sich hier durch die Hafeneinfahrt zwängen sind enorm und wir können vor lauter Faszination den Blick gar nicht mehr von dem Getose wenden. Laut „Windguru“ (das ist die Internet-Wetterseite für die Surfer, die Windstärke und Richtung, sowie Wellenhöhe, - periode und – richtung angibt) hätte es heute 2,80 m Wellenhöhe. Eigentlich nichts besonderes, aber die Sandbänke vor und in der Einfahrt türmen die Wellen weiter auf und verursachen schwere Brecher. Jetzt ist uns klar warum die Hafeneinfahrt ab 2 m Welle gesperrt ist. Es war schon beeindruckend und unheimlich genug als wir bei ca 1,70 m Welle in den Hafen hineinfuhren. Für die nächsten Tage werden die Wellen noch höher werden und die Einfahrt bleibt für mindestens 1 Woche gesperrt. Wer hier herkommt muss genügend Zeit mitbringen, denn es kann Wochen dauern bis man hier wieder weg kann. Mir ist es egal, der Hafen ist sehr geschützt, gut bewacht, ich habe Zeit, es gefällt mir hier und alles ist billig – wozu beeilen.

 

Die klappernden Bewohner der antiken Ruinenstadt von Chellah

Am Stadtrand von Rabat liegen die Ruinen der alten Römerstadt Chellah, Eine gut erhaltene Mauer umgibt eine Stadt, einen Jupitertempel, eine Moschee, ein Hamann und eine Zisterne. Vieles ist so gut erhalten dass man sich noch gut vorstellen kann wie das hier früher zuging. In der Zisterne schwimmen immer noch die heiligen Aale, und immer noch kommen Frauen hier her um sie mit gekochten Eiern zu füttern. Das soll Fruchtbarkeit und die Erfüllung des Kinderwunsches sowie eine leichte Geburt versprechen. Abgesehen davon gab es am Eingang einen trommelnden Derwisch der fröhlich die Quaste seiner Mütze kreisen lässt. Wilde Blumen, Feigen, Oliven, Obstbäume. Palmen, Bananen wuchern zwischen den Ruinen und die Luft ist erfüllt von einem ohrenbetäubenden Klappern dass von überall her zu kommen scheint. Es sind die ewigen Bewohner der Stadt die hier solchen Lärm machen. Und wenn man ein wenig nach oben blickt kann man sie auch sehen. Auf jedem Turm, auf jeder Säule, auf jedem Mauersims und in jeder Astgabel sitzen sie in ihren riesigen Nestern und klappern mit den langen Schnäbeln. Eine riesige Storchenkolonie hat sich hier niedergelassen. Und ich dachte schon in Portugal unglaublich viele Störche gesehen zu haben. Aber das hier übertrifft alle Vorstellungen. Dicht an dicht haben sie ihre Nester gebaut und alle Nester beherbergen 2 balzende Störche. Alleine das ist schon einen Besuch der antiken Stadt wert.

 

Haben wir jetzt ein Kamel gegessen?

Heute sind wir unterwegs in Rabat. Wir haben mit dem Ruderkahn für 2,5 Dhm (=25 Cent) auf die andere Seite des Flusses, des Bou Regreg, übergesetzt, der Rabat und Salé voneinander trennt und die Zufahrt zur Marina in Salè bildet. Es sieht hübsch aus, überall auf dem Fluss schwingen bunt bemalte Holzboote am Anker oder warten an den Stegen beidseits des Flusses auf Kundschaft die übersetzen will. An der Flussmündung erhebt sich auf einem mächtigen Felsen die malerische und eindrucksvolle Kasbah von Rabat, ein kleiner Stadtteil umschlossen von den Mauern eines portugiesischen Kastells. Wir schlendern durch die weiß blauen Gassen der Kasbah und genießen herrliche Ausblicke aufs Meer und die Hafeneinfahrt. Im Cafe Mauré trinken einen Pfefferminztee und einen Kaffe und kaufen ein paar frisch gebackene Kekse von dem Herrn der mit einem großen Teller von Tisch zu Tisch wandert.

Dann führt unser Weg in die Medina von Rabat. Hier gibt es wieder Souvenirverkäufer, Teppiche, Tücher, Schuhe, Taschen aber auch Antiquitäten. Und wieder versuchen die Händler uns in ihre Läden zu locken. Wir haben keinen Pfennig Geld mehr. Alle Dirhams waren aufgebraucht und so entziehen wir uns einem sehr geschäftstüchtigen Händler indem wir ihm erklären wir brauchen erst einen Geldautomaten bevor wir seine schönen Sachen kaufen könnten. Kein Problem für ihn, er nimmt auch Euro. Solche haben wir auch nicht dabei. Karte würde auch gehen. Nein, nein, wir wollen erst einen Automaten und Geld abheben – er gibt nach und erklärt uns bereitwillig wo der nächste ist. Das ist zum Glück ein paar Strassen weiter und wir sind ihm entkommen.

Nachdem wir jetzt wieder flüssig sind gehen wir nicht zurück in die Souvenirstrasse sondern wählen ein anderes Tor in die Medina und landen in der Strasse Mohammed V. Hier gibt es viele winzige Stände an denen auf der Strasse gekocht wird und wir kaufen uns bei einem Saftladen wieder 2 Gläser Orangensaft. Damit sitzen wir nun auf 2 Plastikstühlen auf der Strasse und betrachten das Treiben. Uns gegenüber sitzt ein alter Mann in Dschellaba auf der Erde mit einem selbstgebauten Instrument und musiziert. Ich gehe hinüber, gebe ihm ein paar Dirham und frage ihn was das für ein Instrument sei. Eine Art Kontrabass, selbst gebaut aus einem Stück Ast für den Hals, Holz und Leder für den Klangkörper und Sehnen für die Saiten und dann erzählt er mir die Geschichte der Musik, der Völkerverständigung und vieles mehr. Leider reicht mein Französisch dafür nicht aus und so bin ich froh als ein weiterer Passant eine Spende gibt und ich mich schnell wieder auf die andere Seite zu meinem Stuhl und meinem Orangensaft begeben kann. Nun spielt er extra für mich „Vamos a la playa“. Die Menschen sind einfach nett hier.

Frisch gestärkt durchlaufen wir nun die geschäftigen Strassen von Rabats Medina in denen die Marokkaner einkaufen. Kleidung, Schuhe, Obst, Gemüse, Gewürze, man wird regelrecht erschlagen von der Vielfalt und dem Getümmel.

Wir wollen heute mal wieder an Bord kochen. Wir haben frische Kartoffeln und grüne Bohnen und hätten uns dazu Lammkoteletts gedacht. Die Metzger hier sind auch nur winzige Theken an der Strasse, halbe Schafe, hängen an Haken, und große Fleischstücke liegen auf der Theke. Aber es sieht alles sehr appetitlich und frisch aus, keine Fliegen, alles blitzsauber. Lammkoteletts finde ich keine, aber ein anderes riesiges Fleischstück sieht sehr gut, frisch und mager aus und ich kaufe eine große Scheibe davon, was auch immer das für Fleisch sein mag. 350 Gramm – 3,50 €.

Zuhause an Bord hoffe ich dass es nicht zäh wird und während Kartoffeln und Bohnen fast fertig sind brutzelt das Fleisch in der Pfanne. Es schrumpft überhaupt nicht, wie das bei uns in Deutschland oft zu beobachten ist und es ist herrlich zart. Einfach köstlich. Wir rätseln was das für Fleisch sein kann. Es ist kein Geflügel, dafür ist es zu dunkelrot und zu groß. Es ist auch kein Rindfleisch, dafür ist es nicht faserig genug, Lamm ist es auch nicht und Schwein kann es nicht sein, da es solches hier nicht gibt. Stefan meint dann muss es Kamel sein. Keiner von uns hat je zuvor ein Kamel gegessen, und weil das Fleischstück von dem unserer Scheibe abgeschnitten wurde so riesig war, scheint der Gedanke gar nicht so abwegig. Trotzdem kann ich nicht glauben dass Kamel so zart und köstlich schmecken kann und ich tippe auf Strauß. Dazu ist das Fleisch aber nicht dunkel genug. Bis heute wissen wir nicht was es war, aber die Vermutung liegt nahe, dass es Kalbfleisch war. Leider habe ich den Metzger-Laden in den verwinkelten Gassen der Medina nie wieder gefunden, sonst hätte ich ihn gefragt was es war, und wahrscheinlich gleich noch mal ein Stück gekauft.

 

Alle Straßenbahnen fahren zum Bahnhof

hatte Stefan gedacht. Ein beinahe fataler Denkfehler, denn heute ist Abreisetag für Stefan. Seine Zeit an Bord der Carina ist nun endgültig zu Ende und sein Ersatzflug von Casablanca nach München geht heute Mittag.

Es ist 06:40 morgens als wir im Regen mit Stefans Gepäck auf die Straßenbahn warten die uns zum Bahnhof von Salé bringen soll. Die Straßenbahn hält direkt vor der Marina und bis zum Bahnhof ist es nur eine Station. Bereits gestern sind wir zum Bahnhof gegangen um die Verbindung nach Casablanca herauszufinden und auf dem Weg dorthin fiel mir auf, dass sich das Gleis der Straßenbahn ca 300 m vor dem Bahnhof gabelt.

Die Straßenbahn kommt und wir steigen ein. Es gibt Linie 1 und Linie 2. Ist das die Richtige? frage ich Stefan. Ja, ja, alle Straßenbahnen fahren zum Bahnhof, antwortet er. Bist Du sicher? Ich habe gestern gesehen dass eine nach rechts abzweigt. Und während ich das sage biegt unsere Straßenbahn nach rechts ab anstatt geradeaus zum Bahnhof zu fahren. Mist, das war die falsche höre ich einen verzweifelten Stefan sagen. Also nächste Station aussteigen. Den Zug in Salé werden wir nicht mehr erreichen, aber wenn wir mit der nächsten Straßenbahn nach Rabat hinein zum Bahnhof Rabat fahren, könnte das gerade noch klappen, denn diesen Bahnhof wird der Zug 7 Minuten nach der Abfahrt in Salé ohnehin passieren. Diesmal haben wir Glück in die Linie 1 eingestiegen zu sein, denn auch zum Bahnhof in Rabat führen nicht alle Straßenbahnen.

Am Bahnhof Rabat Ville angekommen bleiben gerade noch 8 Minuten bevor der Zug nach Casablanca abfährt. Schnell noch eine Fahrkarte lösen – der Automat nimmt die Scheine nicht an – Hektik – endlich ein Schein den er nimmt und eine Fahrkarte wird ausgespuckt - eine hastige Verabschiedung und ein laufender Stefan - und ich bleib allein zurück im verregneten Rabat. Diese Reise bleibt für Stefan bis zum Ende abenteuerlich. Der Zug verlässt mit Stefan den Bahnhof und ich trapse durch den Regen zurück zur Straßenbahn und auf die Carina, die mir nun leer und verlassen vorkommt. Wir hatten eine so lustige gemeinsame Zeit. Schade dass sie nun vorbei ist. Aber ich weiß, ganz schnell werde ich auch das Alleinesein wieder genießen und mich wieder ausgiebig mit dem Schiff und all den liegengebliebenen Arbeiten beschäftigen.

 

Der Rocna Anker - So ein Zufall - Sonntag in Rabat

Gestern war ich zu Kaffee und Kuchen eingeladen, bei meinen Nachbarn auf der Kiwi Roa, einem 50 Fuß Aluschiff aus Neuseeland. Marlies ist Schweizerin und Peter ist Neuseeländer und Bootsbauer und hat die Kiwi Roa selbst gebaut. Ein Schiff wie ein Panzer. Das muss es auch sein, für die kalten und stürmischen hohen Breiten in denen sie überwiegend unterwegs sind, Grönland, Neufundland und demnächst wieder hinauf nach Island. Es ist sein 6. Schiff dass er für sich selbst gebaut hat und weitere 200 hat er gebaut als er noch in Neuseeland in seiner Werft gearbeitet hat. Nun ja, er hatte ja auch ein langes Leben Zeit dafür, denn er ist bereits keine 20 mehr. Während wir so plaudern sehe ich auf der Rückseite seiner Visitenkarte einen Rocna Anker. So einen habe ich auf der Carina. Ja, das sei ihm schon aufgefallen und siehe da, er ist derjenige der den Rocna Anker entwickelt, also erfunden hat. (Wer mehr über Peter, sein Schiff und den Rocna Anker wissen will, kann auf seiner homepage nachschauen: www.petersmith.net.nz)

So ein Zufall! Da ist der Designer des Rocna Ankers mein Nachbar in Rabat, in einem Hafen in dem nur 8 Segelschiffe liegen und nur 3 davon bewohnt sind. Somit ist klar dass sich der Gesprächsstoff nun um Anker dreht und er empfiehlt mir den Wirbelschäkel gegen einen einfachen Rundschäkel auszutauschen, da der Wirbel zu leicht brechen kann wenn seitwärtiger Zug drauf kommt. Ja, das wusste ich bereits, und macht mir auch schon seit langem Sorge. Der Wirbel ist die einzige Schwachstelle in meinem gesamten Ankersystem. Als ich noch den Bruce Anker am Bug fuhr hatte ich das mit dem Schäkel schon ausprobiert mit dem Ergebnis, dass der Schäkel zu breit ist und sich in meiner Bugrolle verklemmt. Und so blieb es eben beim Wirbelschäkel der schön schlank ist. Mit dem neuen Rocna hatte ich den Schäkel gar nicht erst probiert und so sitze ich nun an einem sonnigen Sonntagmorgen auf dem Vordeck, lausche der Livemusik die vom Cafe Marco herüberklingt und tausche den Wirbel gegen den einfachen Rundschäkel. Aber alles ist wie es immer war, der Schäkel bleibt auch mit dem komplett anders geformten Rocna in der Bugrolle stecken. Als ich gerade wieder auf den Wirbel zurückgewechselt habe kommt Peter über den Steg gewandert. Gemeinsam suchen wir nun nach einer Lösung, biegen die Bugrolle vorne etwas auseinander und modifizieren den Schäkel so dass er nun passt. Dabei entfernen wir auch gleich das erste Kettenglied dass stark angerostet war, da der Wirbelschäkel Edelstahl und die Kette nur verzinkt war. Dann drehe ich die Kette um, so dass der Teil, der immer unbenutzt im Ankerkasten lag nun am Anker befestigt wird und der bereits strapaziertere Teil nun seine Ruhe im Kasten findet. Auch für das Abdichten des Ankerkastens, in den durch das Kettenloch Unmengen Wasser strömen und in das Schiffsinnere in die Bilge gelangen, hat Peter die Lösung, die ich umgehend umsetze. Und weil die Sonne immer noch so angenehm warm aufs Deck scheint und der Marokkaner drüben im Cafe immer noch, von seiner Gitarre begleitet, marokkanische Lieder singt die sogar für europäische Ohren angenehm klingen, macht die Arbeit richtig Spaß. So nehme ich mir auch noch die Ankerwinsch vor, reinige und schmiere sie neu und hab nun ein generalüberholtes System und viele gute Tipps bekommen. Meine Freundin Bruni hat wohl recht: Das Glück reist mit mir, denn solche Begegnungen sind doch wirklich Glücksache.

Es ist bereits 17:00 als ich meine Arbeiten beendet habe und zur Belohnung zum Burger Laden rüber marschiere und mir einen köstlichen Frenchy-Burger mit Pommes kaufe. Eigentlich gar nicht meine Essenstil, aber dieser Laden macht sie besonders gut. Allerdings ist das für Marokko ein sehr teueres Essen. Burger, Pommes und ein Getränk 8,50 €. In der Medina kann man mit einheimischem, ebenfalls köstlichem und viel gesünderem Essen bereits für 2- 3 € satt werden. Aber heute ist Sonntag und da mein Ankerproblem nun endlich gelöst ist gönne ich mir das ausnahmsweise. Neben mir auf dem Fluss, auf dem Bou Regreg, herrscht reges Treiben. Unzählige blau-weiße Holzkähne, queren den Fluss und transportieren Menschen von Rabat nach Salé und zurück. Sie werden von marokkanischen Männern gerudert und ersetzen die fehlende Brücke. Sie drängeln sich an den Stegen und oft sind 5 bis 6 Kähne gleichzeitig unterwegs, alle gut besetzt mit 8 – 10 Passagieren. Sonntags scheint ganz Rabat auf den Füssen zu sein und auf den Promenaden zu beiden Seiten des Flusses wimmelt es nur so von flanierenden Menschen, Frauen in Kaftans, Männern in Dschellabas, aber auch europäisch gekleidete, vor allem junge Marokkaner mischen sich in das farbenfrohe Gewimmel. Ein Herr mit einem großen Kessel in der Hand wandert dazwischen umher und bietet heißen starken Kaffee an. Das ist echter „Coffee to go“. An kleinen Wägen mit großen Töpfen darauf werden frisch zubereitete Schnecken verkauft, andere pressen Saft aus Zuckerrohr, verkaufen warme Kichererbsen gewürzt mit Paprika oder frittieren frische Kartoffel-Chips. Alles für nur wenige Cent. Die Chips schmecken ganz hervorragend, noch warm und knusprig. Mangels Tüten werden sie einfach in ein Blatt Papier gewickelt. Das verwendete Papier stammt aus einer bereits ausgewerteten Umfrage über die Zufriedenheit des Carrefour-Supermarktes, der gerade ein Jubiläum hinter sich hat. Ich finde das amüsant und versuche zu entziffern wer wie zufrieden war.

Die Sonne geht unter und der Muezzin ruft ein vorletztes Mal für heute zum Gebet. Mit Einbruch der Dunkelheit leeren sich die Promenaden und Strassen von Rabat und Salé allmählich und ich lasse den Tag bei einer Tasse frischem Pfefferminztee im Cockpit der Carina ausklingen.

 

Leben in Marokko

Gerade bin ich vom Einkauf aus der Medina zurück und mache Kassensturz.

110 Dirham habe ich heute ausgegeben. Das sind gut 10 Euro. Bekommen habe ich dafür:

1 kg vor meinen Augen frisch gemahlene Kaffeebohnen, 200 g Rosinen. 500 g scharf eingelegte Oliven (ganz köstlich mit Chili und frischen Kräutern), 2 Joghurts, 6 Eier, 3 Fenchelknollen, 5 rote Paprikaschoten, 4 kleine Zucchini, 1 Pfund Karotten, 1 Pfund frische Erbsenschoten und 2 Brote, 2 Äpfel und 2 Bananen. Damit bin ich für diese Woche wieder versorgt.

 

Abgesehen davon dass dies sehr günstig ist und alles frisch ist, liebe ich es durch die Gassen zu schlendern und hier und dort etwas zu kaufen. Der Bananenverkäufer läuft mir noch gut 500 m nach, um mir noch einen halben Dirham zu bringen den er mir noch rausgeben wollte (das sind 5 cent!!) Hier muss man keine Angst haben übers Ohr gehauen zu werden. Manche Händler sprechen kein französisch. Das ist kein Problem, man nimmt sich einfach in der Auswahl was man möchte und legt es auf die Waagschale. Da ich den Preis auf arabisch nicht verstehe halte ich ihnen einfach eine Handvoll Münzen entgegen und sie nehmen sich was es kostet. Ich bin davon überzeugt dass sie dabei zu 100 % ehrlich sind, denn noch weniger als sie nehmen kann gar nichts auf der Welt kosten. Während ich mit prüfenden Blicken die Stände entlang wandere fragt mich ein junger Mann auf englisch wonach ich suche. „Eggs“ antworte ich. „What?“ er versteht mich nicht. „What the chicken prodcuces”. “Ah !!! des oeufs !!“. Oui, des oeufs, und die Unterhaltung wechselt nun auf französisch. Ich solle mitkommen und hinter ihm her trotte ich nun durch die Gassen und wir klappern der Reihe nach alle Stände ab an denen es Eier geben könnte bis wir beim dritten endlich fündig werden. Dort verabschiedet er sich wieder und ich bekomme meine Eierbox befüllt mit 6 frischen Eiern. So macht Einkaufen Spaß. Ganz im Gegensatz zum Einkauf im Supermarkt den ich mir vorgestern angeschaut hatte. Ein Supermarkt nach europäischem Stil. Es gibt eigentlich das selbe wie in der Medina, nur nicht so frisch und viel teurer. Es ist warm und stickig in der riesigen Einkaufshalle und es riecht muffig. Man braucht ewig bis man all die riesigen Regale abgelaufen ist um zu finden wonach man sucht und dann steht man in der Warteschlange an der Kasse. Ich werde hier nicht mehr herkommen. Das einzige was ich aus dem Supermarkt mit nach Hause bringe ist ein Dose alkoholfreies Bier mit dem hochtrabenden Namen „Bavaria“. Alkohol gibt es hier nicht, genauso wenig wie Schweinefleisch. Das verbietet der Islam. Das Bier war teuer (1,60 €) und so grässlich dass ich es nach einem Probeschluck weggeschüttet habe. Da bleibe ich lieber beim frischen Pfefferminztee. Alkohol gibt es wohl zu kaufen, irgendwo versteckt bei den großen Supermärkten. Ich habe noch keinen entdeckt und er geht mir auch nicht ab. Nebenan in Marcos Terrasse, der Hafenbar, kann man sich ein richtiges Bier für 5,50 € kaufen, viel zu teuer und langweilig da drin allein zu sitzen. Wenn ich will kann ich das ja alles nachholen wenn ich in Madeira oder auf den Azoren angekommen bin. Bis dahin wird aber noch einige Zeit vergehen, denn auch diese Woche bleibt die Wellenhöhe über 2 m und die Hafeneinfahrt geschlossen. Und ehrlich gesagt sehe ich auch noch gar keinen Grund Marokko schon wieder zu verlassen.

Gerade habe ich meinen Rucksack mit der Treckingausrüstung gepackt, denn morgen werde ich mit dem Zug nach Marrakesh fahren, dort ein paar Tage bleiben und von dort aus 1 bis 2 Wochen durch den Hohen Atlas in die Wüste reisen. Bin schon so gespannt, was ich auf dieser Reise quer durch Marokko alles entdecken und erleben werde.

Bis zur Rückkehr von dieser Inland-Reise grüßt die Erika.

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