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Carina's Logbuch

Juni 2018  - Traumhafte Azoren - Sao Miguel - Fajal - Pico

 

Sao Miguel - Klar Schiff - die Crew reist an

Seit Mittwoch den 01. Juni bin ich nun auf den Azoren, genauer gesagt in Ponta Delgada auf der Insel Sao Miguel, und jetzt gibt es wie nach jeder längeren Überfahrt erst mal wieder viel Arbeit an Bord. Aber dieses mal habe ich es eilig alles fertig zu bekommen, denn heute Do, den 02. Juni werden Florian und Amanda, meine Azoren-Crew, anmustern. Eigentlich ist das noch zu früh, die Carina ist noch gar nicht bewohnbar, aber sie wollten unbedingt mithelfen um dabei das Schiff bis auf die Grundfesten kennen zu lernen. Nachdem die Überfahrt von Madeira zu den Azoren wieder mal gegen den Wind ging und sehr stürmisch war, ist wieder mal alles im Schiff nass. Matratzen werden nach draußen gelegt um in der Sonne zu trocknen, das gesamte Schiffsinnere (Wände, Schränke, Böden, Teppiche und die Bilge) müssen abgewaschen und getrocknet werden um das Salz und die Feuchtigkeit aus dem Schiff zu bekommen. Gemeinsam geht das dann doch recht flott und die beiden wissen nun auch gleich wo was im Schiff zu finden ist. Nachdem sie ihr Hab und Gut in den Kästen verstaut haben ist es spät abends.
In die neue Marina von Ponta Delgada, im westlichen Teil des Hafens, setzt ordentlicher Schwell, besonders in diesen Tagen in denen es mal wieder stürmt und die Wellen draußen 4 m erreichen. Leider ist die alte Marina im östlichen Teil des Hafens, die viel besser geschützt liegt, inzwischen verwaist und alle Schiffe werden in die neue Marina geschickt.
Somit wird die erste Nacht an Bord für Florian und Amanda ungewohnt schaukelig. Trotzdem schlafen sie sehr gut, was mich sehr wundert, nicht so sehr wegen dem Geschaukel, sondern weil sie beide gemeinsam in der kleinen Vorkabine schlafen, deren Liegeflächen nur 1,80 m lang sind. Aber wenn man jung ist und sich lieb hat, geht das auch wenn man 2 m lang ist (zumindest schätze ich Florian auf fast 2 m).

 

Einklarieren auf den Azoren

Auch der nächste Tag bringt noch viel Arbeit mit sich und alle 3 sind wir emsig beschäftigt. Es ist früher Nachmittag als ein Beamter an der Carina anklopft. Ganz entspannt fragt er höflich an, ob wir uns schon angemeldet hätten. Uuppps, vor lauter Arbeit hab ich da ja gar nicht mehr dran gedacht. „Sorry - Ich mach das gleich“. „Ach, nein, das hätte keine Eile, es wäre sowieso Mittagszeit jetzt und niemand da“ und er erklärt mir freundlich wo ich hin muss, wenn ich mich dann später oder morgen anmelden möchte
Trotzdem machen wir uns sobald das Büro wieder geöffnet hat gemeinsam auf den Weg um die Formalitäten zu regeln. Obwohl die Azoren zur EU gehören und alle Personen an Bord EU-Mitglieder sind, müssen wir uns nicht nur im Marinabüro anmelden sondern den gesamten Einklarierungsprozess durchmachen. Im Marinabüro werden erst mal alle Daten von Schiff, Skipper und Crew erfasst. Da gibt es ein kleines Problem. Der nette Herr kann Carinas Heimathafen „Passau“ im Computersystem nicht finden. Wo das denn sei? „Ein Binnenhafen an der Donau“, antworte ich ihm. „Ahh, deshalb, wo denn der nächste Seehafen wäre?“ Und ich antworte spontan „Hamburg, 1000 km entfernt“. Und da Hamburg in der Auswahlliste seines Programms zu finden ist, ist der Marinabeamte zufrieden, und in Carinas Anmeldepapieren steht nun Heimathafen „Hamburgo“. Mit diesem Anmeldeformular schickt er uns nun zum Einklareiern. Zuerst zur örtlichen Polizei. Wieder ein sehr netter Beamter mit viel Humor der allerdings den Heimathafen handschriftlich wieder auf „Passau“ zurückändert. Dann müssen wir noch zur Einwanderungsbehörde und zum Zoll. Überall geht es ganz relaxt, freundlich und unkompliziert von statten. Alles befindet sich im selben Gebäude, aber da man es in Portugal und ganz speziell auf den Azoren nicht eilig hat, dauert die ganze Prozedur doch eine ganze Stunde.
Jetzt sind wir also offiziell auf den Azoren, Aber sobald wir Ponta Delgada verlassen wollen müssen wir wieder ausklarieren und auf der nächsten Insel wieder einklarieren, und ich muss jedes Mal erklären warum die Carina nicht Hamburg sondern Passau als Heimathafen hat, denn alle Marinas und Behörden greifen auf die einmal in Ponta Delgada gespeicherten Daten zu. Und wenn wir nur mal kurz raussegeln möchten um abends wieder an unseren Liegplatz zurückzukehren, müssen wir uns auch abmelden, sonst würde man uns ein U-Boot oder Torpedo hinterherschicken, meint der Polizeibeamte spaßeshalber. Aber Abmelden muss man sich tatsächlich, ohne Spaß.

 

Kann man sich noch dümmer anstellen? - Die verletzte Hand

Für heute stehen die „Auf-Deck-Arbeiten“ auf dem Plan, die gleichzeitig Creweinweisung sind. Der Anker, den ich auf großen Überfahrten in der Backskiste verstaue, muss wieder an seinen Platz am Bug zurück. Und weil wir grad dabei sind gibt es auch gleich noch eine Einweisung. Bei geöffnetem Ankerkasten erkläre ich Florian und Amanda den Inhalt, von Felsenanker über Reitgewicht bis Ankerball und dann die Fußschalter der elektrischen Ankerwinsch. Ich verstehe es nicht – gerade ich – „Miss Sicherheit und Unfallvorsorge“ – drücke auf den Ankeraufholknopf während ich mich mit der anderen Hand an der Kante des geöffneten Ankerkastens abstütze. Auf der Carina befindet sich die Ankerwinsch auf Deck hinter dem Ankerkasten. Verdammt tat das weh, als die Kette straff kam und den Deckel des Ankerkastens mit Schwung schließt in dem sich gerade meine rechte Hand befindet. Ich beiß die Zähne zusammen und denk mir: hört bestimmt gleich wieder auf, es geht gleich weiter. Ich bin erstaunt über die entsetzten Gesichter meiner Crew und werfe erst jetzt einen ersten Blick auf meine Hand. Der Handrücken und der kleine Finger sind inzwischen leuchtend blau und 3x so dick wie normal. Allmählich wird mir auch ein wenig schummerig und ich lege mich erst mal hin und kühle sie mit Gelbeuteln die ich für Notfälle immer im Kühlschrank aufbewahre, während Amanda sich aufs Bord-Fahrrad schwingt um Eis aus der nächsten Bar zu besorgen.
Für heute ist erst mal Feierabend mit den Bordarbeiten. Ich wickle meine Hand in einem mit Eiswürfeln gefüllten Waschlappen, lass die Arbeit Arbeit sein und gehe statt dessen mit Amanda und Florian auf Entdeckungstour im schönen Ponta Delgada. Im nächsten Lokal gibt’s Tapas für die leeren Mägen und neues Eis für die verletzte Hand.
Dummerweise ist es die rechte Hand und ich kann die nächsten Tage nichts mehr mit ihr tun. Allmählich schwillt sie ab, aber mir scheint der kleine Finger ist gebrochen oder zumindest extrem gequetscht. Ich kann meine Hand nicht schließen, nichts festhalten, keine Leinen bedienen und auch nicht schreiben. Damit fällt auch Segeln erst mal aus. Leider, denn darauf haben Florian und Amanda sich doch schon so sehr gefreut.

 

Ein Tief jagt das andere - Sturmnacht und kaputte Schiffe

Das Wetter bleibt stürmisch, wenn auch oftmals sonnig. Kaum ist ein Tief durchgezogen folgt das Nächste. Zum Segeln, speziell für Anfänger und „Nicht-Atlantik-Gewöhnte“ kein Segelwetter und ich würde da freiwillig auch nicht rausgehen. Wind bis zu 30 Knoten und Wellen zwischen 3 und 5 m. Ich bin eigentlich ganz froh darüber. Somit bin ich nicht alleine der Grund dass wir noch nicht segeln können und meine Hand hat Zeit in Ruhe wieder zu heilen. Trotzdem verfolgen wir täglich den Wetterbericht um sobald wie möglich ein bisschen im Hafen und vor der Küste zu üben um baldmöglichst nach Horta auf der Insel Fajal (160 Seemeilen entfernt) aufbrechen zu können. Denn dort wird Jim in den nächsten Tagen ankommen und das ist der vereinbarte Treffpunkt an dem wir uns nach 10 Jahren wiedersehen werden. Darauf freue ich mich doch schon so und kann es kaum noch erwarten - und die Crew freut sich endlich zu segeln und wird endlich genug Segelmöglichkeit bekommen.

Der Wetterbericht kündigt für heute Nacht 45 Knoten Wind und 7 m Wellen an. Überall in der Marina sind die Yachties beschäftigt ihre Schiffe zu sichern und auch wir sichern die Carina mit zusätzlichen Leinen und Springs. Zum Glück haben wir keinen direkten Nachbarn und können uns so in alle Richtungen zwischen den Fingerpontoons vertäuen.
Die Nacht wird wie angekündigt stürmisch. Brecher kommen über die hohe Hafenmauer, Wellen lassen die Schiffe an den Pontoons wild umhertanzen und an den Leinen zerren, es regnet und stürmt und Florian ist die ganze Nacht draußen unterwegs, fasziniert von dem gruseligen Spektakel. Amanda und ich haben uns längst schlafen gelegt. Ich döse vor mich hin als gegen 03:00 Uhr morgens eine Welle die Carina in die Höhe schleudert und ein furchterregendes Krachen zu hören ist. Mit entkommt ein entsetzter Schrei und im selben Augenblick stehe ich auch schon im Nachthemd an Deck um zu sehen was passiert ist. An der Carina ist alles in Ordnung und alle Leinen sind noch an ihrem Platz. Aber auf dem Schiff einen Finger weiter hüpfen aufgeregte Männer in Unterhosen hin und her, während der Engländer auf dem Nebenschiff seine Frau fest im Arm hält und ein besorgtes Gesicht macht. Was war das? Ich kann es mir nicht erklären. Inzwischen ist Florian von seinem Ausguck zum Schiff gehastet um zu sehen ob seine Hilfe gebraucht wird. Er ist so ziemlich der einzige hier im Hafen der gesehen hat was wirklich passiert ist: Die große Inselfähre die spät nachts ankam und an ihrem Liegeplatz nahe an unseren Stegen festmachen wollte, wurde vom Sturm vertragen und wäre beinahe in die Yachten gekracht, hätte sie nicht alle Motoren auf Volle Kraft geschaltet um sich freizufahren. Dadurch hat sie eine Riesenwelle erzeugt die uns in die Höhe hob. Die 45 Fußyacht am Nachbarsteg riss dabei die Klampe aus dem Steg, brach eine Leine und krachte in das Nachbarschiff, bei dem eine Klampe aus dem Rumpf gerissen wurde. Die Schiffe werden neu vertäut und bald kehrt wieder Ruhe ein.
Am nächsten Morgen ist der Sturm vorbei und alle Yachties sind wieder auf den Beinen um ihre Schiffe und Leinen auf Schäden zu überprüfen. Zum Glück ist außer den beiden Nachbarbooten niemand etwas Schlimmeres passiert. Der Hafenmeister zeigt mir auf dem Computer den Sturm der über uns hinwegzog und kopfschüttelnd meint er das wäre der heftigste Sturm den sie hier bisher erlebt hätten.



Die Festas do Espirito Santo

Nachdem es zu stürmisch zum Segeln und meine Hand noch lange nicht gebrauchsfähig ist verbringen wir beinahe ein ganze Woche in der Marina von Ponta Delgada, spazieren durchs hübsche Städtchen, essen Papageienfisch und Lulinhas (Babytintenfische) und machen einen Ausflug mit dem Linienbus auf die Nordseite der Insel nach Rabo de Peixe. Dieser Fischerort bekam seinen Namen, der übersetzt „Fischschwanz“ bedeutet, weil man den Fischern nachsagt, dass sie meistens nur die Schwänze der Fische zu sehen bekämen.
Einige Strassen des Ortes sind festlich geschmückt mit frischen Blumen. Menschen sitzen beisammen, essen trinken grillen. Sie feiern die Festas do Espirito Santo. Dabei wird eine Krone von Haus zu Haus gereicht. Der Inhaber der Krone (er behält sie für eine Woche) richtet ein Fest für die ganze Strasse aus. So wandert die Krone durch den Ort und es gibt immer irgendwo ein Fest. Diese Tradition reicht zurück ins 12. Jahrhundert und wurde von Isabella von Aragon auf dem portugiesischen Festland eingeführt. Der Franziskanerorden brachte diese Tradition auf die Azoren bei der die Armen und Kranken gespeist wurden. Dazu wurde einem Bauern für einen Tag die Kaiserkrone aufgesetzt. Ein Traum für jeden Bauern einmal zum Kaiser ernannt zu werden. Allerdings ein teurer Traum, denn er musste für die Speisung aufkommen. Heutzutage werden nicht nur die Armen gespeist, sondern das ganze Dorf, oder in größeren Städten die ganze Strasse, ist eingeladen. Auch Jim und ich werden später von diesem Brauch profitieren.
Von hier aus wandern wir zu Fuß ins 7 km entfernte Ribeira Grande. Auf halbem Weg finden wir ein Hufeisen (wenn das nicht Glück bringt) und kurze Zeit später hält unaufgefordert ein Auto an und fragt ob wir mitfahren wollen. Ja gerne, und so haben wir freie Fahrt und jede Menge Informationen über die Insel bekommen.

 

Auf dem Weg nach Fajal/Horta – Und es kam ganz anders als sie dachten

Endlich ist es soweit, das Wetter hat sich gebessert, wir hatten einen sonnigen Leichtwindnachmittag nutzen können für einige Hafenmanöver und ein paar Segelstunden vor Sao Miguel um die Crew an das Schiff und das Meer zu gewöhnen. Alles in allem ein gelungener fröhlicher Nachmittag.

Aber heute soll es ernst werden. Wir haben bereits ausklariert und nach dem Frühstück wollen wir die 160 Seemeilen Überfahrt nach Horta auf der Insel Fajal starten. Es ist Leichtwind und Sonne angesagt. Wir rechnen damit am nächsten Abend anzukommen und haben also 2 Tage und eine Nacht auf See vor uns. Florian und Amanda freuen sich auf VIEL AKTIVES SEGELN.
Der erste Tag beginnt wie angekündigt mit Sonne, leichtem Wind und glatter See. Florian sitzt den ganzen Tag am Steuer. Amanda beschließt am Nachmittag, als die Insel Sao Miguel allmählich am Horizont verschwindet, sich ein wenig hinzulegen. Die Ankündigung von Delfinen die die Carina ein wenig begleiteten bringt sie noch ein letztes Mal an Deck. Seit dem ward sie an Deck für die nächsten beiden Tage nicht mehr gesehen. Auch Florian folgt am Abend ihrem Beispiel. Mit Wärmflasche und 2 Schlafsäcken zugedeckt liegt nun auch er da unten und leidet genauso wie Amanda unter der Seekrankheit. Nur noch gelegentlich, um mir bei einem Manöver zur Hand zu gehen oder nachzusehen was es Neues gibt, krabbelt Florian aus seiner Koje.
Es ist inzwischen trüb geworden, die Wellen haben ca 1,5 m erreicht, wir segeln Amwindkurs und ich musste das erste Reff einbinden, was ich in der Regel ab ca 12bis 15 Knoten Wind tu. Sonst keine besonderen Vorkommnisse in der folgenden Nacht. Gelegentlich lege auch ich mich ein wenig schlafen – das Radar wacht in dieser Zeit über uns und das Steuern hat die Windsteueranlage übernommen seit Florian die Pinne aus der Hand gegeben hat.

Der nächste Tag bleibt trüb und kühl, die Crew seekrank in ihren Kojen, und Fajal für heute auf grund des zu leichten Windes noch unerreichbar fern. Ich versuche mit Grissinis, Tee und einer Suppe meine Crew zum Leben zurück zu holen, aber es hilft nur kurzfristig. So hatten sie sich das nicht vorgestellt. Die nächste Nacht wird nebelig, wir müssen ein wenig kreuzen und auch der nächste Tag bleibt grau.

 

Gäbe es doch ein PAN PAN –Relay

Auf dem Radarschirm, der nun ständig anbleibt, sehen wir ein Signal aus vielen Punkten die eine Linie bilden und die aussehen wie ein SART-Signal. (Für die Nichtwissenden: Ein SART-Signal ist ein von einer Radarbake ausgesandtes eindeutig identifizierbares Notsignal das von Radargeräten im Umkreis von bis zu 8 Seemeilen empfangen werden kann und einen Seenotfall meldet bei dem Menschen in Gefahr sind). Wir rechnen damit jeden Augenblick ein Mayday über Funk zu empfangen, aber das Funkgerät schweigt. Das vermeintliche SART Signal auf dem Radarschirm bleibt. Ich bin etwas verunsichert. Ich habe noch nie ein SART-Signal in der Realität auf dem Schirm gehabt, kenne es nur aus der Theorie und von Bildern. Ist das nun eines oder nicht? Wenn es eines ist, warum kommt sonst kein Signal? Kein Funkspruch, keine Raketen, keinerlei andere Notsignale? Die Sicht ist zu schlecht um eventuell ein Schiff zu erkennen das sich in Not befindet. Ich bin scheinbar die einzige die dieses Signal empfängt. Zumindest bemerken wir keinerlei Reaktion von anderen Schiffen oder Küstenwachen. Was sollen wir jetzt tun? Ich beschließe den Kurs zu ändern und dem Signal zu folgen. Es ist schwierig, denn die Richtung ist nicht eindeutig zu identifizieren und schwankt ständig um einen Bereich von ca 50°. Das Signal sollte sich eigentlich in seiner Form verändern je näher wir kommen. Aber es tut sich nichts. Wir sind auch viel zu langsam, es würde Stunden dauern bis wir dort sind. Und wie viele Menschen in Not könnten wir tatsächlich an Bord nehmen und ggf. medizinisch versorgen? Wenn dort tatsächlich Hilfe gebraucht wird muss das schneller gehen. Sind wir denn tatsächlich die einzigen die dieses Signal empfangen? Schon möglich, uns sind in den letzten beiden Tagen und Nächten kaum Schiffe untergekommen und die Küstenwachstation von Ponta Delgada ist viel zu weit entfernt um das Signal empfangen zu können. Florian und ich sind uns einig dass wir das Signal nicht einfach ignorieren können, was immer es auch ist. Ich beschließe einen Funkspruch abzusetzen. Aber wen soll ich rufen und welches Verfahren soll ich verwenden? Ich bin zu weit von der Küstenwache in Ponta Delgada entfernt um sie per UKW-Funk zu erreichen. Ein Routinegespräch fällt somit aus. Nachdem es sich bei einem SART-Signal um ein Notsignal handelt müsste ich eigentlich ein MAYDAY RELAY senden. Da ich mir nicht 100 % sicher bin ob es sich tatsächlich um ein SART Signal handelt (aber was soll es denn sonst sein?) und ich keinerlei sonstige Informationen habe scheint mir ein MAYDAY RELAY nicht geeignet. (Für die Nichtwissenden: Wenn ein Schiff in Not ein MAYDAY sendet, das ungehört bleibt oder das selbst kein Mayday senden kann, kann ein anderes Schiff ihm helfen in dem es dessen MAYDAY weiterleitet oder anstelle von ihm ein Mayday aussendet. Das nennt man dann ein Mayday Relay).
Im Falle eines echten SART ist es jetzt aber dringend, denn wir empfangen es bereits seit mindestens 30 Minuten. Ich entscheide mich für ein PAN PAN an ALLE STATIONEN und berichte nun auf Kanal 16 was ich auf meinem Radarschirm beobachte. Für einen Moment fühle ich mich besser. Es ist ein scheußliches Gefühl zu glauben dass jemand da draußen in Lebensgefahr ist und untätig zu bleiben. Nun habe ich alles getan was mir möglich war. Aber leider bleibt mein Funkspruch unbeantwortet. Ich gehe davon aus dass ihn niemand empfangen hat. Jetzt bin ich soweit wie zuvor. Zum einen erleichtert, denn ich bin mir noch immer nicht sicher ob es tatsächlich ein SART ist und zum anderen verzweifelt weil ich nicht helfen kann.
Wir sind inzwischen wieder zurückgekehrt auf unseren alten Kurs und haben das Signal nun auch nicht mehr ständig auf dem Schirm, da höre ich am Funk dass ich gerufen werde: CARINA, CARINA, CARINA hier ist …… Es ist die Küstenwache die mich fast 15 Minuten nach meinem Funkspruch zurückruft, mir einen Arbeitskanal durchgibt und nun Details zu meinem PAN PAN erfragt. Das geht nun fast eine Stunde lang, immer wieder kommen Fragen aber leider kann ich nicht mehr berichten als ein Signal, dessen Richtung nicht eindeutig ist und das auch nicht mehr so konstant wie bisher erscheint. Die Küstenwache entschuldigt sich mehrfach das mich schon wieder belästigen muss und bedankt sich für meine Kooperation und bittet mich weiter auf Kanal 16 rufbereit zu bleiben. Was auch immer es war, werde ich nie erfahren. Ich glaube aber inzwischen dass es sich um Störechos anderer Radargeräte gehandelt hat, da ich nichts von einer Rettungsaktion mitbekomme.

Inzwischen sind wir seit 2 Nächten und 2 Tagen unterwegs und meine Crew hat die Seekrankheit fast überstanden. Obwohl wir nahe an der Insel Pico entlang segeln können wir sie nicht sehen. Es sind nur noch wenige Meilen bis nach Fajal, aber sehen können wir auch Fajal nicht. Dann zeigt sich ein wenig von Picos Küste im Nebelgrau und als diese verschwindet sehen wir wenig später Fajal auftauchen. Wir holen die Segel ein und steuern auf die Hafeneinfahrt von Horta zu.


Fajal, Horta – Wiedersehen mit Jim - Porto Pim, Peter Cafe Sport und viel Geschichte

Im Hafen von Horta befindet sich die Marina und einige Schiffe liegen im Schutz des Wellenbrechers vor Anker. Ich kann „Haulback“, Jims Schiff, erkennen und da sehe ich auch schon ein Dingi auf uns zuhalten und darin sitzt Jim. Ist das ist aufregend…, nach 10 Jahren … Ich höre ihn schon Hallo rufen und als er längsseits kommt um uns zu begrüßen kommt mir sein kanadischer Akzent erst einmal sehr fremd vor. Wir hatten uns die ganzen Jahre nur geschrieben aber nie telefoniert und daher auch unsere Stimmen nicht mehr gehört. Wenig später ist der Anker unten und Jim an Bord und alles ist mir so vertraut als wär er nie fort gewesen.

Nachdem die Carina versorgt ist und das Beiboot wieder aufgeblasen ist, sind wir (Florian, Amanda und ich) auch schon unterwegs zu Jim, denn wir sind zum Abendessen bei ihm an Bord eingeladen. Das Einklarieren kann bis morgen warten. Die Azoreaner haben es zum Glück nie eilig.

 Am nächsten Tag melde ich uns im Marinabüro an und durchlaufe wieder den üblichen Einklarierungsprozess, erkläre wieder dass Carinas Heimathafen Passau und nicht Hamburg ist und erfahre dass man hier in Hortas Hafen fürs Ankern 5 € pro Nacht bezahlen muss. Dafür liegt man aber sehr geschützt und darf alle Marinaeinrichtungen benützen und das Beiboot in der Marina parken. Die Duschen haben etwas seltsame Öffnungszeiten (sie schließen über Mittag und abends ab 20:00) und man bezahlt 2 € pro Dusche. Dafür bekommt man ausreichend heißes Wasser, ein Handtuch und eine Seife. Das ist sehr praktisch, denn so muss man nicht dauernd sein Duschzeug mitschleppen, sondern kann ganz spontan auf dem Rückweg von einem Landgang, Spaziergang oder Einkauf noch schnell duschen gehen.

Hortas Hafenmauern sind bunt bemalt von all den Atlantiküberquerern die hier ihren Namen und ein Bildchen hinterlassen haben. Seit dem Bau der Marina 1986, haben 25826 Yachten und 100000 Segler den Hafen von Horta besucht (Stand 2009) was Horta an vierte Stelle der bestbesuchtesten Häfen der Welt bringt. An der Hafenmauer war längst kein Platz mehr für Malereien. Darum hatte man leider all die alten Gemälde einfach überstrichen um Platz für die Neueren zu machen. Aber auch jetzt ist sehr schwierig noch ein freies Plätzchen zu finden und nur noch sehr vereinzelt findet man ein Gemälde das vor 2000 entstand.

 

Porto Pim

Juni 2018 - Traumhafte Azoren - Sao Miguel - Fajal - Pico und Florian sind auf Entdeckungstour durch Horta und über die Insel unterwegs und ich wandere mit Jim hinüber in meine Lieblingsbucht nach Porto Pim, eine beinahe kreisrunde von allen Seiten geschützte Bucht die den alten Stadthafen bildete. Hier legten die mit Gold und Silber beladenen Schiffe aus der Neuen Welt an und Walfangboote brachten bis Mitte 1970 ihren Fang hier an Land um in der Walfabrik zu Tierfutter, und Öl verarbeitet zu werden. Zeitweise lagen bis zu 100 Fregatten hier vor Anker. Umfangreiche Befestigungsanlagen von denen heute nur noch das Hafentor und das Fort Sao Sebastiao erhalten sind sollten den Hafen schützen. Die Walfabrik ist heute ein gut erhaltenes Museum und der lange goldgelbe Strand ein beliebter Badeplatz, das Städtchen beschaulich, die Hafenkneipen gemütlich und der Blick vom Monte Guia auf die Bucht und den dahinter liegenden neuen Hafen von Horta, großartig. Ich liebe diese Bucht und komme fast täglich hier her. Da Jim nun mein ständiger Begleiter ist scheint für mich die Sonne auch an den trüben nebeligen Tagen die wir hier auf Fajal ziemlich häufig haben.

Jim (zum ersten mal in Europa) ist sehr erstaunt über die viele Geschichte die Europa zu bieten hat. Und davon hat Horta auch jede Menge.


Horta - Telegrafenstation und Seehafen für Transatlantikflüge

Drehpunkt von Nachrichten aus aller Welt

Hortas Aufstieg zum Zentrum der telegrafischen Kommunikation leitete die britische Europe & Acores Company mit der Verlegung des ersten Unterwasserkabels von Carcavelos bei Lissabon nach Horta ein. 1893 wurde der Betrieb aufgenommen. Wetterdaten waren die ersten Nachrichten die verschickt wurden. 10 Jahre später verlegt die Deutsch-Atlantische-Telegrafengesellschaft ein Kabel von der Insel Borkum nach Horta, das modernste Kabel der damaligen Zeit, das 500 Wörter pro Minute übertragen konnte. Gleichzeitig siedelte sich die amerikanische Comercial Cable Company an, die ihre Leitungen nach Nova Scotia (Kanada) und bald nach New York verlegten. Weitere Gesellschaften und Kabel folgten und Mitteilungen und Nachrichten aus der ganzen Welt gingen in Horta ein und wurden von hier weitergeleitet.
In den Weltkriegen wurden jedoch einige Kabel gekappt und nach dem 2. Weltkrieg teilweise nicht mehr repariert. Funktechnik und Luftpost hatten den Niedergang der Relaisstation im Atlantik eingeleitet und 1969 verabschiedete sich die letzte Telegrafengesellschaft aus Horta.

 

Zwischenstation für Transatlantikflüge – eine nasse Angelegenheit

Am 22. Mai 1919 startete Albert Reid mit einer 4-motorigen NC4 in der amerikanischen Trepassy Bay zum ersten Transatlantikflug und landetet 20 Stunden später dort wo andere ihren Anker warfen, im Hafen von Horta. 10 Jahre später landete die Dornier Wal (DO-X) mit 70 Passagieren an Bord in Horta, das damals größte Wasserflugzeug der Welt. 1930 tauchte ein Zeppelin am Horizont auf und 1933 landeten 24 Savoia Machetti Flugboote, auf dem Rückflug von der Weltausstellung in Chicago nach Rom, in Horta. Wenige Tage später sollen es auch ein paar Ufos probiert haben, die aber Augenzeugen zufolge (betrunkene amerikanische Walfänger) kurz darauf untergingen.
Ebenfalls 1933 flog Charles Lindbergh im Auftrag der PanAm mit einer Lookheed Sirius den Seehafen von Horta an und erklärte diesen als geeignetsten für Zwischenlandungen im Transatlantikflugverkehr. Doch noch bevor PanAm den ersten Flug starten konnte war die Lufthansa im Hafen von Horta zugegen und der planmäßige Flugverkehr wurde aufgenommen. Bis zum Zweiten Weltkrieg flogen Lufthansa und PanAm 700 mal Fajal an. Über Imperial Airways (heute British Airways) und Air France, die ebenfalls hier zwischenlandeten liegen keine Zahlen vor.
Mit dem Zweiten Weltkrieg war es jedoch mit Hortas Wasserflugära vorbei. Auf der Azoreninsel Santa Maria wurde ein richtiger Flughafen gebaut und der erste Nonstop Flug von Berlin nach New York, 1938 mit dem Landflugzeug Brandenburg, läutete das Ende des Wasserflugära von Horta ein.

Horta, das in diesen Jahren reich geworden war und an Ansehen gewonnen hatte verlor an Bedeutung als Flüge nun direkt möglich waren und auch die Relaisstation nicht mehr gebraucht wurde. Was noch bleib, waren die Walfänger bis in die 70iger Jahre und was kam, waren die ersten Segler.

 

Peter Cafe Sport

Alle, die Telefoner, die Flieger, die Walfänger und die Segler fanden sich in Peters Cafe zu einem Gin und vielen spannenden Geschichten ein. Peter, der eigentlich gar nicht Peter sondern Jose heißt ist der Sohn von Henrique Azevedo, der 1918 das Cafe gründete. Während des Zweiten Weltkriegs fragte ein englischer Kapitän ob er Jose Peter nennen dürfte, weil er ihn so sehr an seinen Sohn erinnere. Und so wurde aus Jose (der 2005 verstarb) Peter. Und auch Joses, alias Peter, Sohn Jose Henrique der heute das Cafe betreibt hat diesen Namen übernommen und ist allgemein als Peter bekannt.
Die Kneipe ist noch heute Treffpunkt der Atlantiküberquerer und wird auch gerne von Touristen besucht auf der Suche nach dem Hauch der großen weiten Welt. Man kann immer noch wie damals seine Post dort hin senden lassen und bekommt jede Art von Unerstützung und Infos die man als Segler gut gebrauchen kann. Daran ändert auch das inzwischen angeschlossenen Souvenirgeschäft (in dem man sich traditionsgemäß ein Peter Sport T-Shirt kauft) und das Restaurant, das Scrimshaw-Museum (enthält eine einzigartige Sammlung von Walzähnen die mit kunstvollen filigranen Motiven der Insel und der Seefahrt graviert sind) und das große Ausflugsprogramm nichts. Sogar die Strasse trägt Peters Namen. Trotz allem ist es immer noch eine nette kleine Kneipe mit Atmosphäre in die man einfach gerne geht und so endet fast jeder Ausflug mit einem Kaffee (einem portugiesischen Galao) in Peters Cafe in dem Flaggen und Souvenirs der Atlantiküberquerer die Wände und Decken schmücken.

 
Pico bei Vollmond

Eine ganze Woche liegen wir nun schon im Hafen von Horta vor Anker und es ist allerhöchste Zeit endlich mal wieder die Segel zu setzen, auch wenn ich es durchaus noch viel länger hier ausgehalten hätte. Heute, Sonntag ist herrliches Sonnenwetter und ein schöner Segelwind aus Süd, also beste Bedingungen um aufzubrechen. Unser heutiges Ziel ist die Insel Pico deren gleichnamiger Vulkan mit 2351 m der höchste Berg Portugals ist. Da aber unser Zielhafen, Madalena, Horta direkt gegenüberliegt und nur 5 Seemeilen entfernt ist würde eine direkte Überfahrt nur eine Stunde dauern. Deshalb segeln wir noch einige Zeit Richtung Westen an Fajal entlang, vorbei am zur See hin offenen Krater des Monte Guia, bewundern all die Höhlen die das Meer aus der Steilküste gespült hat und genießen es einfach wieder unterwegs zu sein. Florian und Amanda haben endlich Gelegenheit zu steuern, zu segeln, Manöver zu fahren, denn diesmal werden sie NICHT seekrank.

Am Spätnachmittag fällt der Anker in 5m über Sand im Hafenbecken von Madalena, dem winzigen Hafen der Insel Pico. Wir sind das einzige Segelschiff. Fast stündlich kommt und geht die Inselfähre, ein kleines Containerschiff liegt an der Hafenmauer und im winzigen Fischerhafen liegen ein paar Walbeobachtungsboote am Steg. Das Wasser ist kristallklar. Von der Carina aus können wir badende Jugendliche im Naturschwimmbecken beobachten und haben freie Sicht auf das kleine Städtchen hinter dem sich mächtig der Pico erhebt, Es kommt nicht oft vor dass man seinen Gipfel sehen kann, der meist in den Wolken steckt.
Wir machen einen ausgedehnten Spaziergang im hübschen Städtchen und an der Küste entlang und sehen den Vollmond über dem Pico aufgehen. Es ist einfach traumhaft schön. Als wir später wieder an Bord sind sitze ich noch lange im Cockpit, bewundere den Vollmond und den Pico und genieße die Stille hier im Hafen.


Da der Wind am nächsten Abend auffrischen und auf West drehen wird, können wir leider nicht in Madalena bleiben, da wären wir zu ungeschützt, da der Hafen nach Westen offen ist. Deshalb segeln wir am nächsten Morgen weiter, 20 Seemeilen, zur Insel Sao Jorge in den Hafen von Velas der aus allen Richtungen Schutz bietet, außer Südost. Um auf Nummer Sicher zu gehen, gehen wir in die winzige Marina von Velas.


Auf Sao Jorge verlässt mich dann auch meine Crew nach 3 Wochen an Bord. Es war schön Amanda und Florian an Bord zu haben und wie immer bin ich ein wenig traurig darüber dass sie nun abreisen. Trotzdem ist es diesmal anders, ich fühle mich nicht so verlassen und allein wie sonst wenn Crew abmustert. Jim ist inzwischen aus Horta angekommen wo er noch 2 Tage länger als wir bleiben musste um auf ein Päckchen aus Deutschland zu warten.

Wenn ihr diesen Bericht über die ersten 3 Wochen auf den Azoren zu lesen bekommt sind wir bereits seit 6 Wochen auf den Azoren. Was wir noch so alles in Velas und auf der Insel Sao Jorge und all den anderen Inseln erlebt haben, darüber berichte ich das nächste Mal, denn es gefällt uns so gut auf den Azoren dass wir unseren Aufenthalt auf den Azoren noch um einige Wochen verlängern werden. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Es gibt also noch viel zu erzählen und Bilder habe ich auch noch jede Menge für Euch.

Bis zum nächsten Bericht grüßen Erika und Jim aktuell (14.07.2016) von der Insel Terceira

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