/* Feste Breite um zu kurzes Bild bei erstem laden zu umgehen */ background
Logo Unter weißen Segeln

Carina's Logbuch

Oktober 2019

Carinas letzte Überfahrt, die beinahe unsere allerletzte geworden wäre

- von Neukaledonien nach Neuseeland

Noumea und das Riff liegen hinter uns, Neukaledonien ist bereits am Horizont verschwunden und ich segle schon den dritten Tag mit vollen Segeln hart am Wind durch ein relativ ruhiges Meer und mache durchschnittlich nur 3 kn Fahrt.

Eigentlich ist das Leben an Bord sehr angenehm und ich genieße es auch aber der Wind ist zu schwach und die Richtung passt nicht. Ich muss kreuzen (für die Nichtwissenden: gegen den Wind Zick-Zack segeln) und bin zu langsam. Das gute Wetter hält nicht ewig und ich muss fürchten dass mich ein Sturmtief ereilt bevor ich Neuseeland erreiche. Nachts bleibt der Wind fast gänzlich aus und ich motore viel mehr als ich eigentlich sollte mit meinem 45 l Tank. Aber ich muss vorankommen und die Zone mit den günstigeren Winden erreichen. Durch die ungünstige Windrichtung muss ich mehr als die doppelte Strecke segeln (bedingt durch die ewige Kreuzerei) und bin inzwischen auch viel zu weit nach Westen abgetrieben.

Am 5. Tag auf See wird der Schwell höher – 2 bis 3 Meter und das Segeln katastrophal. Der Wind ist immer noch zu spärlich und die Wellen verdrehen das Schiff immer wieder – es ist kaum möglich den Kurs unter Segeln zu halten. Aber ich kann nicht dauernd unter Motor fahren. Ich muss noch genügend Diesel-Reserven aufheben für Notfälle und die Zufahrt in den Hafen in Neuseeland.

Das Meer ist am 6. Tag rauh geworden, die 3 m Wellen kurz und steil und ich muss immer noch gegenan kreuzen. Heute schaffen wir nur 10 Seemeilen in die gewünschte Richtung obwohl wir 93 Seemeilen gesegelt sind. Noch 600 Seemeilen to go und immer noch zu weit West. Auf dem Weg vor mir liegt die Insel Norfolk die ich auf jeden Fall an seiner Ostseite passieren muss. Aber jetzt bin ich erst mal müde und leg mich für 2 Stunden auf‘s Ohr.

 

Mir REICHT`S

In den 2 Stunden die ich geschlafen habe ist die Carina die ganze mühselig gewonnene Strecke des letzten Tages wieder zurückgesegelt.

Am 7.Tag haben wir gar keinen Wind mehr, nur vereinzelte kleine Böen bringen uns langsam voran – aber wenigstens Richtung Osten. Die Insel Norfolk liegt nur noch 20 Seemeilen vor uns. Unter Segel kämen wir trotzdem noch nicht dran vorbei und so muss der Motor wieder eine Nacht lang laufen. Die Insel ansteuern und auf besseren Wind zu warten wär jetzt schön, aber erstens gibt es nur einen halbwegs geeigneten Ankerplatz und zweitens darf ich da nicht hin. Norfolk gehört zu Australien und ich würde ein Visum benötigen dass ich vorher hätte beantragen müssen. So lässt man mich da nicht rein – nur in einem Notfall darf man dort Schutz suchen – und einen Notfall habe ich nicht – nur Frust – und das reicht nicht.

Das Meer ist inzwischen wieder ruhig geworden, der Wind glänzt mit Abwesenheit und der Diesel reicht noch für 35 Stunden. Noch 450 Seemeilen to go, unter idealen Bedingungen 5 Tage, aber von „ideal“ sind wir weit entfernt.

 

Wenn das Meer leuchtet und der Wind ausbleibt

Am Abend des 8. Tages verschwindet Norfolk hinter uns am Horizont und im Meer tanzen 1000 winzige Sterne – Plankton! Immer wieder faszinierend es im Mondlicht leuchten zu sehen.

Tag 9, immer noch kaum Wind. Ich flicke meine Genua-Reffleine die schon wieder angescheuert ist. Das Großsegel klemmt etwas und die trockene Hitze hat die Schoten hart wie Stein werden lassen. Das erschwert jedes Manöver und ich versuche sie mit Wasser zu beträufeln um sie etwas beweglicher zu machen.

Der Wind ist komplett weg, wir stehen still in einem fast unbewegten Meer, der Motor bleibt aus. Ich kann es mir nicht leisten den wenigen verbleibenden Diesel zum Flauten-Schieben zu verbrauchen. Dabei verlieren wir über Nacht wieder ein wenig der gewonnenen Strecke. Die Strömung hat uns wieder zurückgetrieben.

Am 10.Tag nimmt der Schwell wieder zu und in der Nacht kehrt sogar der Wind wieder zurück – diesmal sogar aus einer vorteilhaften Richtung. Wir segeln flott vor dem Wind dahin mit Kurs auf Neuseeland – noch 320 Meilen to go.

 

Das Chaos bricht los

Am Morgen des 11. Tages regnet es und der Wind schwächt wieder ab. Nach dem Frühstück ist der Himmel immer noch gleichmäßig bewölkt und kaum noch Wind vorhanden. Alles ist ruhig und friedlich. Ich will gerade die Genua ganz ausreffen als das Chaos losbricht.

Schlagartig, ohne ein Zeichen der Vorwarnung dreht der Wind um 180 Grad, und aus dem Nichts fegt er mit 40 Knoten über uns hinweg. Dazu hab ich viel zu viel Segel draußen und es steht jetzt auch komplett verkehrt, was zur Folge hat dass das Schiff querschlägt, uns der Wind zur Seite aufs Wasser drückt und das Segel voll Wasser läuft. Ich schaffe es nur mit aller letzter Kraft das Schiff wieder aufzurichten aber den Kurs kann ich nicht ändern. Das Segel kann ich nicht reffen, da ich beide Hände und meine ganze Kraft benötige um die Pinne zu halten und Mühe habe mich im Cockpit zu verkeilen um nicht rauszufallen. Inzwischen haben sich die Schoten so vertörnt dass Reffen sowie so nicht mehr möglich wäre.

Das Meer ist inzwischen zu einer weißen Schaummasse geworden, der Wind heult in den Wanten, das Segel, das eigentlich auf Vorwindkurs getrimmt  war schlägt nun wie verrückt lautstark im Wind, droht zu reißen und will uns immer wieder aufs Wasser drücken, der Mast ächzt und ich bin überzeugt dass er jeden Moment brechen wird. Ich bin verzweifelt, hänge mit all meiner Kraft an der Pinne um ein weiteres Querschlagen zu verhindern, flehe und bitte dass der Wind wenigsten ein paar Minuten nachlässt um wieder alles unter Kontrolle zu bringen. Aber er bleibt unerbittlich. Jetzt wäre ein 2. Mann hilfreich gewesen, aber ich weiß dass ich unter diesen Bedingungen niemandem erlaubt hätte sich hier draußen aufzuhalten. Ich hätte sie alle ins Schiffsinnere gesperrt. Seit 30 Minuten hänge ich mit letzter Kraft, im Cockpit kniend, an der Pinne bis ich es endlich schaffe das Schiff vor den Wind zu drehen und vor dem Wind abzulaufen. Noch ein paar Mal drehen uns Wind und Wellen wieder zurück, aber dann endlich kann ich die Windsteuerung anhängen und wir segeln mit 5 - 6 Knoten, die gesamte Strecke der letzten Nacht wieder zurück. Es ist zum Verzweifeln. So erreichen wir Neuseeland niemals. Es ist zu rauh das Schiff wieder in den Wind zu drehen um das Großsegel zu reffen. Wir laufen weiter vor dem Wind ab. Diesmal waren wir sehr knapp daran dass dies für uns beide die „letzte Überfahrt“ geworden wäre.

Gegen Abend beruhigt sich die Situation etwas, nur noch 30 Knoten Wind, das Meer nicht mehr ganz so rauh, nur noch 3 m Welle aber kurz und steil. Ich kann die Windsteuerung arbeiten lassen um nach vorn zu kriechen um meine vertörnten Schoten zu richten, denn allmählich muss ich die Segel auf einen Kurs trimmen der uns zurück Richtung Neuseeland bringt. Dabei sehe ich die ersten Ausmaße des Schadens den die arme Carina genommen hat. Der Baum hat sich vom Mast gelöst, da ein Splint gebrochen war und sich der Pin der den Baum am Lümmelbeschlag am Mast fixiert, nach oben hinausgearbeitet hat. Der Baum wird nur noch vom Großsegel gehalten. (Für die Nichtwissenden: Der Lümmelbeschlag ist ein Gelenk dass den Baum (ist die horizontale Querstange) mit dem Mast verbindet. In diesem, in alle Richtungen beweglichem Gelenk. lümmelt der Baum sozusagen herum).

Jetzt besteht die Gefahr dass das Segel reißen wird und der Baum aufs Deck kracht. Ich hole Leinen und Bändsel und versuche den Baum so gut wie möglich am Mast zu fixieren.

Vernünftigerweise sollte ich nun das Großsegel ganz wegreffen, aber das kann ich nicht. Ich brauche das Großsegel um nach Neuseeland zu kommen. Wir müssen weiter gegen den Wind ankreuzen und das funktioniert alleine mit dem Vorsegel nicht. Also muss ich die inzwischen wieder auf fast 400 Seemeilen angestiegene Strecke nun sehr vorsichtig mit beiden Segeln zurücklegen. Der Diesel würde nur noch für ein Viertel der Strecke reichen.

Der Wind bleibt uns mit 25 bis 30 Knoten erhalten, leider viel stärker als er meinem beschädigten Rigg guttut. Ein Reffversuch ist fehlgeschlagen, immer noch ist das Meer zu rauh und ich kann das Schiff nicht lange genug im Wind halten um das Großsegel zu reffen. Aber trotzdem kämpfen wir uns nun auf Halbwindkurs flott Richtung Neuseeland voran. Der Schreck sitzt mir immer noch in den Gliedern und wird auch noch viele Wochen meine Art zu segeln beeinflussen.

Die Nacht bleibt stürmisch mit heftigen Regenschauern und starkem Seegang. Die Wellen krachen immer wieder über die Carina hinweg und im Schiff hat es nur noch 14 Grad.

 

Segeln „nach Gefühl“

Am 13. Tag verzeichne ich die Schadensbilanz im Logbuch. Lümmelbeschlag beschädigt, Baum nur mit Leinen am Mast fixiert. Einige Schoten schwer angeschlagen, die Halterung der steuerbordseitigen Solarzelle ist beschädigt und die Solarzelle hängt abgeklappt an der Seite, der Verklicker (für die Nichtwissenden, ein Wind-Indikator am Masttop der uns verklickert woher der Wind kommt) hängt schief, am seidenen Faden und wird es wohl nicht mehr bis Neuseeland schaffen. Ob das Rigg noch weitere Schäden abbekommen hat, kann ich hier draußen nicht überprüfen, aber auf alle Fälle werde ich so vorsichtig wie möglich weitersegeln.

Ich bin bereits überfällig und sende per Kurzwellenfunk eine Korrektur meines ETA (estimatet time of arrival - voraussichtliche Ankunftszeit) an Neuseeland customs. Es ist Vorschrift in Neuseeland, seine Ankunft Tage vorher anzukündigen.

Am nächsten Morgen ist der Verklicker verschwunden, irgendwo im Meer versunken zum Krabben-Karussell mutiert. Den elektronischen Windmesser habe ich schon vor Jahren im Sturm auf La Palma verloren. Jetzt kann ich die Windrichtung nur noch „nach Gefühl“ bestimmen. Hoffen wir dass 'mit meinem Gefühl noch alles stimmt'.  Das Meer bleibt rauh, der Wind kräftig und wir werden immer wieder vom idealen Kurs abgetrieben. Ich habe Bedenken ob unter diesen Umständen meine Notreparatur am Mast halten wird und bin daher noch knausriger mit meinem Diesel. Jede Meile die wir unter Segel schaffen ist wichtig. Kein Tropfen wird seit dem Knockdown mehr verbrannt bevor es nicht zum Notfall kommt.

Die nächste Nacht wird die Carina verdammt schnell, und schlägt hart in die Wellen. Ich will die Segel nicht verändern aus Furcht meine Notreparatur würde ein Reffmanöver nicht verkraften. Ich kann nicht schlafen bei diesem Gehopse und vor Kälte. Liege mit langer Hose und Jacke in meinem Daunenschlafsack.

Am 15. Tag befinde ich mich 95 Seemeilen zu weit östlich vom North Cape Neuseelands und segele mehr weg als hin. Jetzt sollte ich eigentlich 90 Meilen mehr westlich sein um das Cape zu runden und an der Ost-Küste entlang nach Opua in die Bay of Islands zu segeln.

 

Flaute

Gegen Mittag wird das Meer ruhiger und am Nachmittag ist der Wind komplett verschwunden. Noch 80 Meilen to go. Ich warte, aber der Wind kommt nicht zurück. Als die Nacht hereinbricht starte ich den Motor um etwas näher an die Küste zu kommen und ein wenig Schlaf zu finden.

Morgens um 06:00 ist Land in Sicht und der Motor wird ausgeschaltet. Aber es gibt weiterhin keinen Wind. Ich lass mich den ganzen Vormittag treiben, das Land ist zum Greifen nah, aber ich komm nicht hin. Ich beobachte die Seevögel die auf dem spiegelglatten Meer genau wie ich dahindümpeln. Im Gegensatz zu mir benötigen sie keinen Wind um übers Meer zu segeln, und das tun sie jetzt auch. Wehmütig schaue ich ihnen nach, wie gerne würde ich jetzt auch an die Küste segeln. Die Aussicht auf eine schlaflose Nacht vor der Küste ist nicht sehr verlockend.

Am Nachmittag funke ich Whangarei Maritime Radio an um mittzuteilen dass ich es wahrscheinlich auch heute nicht mehr schaffen werde vor Einbruch der Dunkelheit in Opua anzukommen. Ich erhalte eine Ausnahmegenehmigung bei Einbruch der Nacht zu ankern und am nächsten Morgen am Customs-Steg zu erscheinen.

Um 16:00 starte ich noch ein letztes Mal den Motor und laufe um 19:00 in der Dämmerung mit noch 3 l Diesel im Tank den Quarantänesteg in Opua an.

Ouuff, geschafft. Aus 900 Seemeilen wurden diesmal 1280 und aus 10 Tagen 16.

Ohne meine eisernen Dieselreserven hätte ich noch 4 Tage da draußen rumdümpeln müssen, denn so lange gab es gar keinen Wind mehr.

Jetzt aber erst mal ausruhen und am nächsten Morgen einklarieren bevor ich mir einen Ankerplatz suchen und Carinas tatsächliche Schäden begutachten und richten kann. Der Schreck sitzt noch immer in den Gliedern denn diesmal war‘s wirklich knapp. Mein Ur-Vertrauen in meine Carina und meine Zuversicht sind in ihren Grundfesten erschüttert. Es wird einige Zeit dauern bis sich das wieder legt und ich wieder unbeschwert dahinsegeln kann.

 

2024  Unter weißen Segeln um die Welt   globbers joomla templates
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.