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Carina's Logbuch

Ein Monat allein auf dem Meer - 5700 Meilen nach Panama - Teil_II

März 2018

 

Es geht weiter …

 La Palma 04.03.2018

Endlich, der Sturm ist vorbei und seine Nachwehen auch. Carina ist wieder startklar und der Frischwarenteil des Proviants wieder aufgefüllt.

Wieder hat der Zwischenstop viieel länger gedauert als geplant und schuld war diesmal das Wetter. Aus geplanten 3 Tagen sind 2 überwiegend verregnete und stürmische Wochen geworden.

Morgen, Sonntag, den 05.03.2018 kann die Überfahrt nach Panama endlich fortgesetzt werden. Vorher muss ich aber ausklarieren. Dazu habe ich einen Termin, morgen vormittag um 10:00 im Polizeibüro, drüben im Fährhafen. Vorher kann ich also nicht los und das ist gut so. Ich will ohnehin bis mittags warten, bis sich die nachlaufenden Sturmwellen etwas gelegt haben. Als ich am Abend von meiner letzten Proviantierungstour zurückkomme werde ich schon erwartet, vom Marinero und dem Polizeibeamten der mich ausklarieren soll. Der Termin morgen ist nicht möglich, aber er könne mich jetzt gleich ausklarieren, sagt der Polizeibeamte. Na, klar, ist mir eh lieber. Schnell trage ich die Einkäufe aufs Schiff, hol meine Papiere und dann packt mich der Polizeibeamte in sein Auto und fährt mit mir ins Büro. Nach einer netten Plauderei und ein paar Stempeln auf allen Papieren, bin ich 10 Min später schon wieder fertig. Wenn ich will, fährt er mich auch wieder zurück, aber dann müsst ich noch warten bis er seine Arbeiten hier erledigt hat. Das ist aber nett, aber ich geh zu Fuß, ist ja nicht so weit.

 

Der Start

Der Sonntag beginnt ganz entspannt. Das Schiff noch innen und außen seetüchtig machen, Windsteuerung wieder hinmontieren, alles noch mal checken, alle Schrauben und Schäkel noch mal festziehen – alles ok. In die Stadt laufen, frisches Brot holen, ein paar Plaudereien am Steg und schon ist es Mittag. Ich starte den Motor und rufe wieder La Palma Trafic Control über den Funk und bitte um Erlaubnis den Hafen zu verlassen. Pech gehabt, ich muss warten. Das Containerschiff darf zuerst raus. Sie werden mich dann rufen. Ich warte – das Containerschiff ist inzwischen weg – Stille am Funk. Ich meld mich noch mal bei Trafic Control. Ok, lautet die Antwort, die Fähre mache ja ganz am Eingang zur Marina fest, ich könne starten – und das tu ich auch, lös die Leinen und steuere auf die Ausfahrt zu. Da sehe ich die große Fähre kommen. Huch, da wart ich doch lieber bis die festgemacht hat und so stehe ich nun an der Marinaausfahrt und warte noch mal 10 Min. Deshalb hatten sich die noch nicht bei mir gemeldet.

Jetzt aber wirklich, ich verlasse den Hafen bei schönstem Sonnenwetter und so gut wie keinem Wind. Vor der Hafeneinfahrt ziehen grad ganz behäbig 3 Delfine vorbei. Das soll ja Glück bringen, heißt es. Unter Motor genieße ich noch ein letztes Mal das schöne Panorama von Santa Cruz de La Palma, von dem ich bei meiner Ankunft im Regen kaum was gesehen hatte.

Das Meer ist ruhig, der Wind immer noch sehr bescheiden. Ich hol schon mal ein bisschen Segel raus. Zum Glück nur ein bisschen. Ca 30 Minuten segeln wir noch gemütlich dahin bis der Wind komplett aufhört um kurz darauf wie ein Irrer über uns hinwegzufegen. Geht das schon wieder los mit diesen grässlichen Böen. Von 0 auf 30 Knoten und immer wieder. Zum Glück hatte ich nur kleine Segel, aber die sind nun auch zu viel. Das Meer wird rau, der Wind immer heftiger und ich will noch mal reffen. Dabei verhängt sich die Genuaschot im Spibaum, der vertikal am Mast befestigt ist. Ich muss nach vorne. Hoffentlich schafft es der Autopilot das Schiff auf Kurs zu halten mit den unfertig gerefften Segeln. Ich krieg die Schot nicht raus. Ich kann sie nur durch die Öse ausfädeln. Dazu muss ich aber wieder zurück ins Cockpit den Knoten am Ende der Schot lösen, die Schot durch den Holepunkt nach vorne ziehen, durch den Spibaum fädeln und dann das ganze wieder in umgekehrter Richtung. Das Meer ist weiß, die Wellen kurz und steil, es ist verdammt ungemütlich und vor allem nass hier auf dem Vordeck. Ouff, ich bin froh wieder im Cockpit zu sein und bald wieder alles unter Kontrolle zu haben. Aber das Wetter spielt weiter verrückt. So geht das nun den ganzen Tag und die ganze Nacht. Noch ein zweites Mal verhakt sich die andere Schot im Spibaum und ich muss wieder vor. Ich bin tropfnass vom überkommenden Wasser als ich auf dem Vordeck war. Auch ins Cockpit spritzt so manche Welle. So geht das nicht. Ich muss mir eine Lösung einfallen lassen. Am Montag Abend hat sich dann alles etwas beruhigt und ich opfere eine Socke für den Spibaum, die ich ihm drüberziehe, so dass die Schoten nun keine Chancen mehr haben sich darin zu verfangen.

Im Vorschiff sieht es auch ziemlich chaotisch aus. Alles liegt kreuz und quer durcheinander. Das Fahrrad ist umgefallen, die Rettungsinsel liegt quer, aber ist jetzt egal, da muss ich ja nicht hin. Ich schlaf ja auf Passagen sowieso im Salon.

Es dauert einen ganzen Tag und eine halbe Nacht um nur an der kleinen Insel El Hierro vorbeizukommen. Hier spielt der Wind auch wieder verrückt. Meist gar kein Wind oder heftige Böen, obwohl ich 10 Seemeilen Abstand zur Insel halte.

 

Das leblose Meer …

Endlich liegen die Kanaren hinter uns und von nun an ist Schluss mit dem verrückten Wetter. Der Wind wird immer weniger und das Meer immer ruhiger und wir sind unendlich langsam. Unsere Tagesetappen schwanken zwischen 50 und 80 Seemeilen. Aber der Motor bleibt aus. Ich will nach Panama „segeln“ und den wenigen Diesel den ich zur Verfügung habe (150 l) will ich aufheben für Situationen in denen ich ihn ggf. notwendig brauche. Man weiß ja nie was noch kommt.

Die ersten Tage schlafe ich viel oder ich sitze im Cockpit und betrachte das Meer. Seltsam, kein Fisch, kein Vogel, keine Schildkröte gar nichts hier und das seit Tagen. Es scheint keinerlei Leben in diesem Meer zu geben.

Erst am 3 Tag entdecke ich einen kleinen Seevogel der die Carina umkreist. Inzwischen sind sie zu dritt und folgen der Carina nun schon den 3. Tag. Auf dem Meer treiben jetzt zahllose pinkfarbene „Portugiesische Galeeren“, (das sind Quallen) hübsch anzusehen aber sehr schmerzhaft und gefährlich an ihre Tentakel zu kommen.

 

Alltag an Bord

Es ist inzwischen wärmer geworden und man kann bereits in T-Shirt und kurzer Hose draußen sitzen solange die Sonne scheint und der Wind so bescheiden bleibt. Eine gute Gelegenheit einen Waschtag einzulegen und die salzigen Hosen zu waschen. Das geht am Besten im Cockpit in einem Eimer. Der nächste Waschtag wird sicher weniger aufwändig, da die Klamotten kleiner werden. Ich meine, nicht weil ich dann eine andere Konfektionsgröße habe (obwohl ich den in Deutschland angegessenen und angetrunkenen Speck zum Glück wieder los bin) sondern weil die Hosen und Tops kürzer oder ganz überflüssig werden. 

Gestern war es wieder mal Zeit Yoghurt zu machen und heute war Gemüse/Obst- Checktag. Das ist ganz wichtig dies regelmäßig zu tun. Jeder Apfel, jede Orange, jede Kartoffel, jede Zucchini …. wird genauestens überprüft um herauszusuchen was als nächstes verbraucht werden muss. Bis jetzt habe ich Glück, außer dem Kürbisstück, das ich übersehen hatte musste ich noch nichts wegwerfen. Somit erübrigt sich die Frage von selbst was man denn heute kochen soll. 

Der Wassermacher muss alle 5 Tage benützt oder gespült werden und wenn ich ohnehin schon am Wassermachen bin, nutze ich die Gelegenheit für eine Dusche und eine Haarwäsche im Cockpit. Das Meer hat 22 Grad (und somit auch mein Duschwasser) und die Luft 27. Da kostet das keine Überwindung. Welch ein Luxus für mich mit Duschanschluss und Frischwasser. Und was für ein schönes Gefühl das klebrige Salz, das mir das Meer in den ersten beiden Tagen an den Kopf geworfen hat, endlich wieder aus den Haaren gespült zu haben.

Dem Autopilot habe ich versprochen ein Jäckchen zu nähen, auch das neue Tablet soll eine Hülle bekommen. Die Walnüsse, die mir Marie einst gebracht hat, müssen auch mal irgendwann geknackt werden.

Zwischendurch den Kurs korrigieren, die Segel trimmen, Logbucheinträge schreiben, Kartenarbeit machen (ich arbeite tatsächlich parallel zu den elektronischen auch mit Papierkarten), Prüfrundgang übers Schiff (mach ich jetzt wieder täglich, seit mir der Klabautermann den Pin eines Schäkels geklaut und ins Meer geworfen hat – na den wen ich erwische … ), Wetterberichte über Funk einholen, Positionsberichte und gelegentlich E-Mails versenden, aufs Meer schauen, faulenzen, lesen, Mittagschläfchen halten … es wird also nie langweilig.

 

Delfine, Delfine, Delfine … sooo viele!

Als ich letzte Nacht draußen war um wieder mal den Kurs zu korrigieren, war das Meer ganz still und kaum ein Lüftchen hat sich geregt. Die Carina treibt einfach mit der Strömung und dem bisschen Lufthauch dahin. Aber aus dem Wasser kommen seltsame Geräusche. Manchmal platscht was. Und manchmal nacht etwas Pffuuhh!! Ich kann im Dunklen nichts sehen. Es ist irgendwie unheimlich. Als ich am nächsten Morgen aufwache, sehe ich sie bereits durchs Fenster. Delfine!

Aus dem Cockpit sehe ich wie viele sie sind. Das Meer ist so ruhig und durchsichtig dass ich auch all die sehen kann die unter Wasser sind. Rund um die Carina sind sie. Eine Gruppe interessiert sich sehr für das Ruderblatt und das Pendelruder der Windsteuerung. Eine andere hat Spaß daran vor dem Bug hin und her zur tauchen. Eine Mama mit Kleinkind schwimmt an steuerbord und das kleine flitzt wie alle Kinder ständig hin und her. Sie sind so viele und überall rund um mich herum gleichzeitig. Ich weiß gar nicht wo ich zuerst hinschauen soll. An backbord scheinen sich die alten Herren zu versammeln. Ganz ruhig ziehen sie neben dem Schiff her und ich kann wunderschön ihre Muster auf dem Rücken betrachten. Und immer wieder mal macht einer von ihnen ein lautes Pffuuhh. Aha, ihr ward also schon die ganze Nacht da! Und sie bleiben noch einige Zeit bis einer seine Schwanzflosse in die Höh streckt, wie ein Wal, hin und her wackelt als winke er zum Abschied und dann war die gesamte Gruppe wieder verschwunden.

 

Wär ich Jesus …

dann könnte ich übers Wasser wandeln und die Carina ein wenig schieben. Das hätte sie nämlich dringend nötig.

Mit riesigen Tüchern (auch Segel genannt) versuche ich seit Tagen jeden Hauch einzufangen. Manchmal gelingt es ein wenig und wenn das Log 1 Knoten anzeigt herrscht Jubel auf der Carina. Scheinbar hat sich der Wind beim Sturm in La Palma total verausgabt und ist jetzt fix und fertig. Zumindest lässt er sich selten und zeitweise gar nicht blicken. Heute Nachmittag haben wir in 8 Stunden nur 7 Seemeilen geschafft.

Letzte Nacht war das Meer so spiegelglatt dass sich die Sterne darin gespiegelt haben. Es war als würde ich durch den Himmel segeln. Segeln wär schön gewesen, nicht mal driften war drin. Die Carina konnte in keine Richtung gehalten werden und drehte Kreise oder driftete nordwärts. Nein, keinen der mühsam erkämpften Meter will ich mehr zurückfahren. Da musste dann letzte Nacht doch der Motor ein paar Stunden aushelfen.

Ich höre am UKW Funk seit einigen Stunden Geplauder auf afrikanisch auf Kanal 16 und dazwischen immer wieder mal jemand in englisch rufen dass sie den Kanal wechseln sollen. Das beunruhigt mich. Es müssen also Schiffe irgendwo in der Nähe sein, sonst könnte ich sie nicht hören. Aber weder ich noch das Radar können sie sehen. Damit wird das wohl keine so ruhige Nacht wie sonst werden. Am meisten Sorge macht mir aber dass es sich dabei um keine professionellen Skipper handeln kann. Die Funkregeln kennen sie jedenfalls nicht und ich mach mir Gedanken ob sie wenigstens die Verkehrsregeln kennen und befolgen. 

Kurz vor Sonnenaufgang sehe ich ein Schiff passieren. Das erste seit 5 Tagen.

Wäre ich immer noch Jesus müsste ich mich nun ganz schön sputen. Der Wind ist am 6. Tag auf See zurückgekehrt und bläst nun mit 3-4 Bft aus dem nördlichen Quadrant. Die Carina saust nun mit 5 Knoten Richtung Südwest. Endlich!!

 

Die erste Woche ist vorbei

Sie ist wie im Flug vergangen. Ich vermisse nichts und bin rundum zufrieden hier draußen, so ganz mit mir alleine.

Insgesamt haben wir in dieser Woche 532 Seemeilen geschafft. Das ist nicht viel. Dafür haben wir aber fast die gesamte Strecke gesegelt, trotz sehr wenig Wind. Der Motor kam dabei 16 Stunden zum Einsatz und hat somit ca. 60 Seemeilen der Gesamtstrecke auf sein Konto zu verbuchen. Dazu hat er 10 l Diesel verbraucht.

Der Wind hat inzwischen weiter zugenommen und die Carina wird immer schneller. 126 Seemeilen haben wir heute geschafft das ist mehr als das doppelte das wir an den Anfangstagen hatten und für ein 30 Fuss (9 Meter) Schiff ein ganz passables Etmal (Etmal = die Strecke die man in 24 Stunden schafft).

Aber alles hat seinen Preis. Dafür ist es nicht mehr so gemütlich an Bord. Das Schiff schaukelt nun und alles wird etwas akrobatisch und anstrengend, sogar das Schlafen. Obwohl mit Leesegeln gesichert, so dass ich nicht aus dem Bett fallen kann, rolle ich doch im Bett ständig hin und her.

 

Und es passiert immer nachts …

Ich verbringe den größten Teil des Tages draußen, betrachte das Meer, die Wolken und die Segel. Alles ist friedlich und in Ordnung. Aber kaum schließe ich abends nach der letzten Prüfrunde den Niedergang und leg mich ins Bett geht’s los. Segel schlagen hin und her, der Kurs stimmt nicht mehr, die Carina wird zu schnell usw. Ich muss also wieder raus und nach dem Rechten sehen.

Letztens wurde ich wach, da sich die Bewegungen im Schiff geändert hatten und mir das Schiff verdammt schnell vorkam. Draußen stelle ich fest wir segeln einen Am-Wind-Kurs (also gegen den Wind) anstelle des eingestellten Vor-Wind-Kurses. Ein Blick zur Windsteuerung – die steht immer noch auf Vor-Wind-Kurs. Wie kann das denn sein? Die Taschenlampe bringt es ans Licht. Der lange Windfaden des Windblattes hatte sich am Mast des Windgenerators verfangen, damit das Windblatt an der Bewegung gehindert und so die Steueranlage blockiert. Na ja, das war ja relativ einfach zu beheben. 

Eine andere Nacht nimmt der Wind so stark zu dass ich um Mitternacht raus muss um die Segel zu reffen. Und so geht das Nacht für Nacht. Warum eigentlich immer nachts und nicht bei Tag wo alles viel einfacher wäre.

 

Diese Wellen …

Inzwischen haben wir mehr Wind als wir brauchen können (6 Bft) und segeln mit kleinst gerefften Segeln dahin. Wo Wind ist bleiben auch die Wellen nicht aus. Wie Berge rollen sie von hinten auf die Carina zu. Es sieht schon bedrohlich aus wenn man übers Heck zur Welle „rauf“ schauen kann. Aber die Carina hebt einfach den Popo und lässt sie unter sich durchrollen. Kommen sie mehr von der Seite oder aus allen Richtungen gleichzeitig, dreht sie sich elegant zur Seite, hält ihnen wieder den Popo hin und schlängelt sich geschickt dazwischen durch oder sie rutscht ihnen einfach den Buckel runter. Diese Wellen die irgendwo zwischen 3 und 4 m hoch sind, sind faszinierend und schön anzuschauen wie sie so dahinrollen und das Gefühl wenn Carina durch die Wellen surft ist nicht zu beschreiben.

Das hat allerdings ein heftiges Schlingern zur Folge was das Bordleben oft sehr erschwert, schlaflose Nächte weil ich ständig im Bett hin und her rolle, fortbewegen wie ein Affe – sich mit den Händen an den Handläufen an der Decke entlang hanteln, Geschirrwaschen wenn das Wasser aus dem Becken schwappt, beim Zähneputzen genau zielen um auch wirklich das Waschbecken zu treffen und nicht daneben zu spucken. … das alles strengt sehr an. Aber am Anstrengendsten ist das Schlafen. Morgens bin ich fix und fertig und zum Ende der zweiten Woche fühle ich mich sehr schwach. Ich mach mir Sorgen ob ich das noch weitere 2 Wochen durchstehen kann.

 

Heut ist wieder einer dieser Tage …

an denen ich auf das Meer sauer bin. Hatte ich mich morgens noch gefreut dass die Wellen wieder etwas moderater werden und die Sonne nach Tagen wieder mal scheint, haben mir die Wellen doch gleich ein paar mal eins ausgewischt.

Morgens haben sie mir den Kaffee ins Müsli gekippt.

Später wollte ich mal wieder duschen, hab aber dann doch befunden dass es zu kalt da draußen ist. (Duschen geht nur im Freien) Statt dessen hab ich mich ins Cockpit auf den Boden zum Sonnenbaden gelegt. Auf den Boden weil es dort windgeschützt und wärmer ist. Lang lag ich nicht, da bekam ich die anfangs geplante Dusche, nur viel unerwarteter und salziger. Beleidigt trockne ich mich ab, zieh wieder was an und geh meine Kissen zum Trocknen aufhängen.

Für heute Abend hatte ich einen aufwändigen Gemüseauflauf vorbereitet. Als ich das Gemüsekörbchen zurück ins Regal stellen will sehe ich, dass an dieser Stelle nun die Eierbox offen liegt und 4 Eier fehlen. Ich hatte vergessen das Schiebetürchen zu schließen und die Wellen haben einfach die Eier rausgeworfen. Jetzt bin ich echt sauer. Es gibt nichts ekligeres als rohe Eier aufzuwischen. 

Als ich heute Abend meine Runde mache, wie immer bevor es dunkel wird, sehe ich dass die Solarzelle an Backbord jetzt viel höher eingestellt ist. Hat mir doch glatt eine Welle die Solarzelle verstellt. Und ich dachte heute wäre das Meer bedeutend ruhiger gewesen.

Des Nachts hat der Wind den Windfaden der Windsteuerung wieder um den Mast gewickelt und abgerissen. Also im Dunklen Windsteuerung abmontieren, reparieren wieder anmontieren, immer mit der Angst im Nacken das Windblatt dabei zu verlieren. Ohne Windsteuerung bin ich geliefert, Nur mit Autopilot wird es kaum möglich sein die nächsten 1400 Seemeilen zu schaffen.

Eine Welle verwandelt mein Cockpit in einen Swimmingpool. Mit einem lauten Donnern schlägt sie gegen die Scheibe des Niedergangs die ich zum Glück geschlossen hatte. Ich warte bis das Wasser abgelaufen ist um nach dem Rechten zu sehen. Auf den ersten Blick ist alles in Ordnung. Alles noch an Bord. Ich habe aber auch alles im Cockpit angebunden von der Pütz bis zum Zündschlüssel der im Zündloch steckt.

Erst später stellt sich heraus dass die GPS-Antenne dabei Schaden genommen hat.

 

Ohne GPS - Wie brauchbar ist die Koppelnavigation in der Realität?

Nachdem scheinbar die Welle meine GPS Antenne beschädigt hat und ich kein Fix mehr bekomme, also keine Position, kann ich den Plotter nicht mehr verwenden. Gut dass ich mehrere Backups habe (2 Tablets und 1 Laptop mit Navigationssoftware, Hand-GPS-Empfänger, GPS-Maus fürs Laptop, GPS im Handfunkgerät, GPS und Navigationssoftware auf dem Samartphone) sonst wär ich jetzt in einer aussichtslosen Position.

Die herkömmliche Koppelnavigation bei der man über Geschwindigkeit, Distanz, Kurs und Zeit die Positionen errechnet ist hier draußen bei diesem Seegang nicht sonderlich brauchbar.

Solange das Meer ruhig und der Wind konstant ist, geht das ja ganz gut, aber bei diesem Seegang ist das ziemlich aussichtslos. Bei jeder Welle ändert sich der Kurs beachtlich und auch die Geschwindigkeit schwankt von 2 - 8 Knoten. Statt Geschwindigkeit könnte man auch die Distanz von der Logge ablesen, das ginge gut, aber der Kurs - was soll man da zur Berechung heranziehen. Ein brauchbarer Mittelwert ist kaum zu finden. Schiffe kommen hier auch keine vorbei die man anfunken und um eine Position bitten könnte. Bei einer vor mir liegenden Entfernung von noch 1300 Seemeilen bis zum nächsten Land, wäre die Fehlerquote zu groß und ich hätte wirklich keine Ahnung wo ich rauskommen würde.

 

Jeden Tag ein bisschen jünger …

Seit ich unterwegs bin kann ich jeden Tag ein bisschen länger schlafen, werde jeden Tag ein bisschen jünger und ein wenig schlanker – ohne irgendetwas dazu tun zu müssen. Der Traum jeder Frau. Hier an Bord der Carina ist er Realität.

Wir segeln Richtung Westen durch die Zeitzonen, d.h. alle 15 Grad West kann ich eine Stunde abziehen.

Da ich die Uhr nicht nachführe sondern an Bord immer UTC (Weltzeit) habe geht die Sonne jeden Morgen später auf und ich kann länger liegen bleiben. Ich genieße es. Erst wenn ich den nächsten Landfall mache werde ich die Uhren nachstellen.

Bis ich am Ziel bin, bin ich 6 Stunden jünger als ihr in Deutschland. Ätsch!

Na ja und ein bisschen schlanker ergibt sich automatisch. Zu Essen habe ich genug und ich tu es auch, aber das ständige Geschaukel des Schiffes hält einen Tag und Nacht in Bewegung und verbraucht somit entsprechend mehr Kalorien. Perfekt. Was will man mehr. 

Die letzten beiden Tage hatte sich das Meer ein wenig beruhigt so dass ich wieder besser schlafen konnte. Außerdem habe ich begonnen mehr zu essen - geht ja hier problemlos ;-) und bin nun wieder fit, voller Energie und Tatendrang. Das Essen hat wohl geholfen, denn auch seit die Wellen und der Wind wieder zurück sind geht es mir gut – keine Schwächezustände mehr.

 

Begrüßungskomitee zur Halbzeit und ein Blütenmeer

Es ist der 16. Tag auf See und heute habe ich die halbe Strecke von La Palma nach Dominica geschafft. Als ich die entsprechende Position ereiche taucht eine große Schule Delfine auf und begleitet die Carina ein Stück. Einer von ihnen trainiert scheinbar für die Delfinshow. Immer wieder springt er hoch aus dem Wasser schlägt einen Salto und platscht wieder zurück ins Meer. Ein schöneres Halbzeitgeschenk hätte ich gar nicht bekommen können, denn Delfine habe ich seit der ersten Woche auf See nicht mehr gesehen.

Ich stehe gerade am Herd als mein Blick durch den Niedergang übers Heck schweift. Wow, was ist das denn! Rund um die Carina ist alles gelb. Schnell schnappe ich die Kamera und eile nach draußen. Die Carina segelt durch ein Meer von leuchtend gelben Blüten. Viele gelbe Teppiche schwimmen auf dem Meer und Carina ist gerade durch einen durchgefahren. Ich beobachte diese algenartigen Pflanzen schon seit Tagen, die knapp unter der Wasseroberfläche treiben und vereinzelt kleine Blätter aus dem Wasser in die Luft strecken so dass sie in der Spätnachmittagsonne wie keine gelbe Blüten aussehen. Aber so geballt wie heute habe ich sie noch nie gesehen. Ist das wunderschön!

 

Im Meer der fliegenden Fische

Ich werde oft gefragt ob ich auch angle. Eine Ausrüstung zum Thunfisch fangen hätte ich an Bord, aber Angeln ist gar nicht nötig – die Fische kommen von selbst an Bord. Vorgestern habe ich 2 fliegende Fische eingesammelt, die mir die Wellen an Deck gespült hatten. Leider habe ich es zu spät bemerkt und so kam meine Rettungsaktion zu spät. Ich mag diese kleinen silberglänzenden Fische wenn sie übers blaue Meer gleiten, immer auf der Flucht vor irgendeinem Jäger. Heute konnte ich direkt zuschauen. Ein paar silberne Fische stieben aus dem Wasser und fliegen davon und dicht hinter ihnen taucht ein großer dunkler Fischkopf aus dem Wasser aus der vergeblich nach ihnen schnappt. Die kleinen waren schneller.

Überhaupt scheint das Meer hier wieder belebter zu sein. Ich kann einen ca 70 cm großen leuchtend blauen Fisch mit gelbem Bauch im Wasser sehen.

Vorletzte Nacht war ein Tintenfisch zu Besuch im Cockpit der Carina, aber sicher nicht freiwillig, der vielen Tinte nach zu urteilen die er überall verspritzt hat. Das sieht aus! So eine Sauerei, und das Zeug geht auch nicht weg. Mit Scheuerpulver, Bleiche, viel Geduld und Sonne ist es inzwischen ziemlich verblasst. Wie er es wieder aus dem Cockpit rausgeschafft hat wäre interessant. Eventuell ist er durch die Drainagen zurück ins Meer geflüchtet, oder ein Vogel hat ihn sich geschnappt.

Seit einigen Tagen bekomme ich immer morgens und abends Besuch von einem wunderschönen schneeweißen Vogel mit langem Schwanz - einem „White longtailed Tropical bird“ (den deutschen Namen weiß ich leider nicht). Er ist wunderschön und er macht sich immer mit einem lauten „eek“ bemerkbar dass er wieder da ist. Lang bleibt er nicht dann ist er wieder im Nirgendwo verschwunden bis zum nächsten Besuch. Heute hat er sich sehr für Carinas Mastspitze interessiert, so sehr dass ich ihn mit lauten Geräuschen verscheucht habe. Denn da oben soll er sich nicht hinsetzen. Er würde mir meinen Verklicker (den Windanzeiger) oder die VHF Antenne beschädigen. Bin mal neugierig ob er morgen wieder kommt oder jetzt beleidigt ist.

Am nächsten Tag kam er zurück – mit Verstärkung. Von nun an kommen sie stets zu zweit und stehen oft direkt über der Carina. Ich hoffe nicht dass sie sich auf der Suche nach einem Nistplatz befinden und die Carina in die engere Wahl gezogen haben.

 

Zum Thema Müll

Wo gekocht, gegessen und gelebt wird gibt es natürlich auch Abfall. Darüber hatte ich mir zu Beginn meiner Reisen oft Sorgen gemacht. Wohin mit dem ganzen Müll während der langen Überfahrt.

Die Sorgen waren umsonst. Ich habe so gut wie keinen Müll. Nach der 3. Woche ist mein 10 l Mülleimer noch nicht einmal viertelt voll.

Wie das geht?

Ich entsorge stets bei jedem Einkauf jegliche Umverpackung. Die kommt gar nicht erst an Bord. Alles was man abfüllen kann, kommt in Tupperschüsseln und die Verpackung wird noch an Land entsorgt. (z.B. Müsli, Nudeln, Reis, Kaffee …)

Yoghurtbecher gibt es nicht da ich den Yoghurt selbst mache.

Gemüseabfälle und Obstschalen wandern direkt ins Meer.

Konservendosen – habe ich bisher noch keine verbraucht.

Flaschen oder Dosen – habe ich keine – ich trinke nur das selbst entsalzte Meerwasser aus meinem Tank, Kaffee und Tee.

In dieser letzten Woche wird wahrscheinlich etwas mehr Müll anfallen, da es ja doch ans Eingemachte, also die Konserven geht. Trotzdem wird mein Mülleimer noch nicht voll sein wenn ich nach 4 Wochen auf See in Dominica ankomme.

 

Es geht ans Eingemachte

Nun ist die 3. Woche meiner Überfahrt vorbei und bis heute habe ich mich ausschließlich von frischem Gemüse und Obst ernährt. Die Schränke mit Konserven, Nudelsoßen und Fertiggerichten habe ich noch nicht einmal geöffnet. Jetzt habe ich noch ein paar Kartoffeln und Zwiebeln, 6 Eier, 5 Äpfel, 3 Orangen und 2 Mandarinen.

 Wollt ihr das Geheimnis wissen, wie Obst und Gemüse so lange hält?

Es beginnt beim Einkauf. Nur ganz frische Ware kaufen, die vorher „auf keinen Fall“ in einer Kühlung gelagert war. Jedes Stück einzeln auswählen, also genau anschauen dass es auch keine Druckstellen oder Ungeziefer hat. An Bord luftig in Netzen oder Körben lagern so dass es nicht umherrollt, nicht gedrückt wird und nicht zu hoch übereinander lagert. Nicht in den Kühlschrank legen, dort verliert es an Geschmack und sobald es da raus muss oder der Kühlschrank abgeschaltet werden müsste, geht es innerhalb weniger Tage kaputt. Und jeden Tag prüfen was zu erst weg muss und aussortieren was angefault ist.

Ich musste nichts wegwerfen weil es kaputt ging, aber jetzt habe ich fast alles aufgegessen.

Von nun an geht es also wirklich ans Eingemachte, an die Konserven. Dann gibt’s eben Nudeln mit Pesto, Dosengemüse, Pfannkuchen, Dosenfisch, Suppen usw. Und im Kühlschrank gibt’s noch jede Menge Käse, Wurst, Butter, Pizza, Ravioli, Joghurt …

Und weil ich immer gefragt werde was man denn da ißt, wenn man so lange auf See ist:

 

Auszug aus der Speisekarte 

Morgens meist Müsli mit Joghurt und viel frischem Obst

Zwischendurch: Joghurt, Käse, Obst, Schinken, Brot, Avocados, Salate (Tomaten, Gurken, Bohnen, Rote Beete)

 

Hauptmahlzeiten:

Ratatouille (öfter, ist mein Lieblingsgemüse)

Gemüse-Paella

Couscous mit Gemüse

Kartoffel-Auberginen-Auflauf

Borschtsch

Kartoffel-Zucchini-Gratin

Kartoffeln, Weißkraut und scharfe Wurst

Pizza

Bratkartoffeln mit Rührei und Salat

Tiroler Geröstl

Tomatensandwich

Antipasti

Kürbis gebacken oder gebraten

Kartoffeln mit Käse überbacken

Paprikareis

Milchreis

Saccetini mit Campignon-Trüffel-.Füllumg

Strammer Max

Nudelsalat

Usw.

Vieles gibt es 2 x, also die Reste am nächsten Tag nochmal

 

 

Die Zweier und weitere Zahlen …

die mir auf dieser Reise wichtig waren.

Bei der Seglerei und Navigation hat man ziemlich viel mit Zahlen zu tun und man nutzt sie auch zur Motivation. Bisher waren es überwiegend die Zweier über die ich mich gefreut habe.

 5. Tag - Wir haben den 20. Längengrad überschritten

7. Tag - Wir erreichen die Position 22°57,58 N und 22°57,58 W

10. Tag - Die 2 vor der Entfernung zum Ziel (2800 Seemeilen) ist weg

11. Tag - Wir haben den 20. Breitengrad unterschritten

13. Tag - Seit Ayamonte 2000 Seemeilen gesegelt

15. Tag - Die zweite Woche ist vorbei. Also noch 2 Wochen vor mir bis ans Zwischenziel Karibik.

16. Tag - Die ½ Strecke von La Palma nach Dominica ist geschafft

18. Tag - Die ½ Strecke von Ayamonte/Spanien (Beginn der Überfahrt) nach Panama ist geschafft

20.Tag – Die Entfernung bis zum nächsten Zwischenziel (Dominica) ist nur noch 3-stellig, also unter 1000

22. Tag – 2000 Seemeilen nonstop gesegelt – noch 2000 Seemeilen bis Panama

24. Tag – 10.000 Seemeilen allein auf der Carina

29. Tag – noch 200 Seemeilen und kein Wind

 

Der Kurs betrug ab dem 7. Tag. 265° T (= rechtweisend)

Die Missweisung betrug auf dem größten Teil der Strecke 15° West.

Wenn man das übersieht landet man ganz wo anders als man wollte.

 

Für die Nichtwissenden: Die Missweisung ist die Differenz zwischen den geografischen Linien (Längengraden) und den erdmagnetischen Linien die unsere Erde umgeben. Bei der Planung des Kurses verwendet man die geografischen Linien aus der Seekarte (=rechtweisend). Der Kompass an Bord (ein Magnetkompass), richtet sich jedoch nach den magnetischen Linien. Deshalb müssen wir das immer in unsere Berechnung einbeziehen.

Bei der Atlantiküberquerung muss man also bei einer Missweisung von 15 Grad West, 15 Grad mehr am Kompass anlegen. Beispiel: Hat man in der Karte einen Kurs von 265 ° ermittelt muss der Steuermann 280 ° laut Kompass fahren.

 

Rien ne va plus - auf der „Barfuss-Route“

Man nennt die Atlantiküberquerung von Ost nach West in der Passatwindzone (die ich auch gerade entlang segle) auch die „Barfußroute“ weil es sooo gemütlich und einfach ist hier lang zu segeln. Beständige Winde – immer aus der selben Richtung – relativ ruhiges Meer.

Das konnte ich bisher absolut nicht bestätigen. Ich habe schon einige Ozeane durchsegelt, aber selten war es so rau wie hier in der 2. und 3. Woche. In der 4. Woche hat sich das Blatt jedoch gewendet. Das Meer ist ruhig, der Wind jedoch statt „beständig“ fast „ständig abwesend“. Meist ist der Himmel bedeckt. Anfangs war es kühl und eine Jacke notwendig.

3 x hat es bisher kurz geregnet und 2 mal musste ich genau da nach draußen um mit den Segeln zu hantieren.

Dazwischen gab es allerdings auch Tage mit beständigem Wind von 3 bis 4 Bft sehr angenehm zu segeln. Inzwischen scheint die Sonne überwiegend, es ist heiß (32 ° im Schatten), der Wind (falls anwesend) kühlt angenehm und das Wasser hat 26 Grad. Jetzt würde ich das auch als Barfußroute bezeichnen.

Leider ist der Windgenerator in Streik getreten. Er hat mich bisher jeden Tag und jede Nacht unermüdlich mit Strom versorgt so dass auch am Morgen nach einer Nacht mit Kühlschrank, Radar, Licht, Plotter, Logge, Funk die Batterien immer voll geladen waren. Es gäbe nach wie vor genug Wind für ihn, aber seltsamerweise, sobald er anläuft, schaltet sich die Bremse ein und stoppt ihn wieder. Diese Funktion soll die Batterien vor dem Überladen schützen. Da der Windgenerator nicht mehr läuft sind meine Batterien nur noch zu 80 % voll, die am Regler eingestellte Voltzahl längst nicht erreicht. Das ist schlecht, da es zur Zeit meist bedeckt ist und die Solarzellen zwar den Bordbetrieb aufrechterhalten aber es alleine nicht schaffen die Batterien wieder aufzuladen. Der wenige Diesel soll zum „Fahren“ verwendet werden und nicht zum Strom erzeugen. Außerdem könnte ich ihn zur Zeit eh nicht verwenden. Warum lest ihr weiter unten.

Es dauert 2 Tage bis mir die Erleuchtung kommt, was dem Windgenerator wohl vorgaukeln könnte die Batterien seien bereits voll. Es war ein lockerer Kontakt am Plus-Kabel dass den Regler mit der Batterie verbindet. Jetzt läuft er wieder und alles iwäre wieder gut. Jetzt haben wir aber nicht mehr genügend Wind.

Das selbe Problem hatte das Kompasslicht dass auch auf einmal nicht mehr leuchten wollte. Auch ein lockerer Kontakt. Ist ja auch kein Wunder bei dem Geschüttel und Gehoppel hier draußen.

Immer noch schwimmen im Meer die gelben Blüten von denen ich schon zur Halbzeit berichtet habe. Lange gelbe Bänder durchziehen das Meer und kleine runde Teppiche treiben dahin. Wie das wohl vom Flugzeug aus aussehen muss? Bestimmt sehr schön. Ich frag mich ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Sie werden immer mehr und ich fürchte das Meer wird komplett zuwachsen.

 

Heute hab ich mir ein paar Näharbeiten vorgenommen. Auf den Cockpitbänken habe ich wie üblich meine Kissen ausgelegt, auf dem Boden liegt das Nähkästchen, die Schere, Stoffe und das Tablet, das eine Hülle bekommen soll. Ich bin ganz vertieft in meine Arbeit als der Wind einschläft. Wir driften nur noch so dahin. Als ich aufblicke ist das Meer rund um uns gelb - soweit ich schauen kann. Wir stecken mitten in einem riesigen Blütenteppich der kein Ende zu haben scheint. Schnell hole ich den Fotoapparat - das glaubt mir sonst keiner. Jetzt ist das Meer wirklich zugewachsen. Es scheint als stecken wir fest. Die Carina bewegt sich nicht mehr – ist ja auch kein Wind mehr da. Dafür zeigt sie nun nach Norden. Ich versuch sie wieder auf Westkurs zu bringen. Ein paar Minuten und sie zeigt nach Süden. Was ich auch tu – es geht nichts mehr – wir stecken hier wie in einem dicken Sumpf. Die Pflanzen sind so dicht dass man kein Wasser mehr sehen kann. Sie haben kleine Blättchen und winzige Kügelchen - Tausende – Millionen – eigentlich schön anzuschauen, aber ich will hier raus. Aber es gibt keinen Wind um herauszusegeln und den Motor kann ich in diesem Pflanzensumpf auch nicht einschalten. Vermutlich wäre die Schraube ohnehin blockiert und das ganze Zeug würde den Wasserzulauf für die Kühlung blockieren oder noch schlimmer, die Kügelchen würden in den Wärmetauscher geraten und dort stecken bleiben.

Endlich ist ein Ende in Sicht und als wir aus dem Sumpf heraustreiben sehe ich wunderschöne bunte Fische an dessen Rand. Da kommt ein leichter Windhauch auf und treibt uns wieder zurück in den Blütenteppich. Nach einer Stunde ist es endlich geschafft, wir sind draußen.

Aber jetzt spielt der Wind verrückt. Er wechselt unaufhörlich die Richtung und die arme Windsteuerung weiß gar nicht mehr wohin sie steuern soll. Außerdem hängen an ihrem Pendelruder dicke Pflanzenbüschel die sie behindern. Dann plötzlich dreht der Wind, frischt auf und die Carina macht plötzlich 5 Knoten Fahrt mit backstehenden Segeln (=Segel auf der falschen Seite) und es beginnt zu regnen. Jetzt kommt Stress auf. Das ganze am Boden verstreute Nähzeug und die Kissen sind nun im Weg und müssen schnell nach drin gebracht werden. Das Badfenster noch schnell schließen, denn das liegt auf der Genuaschot, wieder raus – halsen – Segel trimmen – Windsteuerung wieder einstellen. Aber das Pendelruder ist blockiert von den dicken Pflanzenbüscheln die sich daran verhängt haben. Mit dem Bootshaken versuche ich das Pendelruder zu befreien. 15 Minuten kämpfe ich bis das ganze Zeug weggeschoben habe. Der Autopilot hat solange das Steuern übernommen. Inzwischen haben wir so viel Wind dass es höchste Zeit ist das Großsegel zu reffen. Ich komm ganz schön ins Schwitzen.

Endlich geschafft. Jetzt muss ich aber endlich aufs Klo. Als ich spülen will, geht es erst mal verdammt schwer – und dann kommen tausend Blättchen und Kügelchen dahergeschwommen und füllen meine Kloschüssel. Verdammtes Zeug. Auch aus dem Spülbecken kommen sie, überall sind sie, ich kann den Wassermacher nicht mehr betreiben, den Motor nicht verwenden … furchtbar dieses Zeug. Von nun an betrachte ich argwöhnisch die dahintreibenden Pflanzenteppiche an denen ich mich bisher immer so erfreut habe. Jetzt wünschte ich sie würden endlich verschwinden.

 Wenn nicht bald der Wind zurückkehrt habe ich gleich mehrere Probleme:

- Ich muss mit dem Strom haushalten.

- Ich komme nicht mehr voran – den Motor kann ich wegen der Pflanzen nicht verwenden.

- Das Wasser wird knapp – den Wassermacher kann ich wegen der Pflanzen nicht betreiben.

- Duschen ist ab sofort gestrichen. Noch 2 Tage wird das Wasser für Trinken und Kochen reichen, dann muss ich an meine eisernen Reserven – die Notkanister gehen.

- Der Seewasserhahn am Waschbecken in der Küche ist verstopft mit all den Pflanzenkügelchen und somit außer Betrieb. Den hatte ich bisher zum Vorspülen fürs Geschirr und vieles anderes verwendet für das auch Seewasser geeignet ist.

So schnell kann es mit der herrlichen Unabhängigkeit vorbei sein – und alles nur wegen schönen (verdammten) gelben Blüten die seit vielen Tagen auf dem Meer treiben. Da hilft auch die ganze Technik nichts mehr.

 

Die erste menschliche Stimme seit 30 Tagen

Ich sitze mit meinem Kaffee in der Morgensonne und schaue übers Meer. Da sehe ich ein Schiff. Seit 2 Wochen habe ich keines mehr gesehen. Es ist ein Frachter der flott unterwegs ist. Er wird mir wohl nicht in die Quere kommen.

Jetzt aber hat er den Kurs geändert und hält auf die Carina zu. Er ist auch bedeutend langsamer geworden. Ich beobachte das besorgt, aber die Peilung steht – das heißt wir würden zusammenstoßen. Wenn der noch näher kommt werde ich ihn wohl anfunken müssen und bitten mit mir nicht das „Lass uns kleine Segelschiffe erschrecken - Spiel“ zu spielen.

Dazu komme ich jedoch gar nicht. Aus dem Funkgerät ertönt eine weibliche Stimme „Sailingvessel on my starbordside – do you copy?“ Die meint mich! Ich melde mich und wir wechseln den Kanal. Ob denn bei mir alles in Ordnung sei und ob es mir gut geht, will sie wissen. Ja, danke, alles Bestens. Ich bin total platt. Da ändert doch glatt der Riesenfrachter seinen Kurs und ruft mich an, nur um zu sehen ob es mir gut geht. Wir plaudern noch ein wenig und sie verabschieden sich und wünschen mir eine gute Weiterreise. Als ich das Mikrophon zurückhänge bin ich so gerührt dass mir direkt die Tränen über die Wangen laufen. Gar nicht so sehr weil ich so lange keine menschliche Stimme mehr gehört habe, sondern weil sich jemand der mich gar nicht kennt Sorgen um mich macht und auf See die Welt noch in Ordnung ist.

 

Der Kampf um die letzten Meilen

Noch immer bin ich rundum zufrieden hier draußen und könnte durchaus noch einige Zeit so weiter segeln (wenn die Pflanzen nicht wären). Trotzdem freue ich mich jetzt auf Dominica. Ich bin schon neugierig wie es dort so ist. Und ich freue mich darauf im warmen Meer zu schwimmen. Auf was ich mich aber am Meisten freue wenn ich ankomme – auf mein Bett in der Vorkabine, denn die Bank im Salon auf der ich nun seit 4 Wochen schlafe ist nur 50 cm breit. Und darauf einfach liegen zu können und nicht ständig rumzurollen oder sich einspreizen zu müssen. Und ich freue mich auf einen ruhigen Ankerplatz an dem ich mich mal freihändig im und auf dem Schiff bewegen kann. Und ich freue mich auf frisches Gemüse und Obst dass mir schon sehr abgeht. Das wird aber alles noch etwas warten müssen. 

Am 27. Tag hatten wir nur noch 300 Seemeilen bis Dominica vor uns und hätten somit in knapp 3 Tagen da sein können. Leider ist aber seit dem der Wind wieder irgendwo, nur nicht bei uns. Trotz voller Segel geht es sehr langsam voran. Zeitweise stehen wir komplett und der Wind wird immer weniger. Das ist sehr frustrierend so kurz vorm Ziel.

Am Schlimmsten sind der letzte Tag und die letzte Nacht. Es wird keinen „Land in Sicht - Ruf“ geben. Es wird dunkel sein sobald wir nah genug sind. Die ganze Nacht brauchen wir für die Guadeloupe-Passage, also das Stück um vom Atlantik zwischen Guadeloupe und Dominica hindurch in die Karibik zu kommen. Der Wind ist so wenig dass die Windsteuerung keinen Vorwindkurs mehr halten kann und wir Halbwind segeln müssen. Dabei kommen wir sehr nah an die Insel Marie Galante und müssen ständig halsen. Schlafen fällt in dieser Nacht aus. Als ich gegen Mitternacht wieder rausgehe sehe ich an steuerbord auf der Reling einen Schatten, genau dort wo der im Moment nicht benötigte Bullenstander hängt. (Das ist eine Leine die das Hin-und-Her-Schlagen des Großbaumes verhindern soll / Großbaum – die untere Stange an der das hintere Segel, das Großsegel befestigt ist). Sonderbar, dass diese Leine einen so großen Schatten wirft. Ich zieh ein wenig daran, da bewegt sich der Schatten. Die Taschenlampe entdeckt einen großen graubraunen Vogel mit weißem Köpfchen der sich dort niedergelassen hat. Als ich mich umdrehe sehe ich 2 weitere Vögel dieser Art die auf dem Bügel des zusammengerollten Biminis sitzen. Später verteilen sie sich auf die Solarzelle und den Außenborder. Sie bleiben die ganze Nacht und stören sich auch nicht daran das ich ihnen oft ans Gefieder komme wenn ich die Windsteuerung wieder nachstelle.

Als der Morgen graut verabschieden sich die Vögel und lassen mir zum Andenken jede Menge Sch… im Cockpit, auf den Schoten, auf dem Binmini ...

Jetzt kann ich die Inseln sehen. Es sind noch 12 Meilen bis nach Portsmouth auf Dominica und irgendwie stimmt mich das jetzt ein wenig traurig. Jetzt ist es erst einmal vorbei mit dem unbeschwerten Segeln und der herrlichen Ruhe der weiten Ozeane.

Und jetzt hat der Wind wieder seine Flausen – kein Wind oder heftige Böen, so wie zu Beginn der Überfahrt. Jetzt wäre ich soweit dass ich sogar den Motor einschalten würde - aber die Pflanzen sind auch hier und zwingen mich bis auf die letzten Meter zu segeln.

Wir brauchen für die wenigen Meilen noch bis Nachmittag.

 

Am 04. April um 15:00 Uhr laufen wir gemeinsam mit der Seacloud (einem 4 Master) in die weitläufige Prince Rupert Bay ein - die Seacloud unter Motor, die Carina immer noch unter Segel.

 

 

04. April - Angekommen - nach einem Monat auf See

 

2858 Seemeilen – 1 Monat (31 Tage) ganz allein auf See

Davon 2788 Seemeilen unter Segel,

70 Seemeilen unter Motor – dabei 12 l Diesel verbraucht

Wind zwischen 0 und 6 Bft

Wellen zwischen spiegelglatt und 4 Meter

 

Unglaublich wie sicher die kleine Carina mich über den Atlantik gebracht hat. Wie unermüdlich und sicher sie dahingesegelt ist, wie zuverlässig die Windsteuerung Tag und Nacht den Kurs gesteuert hat und wie brav der Autopilot in schwierigen Momenten ausgeholfen hat. Wie fleißig Windgenerator und Solarzellen Strom geliefert und der Wassermacher Frischwasser bereitgestellt haben.

 

Wie war die Überfahrt?

  • 31 Tage auf See und keine Minute bereut.
  • Keine Schäden am Schiff (außer dem GPS)
  • Keine Verletzungen an mir (außer ein paar blaue Flecken)
  • Kein Sturm - die Wind und Wellenbedingungen nie gefährlich wenn auch oft beeindruckend bedrohlich.

 

Was war das Beste?

- Sonne auf dem Bauch

  • Wind in den Haaren
  • Voller Mond und Sternenhimmel
  • So viel Platz hier draußen, ein paar Grad hin oder her ist völlig egal – korrigiert der Wind meist von selbst wenn er wieder die Richtung wechselt. Und Gefahren gibt es keine hier draußen (kein gefährliches Land, Untiefen oder Schiffe die zu beachten wären)
  • So viel Zeit – ein paar Tage hin oder her ist ganz egal
  • Nicht einkaufen gehen zu müssen.
  • Kein Geld auszugeben.
  • Keine Termine.
  • Endlich in warme Gefilde gekommen zu sein.
  • Die Kontraste: faszinierende Wellen zu beobachten und im selben Meer spiegelglattes Wasser zu haben
  • Das Gefühl autark zu sein, auch wenn man mit den vorhandenen Ressourcen sorgsam umgehen muss.
  • Die Erkenntnis – es gibt keine Unabhängigkeit – wenn auch nur ein paar Pflänzchen der Grund sind. Aber man kann zu einem großen Teil selbst entscheiden wovon man sich abhängig macht.

 

Ich werde 1 bis 2 Wochen hier auf Dominica bleiben, das Schiff wieder in Form bringen, die Formalitäten für Panama und den Pazifik von hier aus regeln, ein bisschen Tourist spielen und dann weitersegeln nach Panama.

 

Es grüßt die Erika – endlich aus Amerika

 

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