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Carina's Logbuch

Oktober/November 2017
 
Der magische Fluss_Boatbuilders-Blues_Außenborder sind nicht meine Freunde_Am Ende der Welt trifft sich die Welt
 

 

Der magische Fluss

 

Samstag 02.12.2017

Nebelschwaden schweben über dem Wasser aus denen gespenstisch Schiffsrümpfe und Masten ragen hinter denen sich von der Sonne angestrahlte Hügel erheben die das Flussufer säumen. Ein Graureiher steht am Ufer und späht nach seinem Fischfrühstück, die Morgensonne sendet erste wärmende Strahlen. Gott sei Dank, denn die Nacht war wieder mal sehr kalt. Im Schiff hatte es morgens beim Aufstehen nur noch 10 Grad, also muss es draußen noch um einiges kälter gewesen sein. Gut dass ich eine Dieselheizung habe die ich morgens und abends laufen lasse so dass es im Schiff kuschelig warm ist. Leider macht der Ventilator dieser Heizung ziemlich viel Lärm (irgendwas war letztes Jahr auf den Azoren an dieser Heizung kaputt gegangen) und jetzt stört er die herrliche Ruhe dieses Flusses. Ich werde die Heizung bald abschalten können, denn tagsüber wird es doch wieder angenehm warm und ich kann die Stille und die mich umgebende Natur genießen. Er hat mich wieder in seinen Bann gezogen dieser magische Fluss. Ich bin wieder mal zurückgekehrt an den Rio Guadiana, den Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien.

Warum bin ich hier und nicht mitten im Atlantik auf dem Weg in den Pazifik, wie geplant?

Am Besten ich beginne ganz von vorne:

 

Werften haben etwas sehr Anhaftendes an sich, speziell für mich und meine Carina

Nach fast einem Jahr in Deutschland in dem ich wieder in meiner alten Firma mit meinen alten (Alten und Jungen) Kollegen arbeiten durfte um noch ein (hoffentlich) letztes Mal Geld zu verdienen, das mich nun über die nächste 4 Jahre bringen soll bis ich endlich Rente beziehen kann, bin ich Ende September 2017 zurückgekehrt auf meine Carina.

Die Carina hatte ich für die Zeit in Deutschland in einer Werft geparkt (der Marina Guadiana Seca), an der Mündung des Rio Guadiana, im portugiesischen Ort ‚Vila Real de Santo Antonio’.

Freudig und voller Tatendrang kam ich also zurück auf mein Schiff, das ich in bestem Zustand vorfand. Die Werftleute hatten Wort gehalten und gut auf meine Carina acht gegeben. Trotzdem dauert es immer ein paar Tage bis der Staub eines Jahres weggeputzt und das Schiff wieder in angenehm bewohnbaren Zustand zurückversetzt ist. Denn während meiner Abwesenheit wurde natürlich alles geschützt im inneren des Schiffes verstaut was sonst auf Deck seinen Platz hat (vom Segel bis zum Außenborder) und Betten, Kissen, Teppiche müssen erst wieder hervorgekramt werden. Auch der Kühlschrank ist leer und der Weg in die Stadt zum nächsten Supermarkt ist weit. Mein Klappfahrrad ist noch irgendwo auf dem Weg von Deutschland nach Portugal, denn das hatte ich in eine Kiste gepackt und vor meiner Abreise per Post losgeschickt.

Nicht nur auf das Fahrrad warte ich nun (wir haben gerade einen Zeitsprung zurück in den September gemacht), sondern auf eine ganze Reihe andere Pakete, die ich während meines Deutschlandaufenthaltes schon bestellt hatte um die Carina zu komplettieren. Da wär z.B. eine Rettungsinsel, eine Kurzwellenfunkanlage, neue Batterien, für den Kühlschrank der seit Mai den Dienst verweigert ein Kompressor und ein Kielkühler (eine Frigaboat- Anlage) bei der das kühlende Gas nach außen an den Schiffsrumpf geleitet und vom Seewasser gekühlt wird, eine Kiste mit jeder Menge Zubehör zur Installation des neuen „Spectra Ventura 150“ Wasserentsalzers, der mit minimalem Stromverbrauch aus Seewasser 24 l Trinkwasser pro Stunde erzeugt, Farbe um das Schiff zu streichen und … und … Ihr seht also ich habe mir viel Arbeit vorgenommen bevor die Weiterreise beginnen kann. Also 4 Wochen Arbeit in der Werft hatte ich schon dafür eingeplant.

In der folgenden Woche kommen dann auch einige Pakete. Die Firma Shipshop hat den Frigaboat (für den Kühlschrank) geliefert, SOStechnik die Rettungsinsel, SVB die Zubehörkiste und der Postbote bringt einen Brief für mich. ??? Alles auf portugiesisch! Daniel, der portugiesische Werftarbeiter der englisch spricht, übersetzt für mich. Ich muss zur Post gehen, dort wartet ein weiteres Paket auf mich. Verwundert mach ich mich auf den Weg. Wenn das die Batterien sind kann ich die unmöglich dort abholen, denn die Post liegt mitten in der Fußgängerzone. Auch die Funkanlage wäre zu groß und zu schwer um sie zu Fuß nach Hause zu bringen. Als der Postbeamte die große Kiste aus dem Hinterzimmer holt und besorgt fragt ob ich alleine bin kann ich ihn beruhigen. Ich habe die Kiste sofort erkannt, da selbst gepackt. Ja ich bin allein, aber das ist kein Problem, ich pack die einfach gleich hier aus und radle damit nach Hause. Der Postbeamte entsorgt die Verpackung und ich bin ab sofort mit meinem Klappfahrrad wieder etwas mobiler.

An Bord gehen die Arbeiten gut voran. Ich habe jede Menge Löcher in den Rumpf gebohrt (für den Wassermacher, die Cockpitdusche, den Kielkühler des Kühlschranks), ein paar Regale im Schiff unterteilt, das neue Kühlaggregat installiert, den Wassermacher an seinen vorgesehenen Platz montiert. Na ja fast – ein paar Schrauben mit denen die schwere Membrane des Wassermachers an der Wand befestigt wird muss ich noch festziehen. Aber irgendwie wollen die nicht auf der anderen Seite des Bohrloches rausschauen. Ich schraube … und schraube … nix. Zum Glück sind grad Horst und Lisa angekommen, die Ihre Segelyacht „Hidout“ auch hier in der Werft für ein Jahr an Land stellen. Horst wirft einen prüfenden Blick auf meine Arbeit und stellt fest: ‚die Schrauben sind zu kurz’. „Kann nicht sein – alle 6 Schrauben sind gleich lang und 2 davon habe ich ja auch bereits erfolgreich verschraubt“ Ich gehe jede Wette ein, sogar das Liebste dass ich besitze verwette ich. … Horst hat Recht behalten. Die Membran ist nun fest verschraubt und Horst ist im Besitz von 2 Segelschiffen. Ich werde morgen meine Carina gegen einen Schwanenhals und eine Straßenkarte zurücktauschen.

 

Boatbuilders-Blues

(Für die Nichtwissenden: Als Boatbuilders Blues bezeichnet man die Stimmung in der man sich befindet wenn gar nichts so läuft wie es soll und man schier am Verzweifeln ist)

Noch geht mir die Arbeit nicht aus, sind ja noch die Batterien auszutauschen, die Kurzwellenanlage einzubauen, eine neue Sprayhood zu nähen, das Antifouling neu zu streichen (ach so – für die Nichtwissenden: eine Sprayhood ist eine Art Schutzkappe aus Persenningstoff über dem Niedergang (=Eingang ins Schiff) hinter der man sich vor dem über das Schiff kommende Wasser in Form von Wellen oder nur Gischt (Spray) verstecken kann und Antifouling ist ein Farbanstrich für den Schiffsteil der immer unter Wasser ist um das Ansetzen von Muscheln zu verhindern. Wer meine Berichte bisher verfolgt hat erinnert sich vielleicht an die Antifoulinggeschichte von 2015 und den „Schlumpf von Concarneau“ – nachzulesen auf meiner Homepage www.unter-weissen-segeln.de).

Aber wo bleiben eigentlich die Pakete mit den Batterien und die Funkanlage? Die Funkanlage hätte ja bereits vor 3 Wochen hier sein sollen, denn vereinbarter Liefertermin war Mitte September und die Batterien müssten auch längst da sein.

Ich schreib mal ein Mail an Jörg Winkl von „yachtbatterie.com“ der doch immer so zuverlässig ist und frag mal wann die Batterien denn verschickt werden. Die erstaunte Antwort lautet: „Die sind doch längst da“ und im Anhang finde ich eine Lieferbestätigung. Die Batterien stehen seit über einer Woche irgendwo in Faro bei einer Spedition und wissen nicht wohin sie geliefert werden sollen. Irgendjemand hat die Anlieferadresse falsch auf das Paket geklebt (unvollständige PLZ, nur mein Name und nicht der der Werft) und nun weiß niemand wo das sein soll. Jörg Winkl kümmert sich zum Glück sofort darum und eine Woche später erscheinen auch die beiden neuen 150 Ah Batterien in der Werft.

Bei der Funkanlage, die ich bereits im August bei Jörg Drexhagen von „yachtfunk.com“ bestellt und bezahlt habe und zu der mir der Liefertermin Mitte September zugesagt wurde, stellt sich heraus dass die noch gar nicht versandt wurde. Unglaublich! Es geht bereits auf Ende Oktober zu. Kein Wort der Entschuldigung auf meine Nachfrage, nur eine knappe Mail mit den Worten, die Anlage würde am Freitag verschickt werden und mir eine Trackingnummer übermittelt. Das würde bedeuten noch weitere 7 bis 9 Tage warten, denn solange dauert ein Paket von Deutschland nach Portugal. Da wollte ich bereits im Wasser und auf und davon sein.

Animiert von meinen neuen Nachbarn, Horst und Lisa, die fleißig Segel waschen, trocknen und verstauen packe ich auch meine Segel aus um sie anzuschlagen. Oh Schreck … warum hatte ich das letzten Herbst nicht gesehen als ich die Segel weggepackt habe! Die Genua (=das vordere Segel) hat einen kleinen Riss und bei näherer Betrachtung finde ich dass das Segeltuch im Allgemeinen schon etwas gestresst ausschaut. Ich befürchte dass mich dieses Segel nicht mehr heil über den Atlantik und in den Pazifik bringt. Ein neues Segel muss her.

Das war nicht eingeplant. Was dass wohl kosten wird, und vor allem wie lange das nun dauert bis so ein Segel fertig ist. Ich schreibe an 2 Segelmacher hier an der Algarve eine Anfrage und warte, denn es ist inzwischen Wochenende.

Ich bin ziemlich verzweifelt, frustriert. Diese Warterei … und die beste Segelzeit des Jahres läuft mir davon, denn Ozeane kann man nicht zu jeder beliebigen Zeit des Jahres überqueren. Da ist man vom Wetter abhängig und somit auch von den Jahreszeiten.

Ich warte… aber am Freitag kam keine E-Mail von yachtfunk.com und keine versprochene Trackingnummer.

Montag Vormittag. Ich rufe Jörg Drexhagen an und frage nach meiner Funkanlage. Ja ja, die sei unterwegs, versichert er mir. Wann er die denn versandt hätte? Da muss er erst mal überlegen – ach ja am Samstag. Und warum habe ich keine Trackingnummer erhalten? Ach die habe er vergessen und jetzt sei er unterwegs auf Installationen. Er würde nächsten Samstag nachschauen wo er den Portozettel hingelegt hat. Und da soll man nicht die Krise kriegen?? Oder wie wir es nennen – Boatbuilders Blues im fortgeschrittenen Stadium.

Zum Glück meldet sich am Montag einer der Segelmacher. Er könne zwar in so kurzer Zeit kein Segel fertigen, aber er fragt mal bei seinem Partner. Wenige Tage später erscheint der Segelmacher auf der Carina um Maß zu nehmen und verspricht dass das Segel in 2-3 Wochen fertig sein wird. Das beschädigte alte Segel und alle anderen Segel gebe ich ihm zur Inspektion und Reparatur mit. Die verspricht er nach einer Woche bereits fertig zu haben so dass ich schon mal ein wenig an der Küste segeln kann bis das neue Segel fertig ist. Denn bis dahin muss ja auch die Funkanlage eingetroffen sein. So zumindest die Aussage des Jörg Drexhagen.

Wieder ist eine Woche vergangen und die Carina ist zur Nähstube mutiert (ich nähe an der neuen Sprayhood) denn alle anderen großen Arbeiten sind soweit fertig, außer der Installation der Funkanlage die immer noch nicht da ist.

Wieder ist ein Wochenende vergangen und weder Funkanlage noch Trackingnummer sind bei mir angekommen. Gar kein Lebenszeichen von diesem Drex….

Allmählich dämmert es mir dass ich hier wohl einem echten Betrüger auf den Leim gegangen bin. Ich schreibe wieder mal ein Mail dass ich ihm kein Wort mehr glaube und noch heute eine Trackingnummer oder morgen die Anlage erwarte, andernfalls würde ich das einem Anwalt übergeben. Die Antwort lautet, das Paket sei ja unterwegs und mein Ton würde ihm gar nicht gefallen. Ich solle doch verstehen, dass er so viel unterwegs sei und deshalb keine Trackingnummer für mich zur Hand habe.

Jetzt ists aber genug gelogen lieber Jörg Drexhagen!! Erst die Androhung diese Geschichte in den Medien, speziell denen für Segler, zu veröffentlichen macht dem Kerl Beine. Am nächsten Tag erhalte ich eine Stornierung meines Auftrags mit der Begründung mein Ton würde ihm nicht gefallen und zum Glück erhalte ich auch am nächsten Tag mein Geld zurück. Er schreibt ich müsste mich auch um gar nichts kümmern, denn in meiner Marina wären zahlreiche Kunden von ihm und das Paket mit der Funkanlage würde von einem dieser Kunden in meiner Marina abgeholt und zurückgeschickt.

Hahaha, das muss man ihm lassen, Fantasie hat der Kerl. Ich bin in einer Werft und keiner Marina. Hier gibt es außer mir nur eine 74 jährige Neuseeländerin deren Kurzwellenanlage älter ist als besagter Herr und noch ein paar wenige seetaugliche Schiffe ohne Funkanlage sowie jede Menge nicht mehr schwimmfähige Wracks. Macht aber nichts, denn ein vermeintliches nie versandtes Paket braucht ja auch nicht von zahlreichen vermeintlichen Kunden abgeholt werden. Dieses Geschichte hätten wir nun (Ende Oktober) endlich abgeschlossen.

Für mich beginnt aber nun eine neue Geschichte, denn jetzt beginnt die Suche und Bestellung einer Funkanlage von Neuem. Ich habe mich inzwischen wieder zu meiner ersten Wahl zurückbesonnen, denn nach nochmals eingehender Betrachtung stelle ich fest dass die Anlage die er mir aufgeschwatzt hatte gar nicht das ist was ich wirklich wollte und dass er Apothekerpreise für alles hatte.

Eine österreichische Firma antwortet sofort auf meine Anfrage und bemüht sich das gewünschte Funkgerät und den Tuner für mich zu bestellen. Leider bekomme ich die Antwort dass Icom erst in 6 Wochen liefern kann. Das ist viel zu spät. Ich finde einen Lieferanten in Lissabon und siehe da, 3 Tage später sind Funkgerät und Tuner bei mir eingetroffen. Für die Erde (das Gegenstück zur Antenne, die aus einem isolierten Achtertstag besteht (= das hintere Drahtseil dass den Mast hält) habe ich mich für das „KISS“ entschieden das ich aber aus Amerika bestellen muss. (Was ein KISS ist könnt ihr auf www.ssb-kiss.com nachlesen)

Ein kurzes Email an den Hersteller und noch am selben Tag war mein KISS aus Kalifornien unterwegs. 7 Tage später erreichte es Lissabon. Das war am 4. November. Dort liegt es heute (02.12) noch, denn der portugiesische Zoll schreibt seine eigene Geschichte.

 

Der ganz normale Wahnsinn – oder: Portugiesischer Zoll

Am 09. November erhalte ich einen Brief vom portugiesischen Zoll (natürlich in Portugiesisch) in dem man mir mitteilt dass mein Paket aus Amerika, mit dem sehnlichst erwarteten KISS, vom Zoll zurückbehalten wird. Sie wollen von mir meine Steuernummer, einen Nachweis dass ich die Ware inkl. Versand bezahlt habe und einen Screenshot von der Website über die ich bestellt habe. Weder Rechnung noch Website kann ich bieten, da die Bestellung per Email und die Bezahlung per Kreditkarte erfolgt ist. Ein Anruf beim Zoll um den Sachverhalt zu erklären dauert 15 Minuten, führt aber zu nichts. Also schnell ein E-Mail an Carl Nichols, den Hersteller des Kiss mit der Bitte um Hilfe. Umgehend erhalte ich alle benötigten Dokumente von ihm und schicke diese wie vom Zoll gefordert an die angegebene E-Mail Adresse. Am nächsten Tag erhalte ich vom Zoll eine Ticketnummer und die Aufforderung einen Screenshot der Website und einen Zahlungsbeleg zu senden. Das hatte ich doch gerade getan, na gut dann eben noch mal, worauf ich 2 Tage später eine neue Ticketnummer von einem anderen Mitarbeiter erhalte mit der Aufforderung die (bereits eingereichten) Dokumente zu senden. Grrroooaaaarrrr!! Dieses Spielchen spielen wir nun seit 2 Wochen. Die Liste der Mitarbeiter und Ticketnummern wird länger und länger und ich kann meine Installation der Funkanlage nicht fertig stellen. Es ist zum wahnsinnig werden. Wenigstens hat der Segelmacher geschrieben dass mein neues Segel fertig sei und heute abend ankommt. Morgen (Dienstag) wird er es mir bringen.

Ich fasse einen Entschluss. Ich muss endlich aus der Werft raus, Kiss oder nicht. Ich kann auch auf dem Wasser auf das Teil warten und es installieren wenn das Schiff bereits schwimmt. Ich buche den Kran für Mittwoch mittag, gehe einkaufen, verstaue das alte Segel, denn morgen kommt ja das Neue und streiche eine letzte Lage Antifouling.

Statt einem neuen Segel erhalte ich am Dienstag einen Anruf, es täte Ihnen furchtbar leid, aber mein Segel wurde vom „Zoll“ zurückgehalten. N E I N !! Das ist zuviel. Boatbuilders Blues im Endstadium! Jetzt kann ich meine Tränen wirklich nicht mehr zurückhalten. Heulend grabe ich das alte Segel wieder aus und schlage es an, denn ohne Segel wollte ich nicht ins Wasser. Nur auf den Motor zu vertrauen das scheint mir zu riskant, auch wenn er mich noch nie in Stich gelassen hat.

Ich bin inzwischen so durch den Wind mit all dem Ärger und Geheule dass ich ganz vergesse dass ich alle Fallenaustritte (das sind die Löcher im Mast aus denen die Seile rauskommen mit denen man Segel hochzieht) letztes Jahr mit Tape abgeklebt hatte um zu verhindern dass Wasser in den Mast und somit ins Schiff eindringt. Und genau dieses Tape wird mir nun zum Verhängnis. Das Segel ist halb oben als sich das Tape im Fallenaustritt verklemmt und nichts mehr vorwärts oder rückwärts geht. Dummerweise befindet sich dieser Fallenaustritt ganz oben am Masttop (also an der oberen Mastspitze). Ich fühle mich heute nicht mehr fit genug um alleine in den Mast zu klettern und suche deshalb nach Daniel. Ja klar hilft er, morgen früh! Zum Glück kann ich ihn überzeugen dass das jetzt gleich sein muss. Das wär geschafft. Ich hab es eilig. In einer halben Stunde wird es dunkel. Das Segel ist nun oben, aber irgendetwas stimmt nicht. Es lässt sich nicht aufrollen. Irgendetwas hab ich falsch gemacht aber ich komme nicht drauf was falsch ist. Wieder muss ich um Hilfe bitten. Es ist höchste Eisenbahn, denn die Werft schließt gerade. Es ist soooo peinlich! Da erzählte ich doch noch heute dass ich alleine in den Pazifik segeln werde und bin nun zu dämlich ein Segel anzuschlagen. Und wieder rollen die Tränen. Weil Männer keine Frauen weinen sehen können, kommen Daniel und der Chef persönlich an Bord und lösen mein Problem. Gott sei Dank. Es ist schon längst dunkel und sehr spät bis ich endlich das verbreitete Chaos auf dem Schiff wieder im Griff habe.

 

Delfine, Sonnenuntergänge und Füchse

Zum Glück gibt es nicht nur Arbeit, Ärger und Chaos in meinem Werft-Leben. Es gibt auch schöne Momente. Von meinem Schiff aus kann ich auf den Fluss blicken und die Fischerboote kommen und gehen sehen. Eines Tages fällt mein Blick auf eine seltsame Bewegung auf dem Wasser. Ich gehe vor ans Ufer um das genauer zu betrachten. Eine Schule Delfine schwimmt den Fluss hinauf, direkt vor meiner Nase. Das habe ich noch nie gesehen. Ich wusste gar nicht dass Delfine auch in Flüsse schwimmen. 2 Stunden später kommen die 9 Delfine wieder zurück und zahlreiche Menschen stehen staunend an der Promenade und beobachten das fröhliche Spiel der Delfine die wieder Richtung Meer ziehen.

Abends, nach getaner Arbeit, gönne ich mir immer einen ausgedehnten Spaziergang. Meistens wandere ich den 2 km langen Wellenbrecher am Fluss entlang, vor zum endlosen Sandstrand. Von hier aus kann ich Richtung Faro blicken und beobachten wie die Sonne rotgülden im Meer versinkt. Das herrliche Farbspiel malt nicht nur den Himmel bunt sondern taucht auch die vielen Gezeitentümpel in den Dünen in goldenes Licht in dem sich die stolz durchs Wasser watenden Reiher spiegeln.

Bis ich den Rückweg antrete ist die Dämmerung bereits weit fortgeschritten. Das ist die Zeit der Füchse! Da kommen Sie aus ihrem Bau, denn überall unterm Wellenbrecher findet man Fuchsbauten. Oft sitze ich noch auf einem Steinbrocken und schaue verträumt zu wie im gegenüberliegenden Ayamonte die Lichter angehen und bemerke oft gar nicht dass sich neben mir ein Fuchs niedergelassen hat. So sitzen wir lange nebeneinander und wenn ich aufstehe um weiter zu gehen folgt mir der Fuchs. Insgesamt leben zur Zeit 9 Füchse hier am Wellenbrecher. An einem Abend bin ich gleich 6 von Ihnen begegnet. Erstaunlicherweise sind diese Füchse gar nicht scheu. Sie stören sich weder an den Fischern noch an den Spaziergängern. Ein Fuchs hatte letztens ein Auto gestoppt. Er hat sich bewusst mitten in den Weg gestellt so dass das Auto anhalten musste. Leider war es das falsche Auto. Denn die Füchse warten jeden Abend auf einen Herrn, der mit seinem Auto den Wellenbrecher auf und ab fährt und nach den Füchsen Ausschau hält. Wenn er sie ruft kommen sie und einige fressen ihm sogar aus der Hand.

 

Wir schwimmen! - oder sinken wir bald?

Es ist Mittwoch der 15. November und ich bin ganz schön aufgeregt. Das bin ich immer wenn der Kran kommt. Aber diesmal ganz besonders. Wird das Kranen gut gehen? Die Carina nicht beschädigt? Denn hier fährt der Kran auf einem Slip ins Wasser, so weit er kann und setzt dann das Schiff ab. Mit einer Seilwinde wird der Bug in Position gehalten bis das Schiff ordentlich an der Mauer vertäut ist und der Kran wieder zurück fährt. Dabei verhakt er sich meistens im Rigg des nun im Seegag schaukelnden Schiffs und man muss überall gleichzeitig sein um Schlimmeres zu verhindern. Am meisten aufgeregt bin ich jedoch wegen den vielen Löchern die ich in den Rumpf gebohrt habe. Hoffentlich sind die Borddurchlässe auch dicht. Es ist das erste Mal das ich so was selbst gemacht habe. Wird der Motor problemlos starten? Habe ich das Getriebe richten können? so dass die Schiffsschraube im ausgekuppelten Zustand nicht mehr dreht (das hat sie nämlich bis vor Kurzem noch). Ist der Kühlkreislauf wieder dicht nachdem ich eine Anode mit viel Stress ausgetauscht hatte? 1000 Sorgen und Fragen. Ich bleibe noch eine Weile an der Mauer um all das zu überprüfen um im schlimmsten Fall schnell wieder ausgekrant zu werden. Aber alles scheint in Ordnung. Um 13:00 löse ich die Leinen und mach mich auf den Weg nach Alcoutim, 25 Seemeilen (das sind gute 40 km) den Fluss hinauf.

Juhuuu! Wir schwimmen und aller Ärger der vergangenen Wochen ist schlagartig vergessen. Der Diesel blubbert fröhlich vor sich hin und ich genieße den wunderschönen Tag und die paradiesische Ruhe im Fluss. Ich werfe wieder mal einen Blick übers Heck und bekomme einen ordentlichen Schreck. So tief im Wasser war das Heck noch nie! Sind meine neuen Löcher vielleicht doch nicht dicht und das Schiff läuft gerade voll? Schnellcheck: Beide neuen Löcher sind dicht. Panisch räume ich die Backskiste aus (das ist sozusagen mein Keller, der Teil unter dem Cockpit der als Stauraum für alles mögliche dient). Dort befinden sich noch 2 große Borddurchlässe für die Cockpitdrainage. Die wurden zwar bereits vor 2 Jahren erneuert aber wenn die undicht sind werden wir in kürzester Zeit sinken.

Uff – alles dicht. Gott sei Dank. Scheinbar habe ich so viel neues Zeug ins Schiff gebaut dass es nun so schwer geworden ist und bedeutend tiefer im Wasser liegt. Erst viel später wird mir bewusst dass es daran liegt, dass wir mit voller Kraft unter Motor fahren wobei sich der Bug hebt und das Heck tiefer einsinkt. Als ich das Boot aufstoppe liegt es wieder ganz normal wie gewohnt im Wasser. Sorgenfrei kann die Fahrt nun weitergehen und je näher wir Alcoutim kommen um so mehr verbreitet sich in mir ein Gefühl des „nach Hause kommens“. Da kann ich schon das Castell von Sanlucar über die Hügel ragen sehen und nach der nächsten Kurve zeigt sich auch Alcoutim.

Der Anker fällt – das Telefon läutet. Es ist der Segelmacher. Er hat gerade das neue Segel aus den Klauen des Zolls befreit und wird in 30 Min in Vila Real sein um es mir zu bringen. Ich fall gleich in Ohnmacht – vor 5 Stunden habe ich Vila Real verlassen.

Den Segelmacher stört das nicht. Dann bringt er es eben jetzt nach Alcoutim. Nein, das geht auch nicht. Es wird bald dunkel und ich habe das Beiboot noch gar nicht flott gemacht um den Segelmacher an Bord zu holen. Wir vereinbaren dass er es morgen bringt, nicht zu früh, damit ich das Beiboot morgens aufblasen und startklar machen kann, denn heute habe ich wirklich keine Lust mehr.

Ich setze mich mit meinem Abendessen ins Cockpit mit Blick auf Sanlucar in Spanien und Alcoutim in Portugal und genieße es einfach wieder hier zu sein.

 

Zufallsbegegnungen – Ein Konzert - und Außenborder sind wirklich nicht meine Freunde

Ein sonniger warmer Donnerstag morgen. Carina wiegt sich sanft im Fluß. Frühstück im Cockpit, Beiboot aufblasen, Außenborder dranhängen – das Telefon läutet – der Segelmacher – perfektes Timing. Ich steige ins Beiboot um den Segelmacher abzuholen. Hoffentlich bekomme ich den Außenborder zum Laufen, denn das hat er nun seit 15 Monaten nicht mehr getan. Ich staune! Beim 3. mal ziehen springt er an. Der Steg ist nicht weit, ca 3 Min Fahrzeit von der Carina die wieder mal genau in der Mitte des Flusses auf ihrem alten Stammplatz ankert. Da sehe ich auch schon Duarte den Segelmacher. Aber er ist nicht alleine. Er hat Caius seinen Lehrling mitgebracht. 2 Mann, ein Segel, eine Rolle Klarsichtfenster und ich, das ist zu viel für mein kleines Beiboot. Also muss Caius am Steg warten und wird erst mit der zweiten Fuhre an Bord gebracht. Beide sind bester Laune und freuen sich im schönen Alcoutim auf dem Wasser sein zu können. Sie holen die alte Genua runter, schlagen die neue an und sitzen dann noch eine Weile bei einer Cola bei mir im Cockpit auf einen Plausch. Ich erzähle Duarte von meiner Zollgeschichte mit dem KISS, das ich immer noch nicht habe, und dass sie mir nun wieder den selben Brief geschrieben haben den ich bereits zu Beginn erhalten habe und nun die Geschichte wieder von vorne beginnt. Da bietet er mir sofort seine Hilfe an denn er glaubt als Portugiese hätte er bessere Chancen das Teil frei zu kriegen.

Ich bringe die Beiden zurück an Land und beschließe einen Spaziergang zu machen. Weit komme ich nicht, da stellt sich der Hunger ein und auf dem Dorfplatz treffe ich wieder auf meine Segelmacher. Sie hatten festgestellt dass Sie vergessen hatten zu Essen und so bin ich nun eingeladen mit den Beiden in der kleinen Dorftaverne zu Mittag zu essen. Ich habe Lammkotelett – mmmhhh.

Am Steg treffe ich alte Bekannte aus den Jahren 2015 und 2016 als ich schon mal hier war und die „Große Carina“ (die Namensschwester meiner kleinen Carina) wechselt gerade von der portugiesischen auf die spanische Seite.

Am nächsten Tag rolle ich das neue Segel aus und wieder ein, hole das Großsegel raus und justiere den Winkel zwischen Baum und Mast damit ich später beim Segeln keinen Stress habe. Dieses Segel wird nämlich in den Baum gerollt und da es Latten hat müssen die exakt parallel laufen. Daher ist der genaue Winkel von größter Bedeutung. Anders bekommt man das Segel sonst da nicht rein.

Dann pack ich meine Schmutzwäsche ein und fahre an Land um sie dort in die Waschmaschine zu stecken. Irgendwie hab ich heute meine Schwierigkeiten mit dem Außenborder, knall mir ein paar Mal den Griff des Seilzugs mit voller Wucht auf den Arm, wenn er mir wieder und wieder aus der Hand rutscht (aua, das tut weh) aber er springt an.

Am Steg erzählen mir Segler dass Roy und Alina (ebenfalls Segler) heute Abend ein Konzert in der Bibliothek geben. Das werde ich mir anhören. Ich steck die zweite Ladung Wäsche in die Maschine, pack die saubere ein und motore zurück zur Carina um diese aufzuhängen und sehe ich habe eine Nachricht erhalten – von Roland.

Roland hatte 2015 bei mir als Crew angeheuert, aber nachdem der Werftaufenthalt in Concarneau sich ungewollt um 6 Wochen verlängert hatte (siehe Bericht „tout le monde et en vacances en Aout“) wurde daraus leider nichts. Trotzdem hat er stets meine Reiseberichte verfolgt. Jetzt schreibt er, animiert von meinem Bericht über den Rio Guadiana vom Winter 2015, hat er beschlossen den Rio Guadiana mit dem Fahrrad zu erkunden und nun sitzt er gerade in einem Cafe in Alcoutim in der Sonne. Na so was, da bin ich ja grad an ihm vorbeigelaufen, denn Alcoutim ist winzig. Ich schreib zurück: „Bin gleich da!“ und klettere zurück ins Beiboot. Nachdem ich ja immer so meine Kämpfe mit dem Starten von Außenbordern habe, beschließe ich es diesmal beidhändig zu versuchen – pack mit beiden Händen das Startseil und zieh ….. AUUUAAAAHHHH, irgendetwas ist gerade in meinem linken Handgelenk passiert, als wenn etwas abreißen oder abbrechen würde. Mir wird ganz schwindelig. Ich hänge die Hand in den kalten Fluss zum Kühlen. Nach ein paar Minuten versuch ich es erneut mit dem Starten. Er springt an, aber meine linke Hand schmerzt tierisch und ich kann absolut gar nichts mit ihr machen. Das Anlegen am Steg und das Rausklettern aus dem Boot muss also nun einhändig erfolgen – auch das Anbinden. Mir ist furchtbar heiß und immer noch etwas schwindlig, aber tapfer stapfe ich die Stufen hoch zum Cafe aus dem Roland schon herunterwinkt. Ja so ein Zufall dass wir uns hier treffen. Schön ihn zu sehen aber ich kämpfe mit den Schmerzen und dem Schwindel und denke mir ich sollte einen Arzt aufsuchen. Statt dessen trinke ich Kaffee mit Roland und bringe ihn auf die Carina um ihm zu zeigen was er vor gut 2 Jahren verpasst hat. Es war ein richtig netter Nachmittag – trotz allem – und nachdem ich Roland zurück an Land gebracht habe und wir uns für Sonntag abend in Alcoutim zum Abendessen verabredet hatten lege ich einen Verband an mein Handgelenk. Ich glaube dass ich mir einen Bänderriss zugezogen habe.

Es geht auf 7 Uhr zu. Ich muss wieder los denn gleich beginnt das Konzert in der Bibliothek und das will ich mir wirklich nicht entgehen lassen. Wieder ins Beiboot und rüber zum Steg.

Die Bibliothek ist zum Bersten voll und Alina hat eine fantastische Stimme. Am Ende des Konzerts lädt Christina, die Bibliothekarin, zu Tee, Kuchen und Portwein ein. Alles ist kostenlos - von Konzert über Portwein zu Geselligkeit. Ich sehe viele bekannte Gesichter aber irgendwie bin ich nicht in Plauderstimmung. Das Handgelenk macht mir schrecklich zu schaffen und ich verlasse die nette Gesellschaft ziemlich früh.

 

Am Ende der Welt trifft sich die Welt - Gypsie-Ladies 

Am nächsten Morgen ist meine Hand immer noch nicht einsatzfähig aber der Schmerz ist erträglich solange ich die Hand fest einbandagiert habe und nichts berühre. Für den Arzt ist es nun zu spät, denn es ist Samstag und außerdem ist Markttag in Alcoutim, da habe ich sowieso keine Zeit für irgendetwas anderes. Das Starten des Außenborders ist nun noch schwieriger aber es hilft nix, irgendwie muss ich ja an Land. Der Markt in Alcoutim besteht zwar nur aus einem Gemüsestand und einem Metzger, beide mit hochqualitativer Ware, aber trotzdem ist er gut besucht, vor allem von den Seglern. Segler aus aller Welt die sich irgendwann mal hier in den Fluss verirrt haben und geblieben sind oder immer wieder kommen, die irgendwo versteckt im Fluss vor Anker oder an einer Boje liegen, finden sich hier auf diesem Mini-Markt ein, so dass dieser Markt einer der wichtigen, geselligen Events im kleinen Alcoutim geworden ist.

Auf dem Rückweg vom Markt sehe ich am Parkplatz beim Steg eine Frau vor einem Dacia Docca mit Erlanger Kennzeichen die gerade ihren Schlafsack ausschüttelt. Sie ist mir gestern schon aufgefallen und ich sprech sie an, denn deutsche Autos sind hier eine Rarität. Sie heißt Monika, ist aus Erlangen, 71 Jahre alt, reist alleine und ist zum 2, Mal hier in Alcoutim. Aber das Besondere dabei ist, dass sie seit 2 Jahren in diesem kleinen Auto lebt, in das sie eine Matratze zum Schlafen gelegt hat und ein paar Kisten stapelt in denen sie ihr gesamtes Hab und Gut aufbewahrt. Das finde ich cool und wir unterhalten uns bestens als eine weitere Dame auftaucht - Marie, 69 Jahre alt, aus Bordeaux. Sie lebt seit 4 Jahren in einem Renault Kangoo und reist damit durch die Welt. Dass wir uns hier in Alcoutim, in einem so abgelegenen winzigen Ort begegnen ist absoluter Zufall, denn keine von uns kannte die andere vorher. 3 (alte) Frauen, alleine unterwegs und so verschieden, unterschiedlicher könnten wir nicht sein. Wir verbringen den ganzen Samstag zusammen, gründen die Gypsie Ladies Group und beschließen in Kontakt zu bleiben und tauschen unsere E-Mailadressen aus. Leider sind die Nächte hier so kalt dass die Beiden an die etwas wärmere Küste zurückfahren, denn in den Autos haben sie keine Heizung. Ok, Monika hätte eine Standheizung, aber nicht genügend Batteriekapazität um sie laufen zu lassen. Marie löst das Problem auf die energiesparende Art mit einer Wärmflasche. Bin mal gespannt ob wir uns noch mal irgendwo wiedersehen.

Am Sonntag kommt Roland wie vereinbart zurück und während wir durch die Gassen von Alcoutim schlendern treffen wir auf Klaus aus Dänemark den ich im März 2016 in Rabat in Marokko als Stegnachbarn hatte. Wie klein doch die Welt ist und welche Magie dieser Fluss auf Segler auswirkt. Gemeinsam mit Klaus und dessen Onkel Henning speisen wir im einzigen heute geöffneten Restaurant und versumpfen dann noch ziemlich lange im Saloon von Klaus Katamaran „Manitou“.

Roland hat im Hostel von Alcoutim übernachtet und steht jetzt pünktlich um 11:00 Uhr am Steg um gemeinsam mit mir den Fluss hinunter zu fahren. Ich muss von Dienstag bis Donnerstag mal kurz nach Deutschland fliegen und für diese Zeit möchte ich die Carina in der Marina in Vila Real parken. Ich bin echt froh und dankbar, dass Roland bei mir auf dem Schiff ist, denn mit nur einer Hand ist das alles etwas schwierig, vor allem das anlegen in der Marina. Meine Hand ist unverändert unbrauchbar und schmerzhaft. Ich werde die Gelegenheit nutzen und in Deutschland meinen Arzt aufsuchen.

 

Ende November in Deutschland im T-Shirt ist ganz schön kalt.

Na klar hatte ich die wärmsten Sachen die ich noch besitze für meine Reise nach Deutschland angezogen, aber …

Der Grund meines Deutschlandbesuches muss nun auf ein ander Mal warten, denn ich verbringe den ganzen Mittwoch bei Ärzten um am Ende das Passauer Krankenhaus nur mit einem kurzärmeligen T- Shirt zu verlassen. Der Gipsarm passt einfach in keinen meiner Pullover und in keine Jacke. Diagnose: Handgelenk gebrochen – 6 Wochen Gips. Ich laufe zu Fuss in die Stadtmitte, stürme den nächstbesten Laden und kauf den billigsten Pullover mit den weitesten Ärmeln den ich finden kann und eine ärmellose Weste. Schon etwas besser.

Am nächsten Morgen sitze ich bereits wieder im Flugzeug nach Portugal.

 

Schön dass man Freunde hat

Zurück in Vila Real bleibe ich mit dem Schiff erst mal in der Marina. Ich muss erst all die Tricks lernen mit denen man mit Gipsarm alleine ein Schiff führen kann. Außerdem muss ich nach einer Woche noch mal zum Röntgen und einen neuen Gips bekommen.

Es geht alles viel einfacher als gedacht und langweilig ist mir auch nicht. Virginia, die alte Dame die seit 10 Jahren auf ihrem Schiff in der Werft lebt, und mit der ich mich während meiner Werftzeit angefreundet habe, kümmert sich rührend um mich und auch Marie, die französische Gipsy Lady, ist derzeit in Vila Real und hilft mir. Auch Monika, die deutsche Gipsy-Lady, schreibt ob ich Hilfe benötige und oben im Fluß in Alcoutim gibt es genügend hilfsbereite Segler. Ich komme also sehr gut zurecht. Mit Marie verbringe ich besonders viel Zeit und einen Tag fahren wir mit Ihrem Auto, dem knallgelben Kangoo mit den bunten Schmetterlingen drauf, den Fluss entlang - auf kleinen Feldwegen, zwischen Oliven- und Orangenbäumen, pflücken Granatäpfel und verspeisen sie direkt vor Ort. Interessant den Fluß mal aus einer anderen Sicht zu betrachten. Und schon ist eine Woche um.

 

Medico Center International und Centro Saude

Nun ist es soweit, ich muss zum Röntgen und brauch einen neuen Gips.

Ulla (eine Seglerin) die schon seit 20 Jahren jeden Winter im Fluss verbringt hat mir eine Adresse einer holländischen Ärztin in Vila Real gegeben. Ich würde sie im Medico Center finden. Also hatte ich mich schon im Vorfeld auf die Suche nach diesem Medico Center gemacht um abzuklären ob sie mich hier röntgen und neu vergipsen können, denn dazu wollte ich nicht extra nach Deutschland fliegen.

Ich finde das Centro Saude (=Gesundheitszentrum = für mich gleichbedeutend mit Medico Center). Als ich es betrete habe ich das Gefühl als wäre ich in einer uralten Fabrikhalle oder einem Schlachthaus gelandet und die Dame am Empfang sieht auch aus als wäre bei Ihr schon mehrmals etwas schief gegangen. Nein, hier würde ich wirklich nicht verarztet werden wollen. Ich frage trotzdem, denn ein Röntgenbild und ein Gips, da kann man doch wirklich nichts falsch machen. Aber die Dame antwortet in sehr spärlichem englisch, dass sie das hier nicht machen könnten. Ich muss dazu nach Faro fahren. Puhh, irgendwie bin ich ganz froh dass sie mich hier nicht versorgen wollen/können.

Lisbet, die Werftsekretärin die sich ebenfalls sehr um mich sorgt, meint es gäbe noch das Medico Center International beim Sportstadium, die könnten das ggf. Aha, Centro Saude und Medico Center sind also nicht dasselbe. Wie ich bald herausfinde war das Centro Saude die Notaufnahme.

Das Medico Center International ist ein hochmodernes Gebäude, speziell für Sportmedizin, Orthopädie und Herzinfarkte, in dem alle, von der Empfangskraft über die Krankenschwester bis zum Arzt hervorragend englisch sprechen.

Die gesamte Behandlung von Röntgen über Arztgespräche und neuem Gips hat 160 Euro gekostet die ich hoffentlich von der Krankenkasse erstattet bekomme.

Das Röntgenbild sieht gut aus (keine Komplikationen) und der neue Gips ist aus Fiberglas und federleicht. Der muss nun noch 4 Wochen dranbleiben und dann bin ich wieder fit. Na ja, gut, danach noch ca 2 Wochen Training bis die erschlafften Muskeln wieder fit sind und dann kann ich endlich die geplante Reise antreten und mich auf den Weg in den Pazifik machen. Es wird also Ende Januar werden bis ich Portugal verlassen kann.

 

Flucht aus der Marina zurück in den Fluss

Auf dem Rückweg durch Vila Real laufe ich Anna über den Weg, einer Dänin mit der ich mich in Marokko angefreundet hatte, die ihr Schiff nun auch am Rio Guadiana geparkt hat und die gleichzeitig auch die Freundin vom dänischen Klaus ist, den ich am Sonntag in Alcoutim traf. Und so verbringen wir einen gemeinsamen Abend auf der Carina und Klaus tankt mir bei der Gelegenheit den Außenborder und den Dieseltank der Carina mit den Kanistern wieder auf. Marie und Virginia haben sich bereits wieder angemeldet, aber mir wird das nun alles zu viel. So viel Fürsorge und Gesellschaft bin ich nicht gewöhnt und so ergreife ich am nächsten Tag die Flucht, verlasse die Marina und fahre den Fluss hinauf, lasse den Anker in der Nähe des Ortes Laranjeras fallen und genieße nun die Ruhe, die Natur und das Alleinsein. Und damit sind wir nun wieder am Beginn dieses Berichts gelandet denn es ist bereits der 1. Dezember.

So nun seid Ihr wieder auf dem Laufenden und ich leg ich mich ein wenig auf Deck in die Sonne. Nein nicht im Bikini, dazu ist es wirklich zu kalt, sondern in meinem weiten flatterigen rosaroten Pullover mit ganz weiten Ärmeln und einer grünen Weste, den einzigen Klamotten die ich derzeit tragen kann und die ich noch schnell billig in Deutschland gekauft hatte als ich bei frostigen Temperaturen das Krankenhaus im T-Shirt verlassen musste, da keine meiner Klamotten über den Gipsarm drüber passen.

So long - Erika

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