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- Kategorie: Carinas Logbuch
- Veröffentlicht: Dienstag, 25. April 2023 04:46
Vom Sommer der keiner war – Stürmen, Cyclons und großem Katzenjammer
Neuseeland Jan - März 2023
Das ist die Geschichte vom Sommer der keiner war, vom ewigen Verstecken vor den Stürmen, von viel Sorge, Angst und Kummer und ein paar wenigen schönen Tagen zwischendurch.
Party-time in Whangarei
Und immer noch bin ich in Whangarei, ankere im Fluss vor Norsand. Ja.ja, der Hatea Glue hält mich wieder mal fest, oder eher das nicht küstentaugliche Wetter und jede Menge Freunde und Partys.
Seit der exCyclone Hale durchgezogen war, scheint hier wieder die Sonne und ich genieße es mich endlich mal im Cockpit sonnen zu können. Dazu war bisher kaum Gelegenheit obwohl wir bereits mitten im Sommer sind.
Heute morgen, ich bin noch im Nachthemd und trinke gerade Kaffee, sehe ich einen Mast sehr nach an der Carina vorbeiziehen, umdrehen und wieder auf die Carina zukommen, sehr nah!! Der wird mich doch wohl nicht rammen? Was soll das? Ich schnappe das Signalhorn und stürze nach draußen… Dort hält ein Katamaran auf mich zu und als er sehr, sehr nah dran ist, dreht er längsseits. Eine blonde Frau ruft etwas das sich nicht verstehe und ein behüteter Herr sitzt am Steuer. Was wollen die??? Mehrere Versuche der Frau mit etwas mitzuteilen bleiben unverstanden bis der Behütete fragt ob ich Erika sei. Ja, ich bin verdutzt, woher kennen die mich und was wollen sie? Sie seien die Margarita. Ahhhh, da macht es klick bei mir. Das sind meine Freunde Bruce & Dinah aus Auckland deren Liegeplatz ich immer kostenlos nutzen durfte. Ich hatte sie hier oben nicht erwartet und freue mich umso mehr sie zu sehen. Sie gehen für 2 Tage ins TownBassin. Na dann werde ich ihnen dort einen Besuch abstatten.
Einen der schönen sonnigen Tage nutze ich zu einem Spaziergang außerhalb der Stadt, durch dichten Wald den Berg hinauf. Hier oben, in einer Siedlung angelangt, erfreue ich mich an all den Blüten und bleibe stehen um den Tui zu entdecken, der lautstark aus dem Riesenbaum neben mir ruft. Ein Herr kommt über die Wiese seines Grundstücks herunter und meint, ja die Vögel …. furchtbar laut sind sie hier. Er und seine Nachbarn hatten vor Jahren Possums gejagt und Fallen aufgestellt und seitdem ist dieser Beriech frei von Nagetieren die die Nester der Vögle ausrauben. Dafür haben sie jetzt so viele Vögel hier oben dass sie morgens nicht mehr ausschlafen können. Mit der ersten Dämmerung geht das Spektakel los, an Weiterschlafen ist da nicht mehr zu denken. Ich frage ihn ob er denn die Possums gerne wieder zurück haben will. Nein, aber ausschlafen würde er schon gerne mal wieder.
Diese Woche ist voller Partys. Heute ist Roberts Geburtstag in Norsand. Ein richtiges Festessen haben er und Veronika veranstaltet. Es gibt (alles vom Grill) Muscheln, Scampi, mit Spinat und Schafskäse gefüllte Squids, Fisch, dazu Salate, Wein und wieder viele nette in Norsand gestrandete Segler die sich alle zu dieser Party eingefunden haben. Ich muss sie leider etwas frühzeitig verlassen, denn das Wasser läuft schon wieder ab und mein Beiboot würde bald im Schlamm sitzen.
Am nächsten Abend geht es weiter mit Party – auf Bobs Schiff Matahari im Town Bassin. Er hat einen Weber Grill im Cockpit montiert und darin schmort ein Rinderbraten. 9 weitere Gäste von 8 verschiedenen Schiffen haben sich eingefunden. Eine bunte Mischung, bis auf ein Paar alles Einhandsegler, die Jüngste gerade 20 die älteste 83 und alle sind sie noch fit und fröhlich unterwegs. Wir schlemmen wieder, mit kleinen Cräckern und Käsesnacks vorweg, Braten, gegrilltem Gemüse, Kartoffelsalat und Bier und Wein. Spannende und lustige Geschichten und gute Tipps machen die Runde. Heute bin ich der letzte Gast, denn Bob muss mich mit seinem Auto zum 3 km entfernten Kissingpoint zurückbringen an dem mein Beiboot wartet. Er bringt mich noch bis zum Beiboot und startet auch für mich den Außenborder (darüber bin ich immer sehr froh, denn bei mir will er manchmal nur mühselig anspringen). Ich bin noch gar nicht aus dem Yachtclub draußen und habe noch einen langen Weg durch die Dunkelheit vor mir, als der Außenborder plötzlich ausgeht. Ich rudere an den nahen Steg um zu schauen was los ist. Oh je, wie dämlich, ich hatte vergessen den Benzinhahn zu öffnen und mit dem bisschen in der Leitung kommt man natürlich nicht weit. Jetzt will auch der Außenborder (trotz jetzt offenem Benzinhahn) nicht anspringen und ich rudere einfach den km nach Hause. Zum Glück ist kein Wind und keine Strömung so dass es ganz einfach war. Und morgen mach ich mal Pause – keine Party und kein Wein.
Extravaganza Fair
Das Wetter sieht gut aus für nächste Woche um endlich mal nach Süden zu starten. Seit 6 Wochen dreht der Wind zum ersten Mal auf NordOst und sollte so um die 15 Knoten, also 3-4 Bft haben. Diese Chance will ich nutzen und mach mich auf den Weg nach Whangarei um Vorräte für die nächste Woche zu besorgen. Und weil ich die nächsten Tage auch keine Gelegenheit haben werde ein wenig zu gehen, gehe ich die große Runde zum Supermarkt. Die führt mich an einem sonst ruhigen Park vorbei auf dem heute reges Treiben herrscht. Neugierig nähere ich mich und staune über die altertümlichen Wohnmobile und Schaustellerfahrzeuge. Es ist „Extravaganza Fair“, eine Art Volksfest (Dult, Kirmes, wie auch immer das bei euch heißt), ähnlich dem Tollwut Festival in München, nur kleiner. Ich staune über die schönen alten Wägen die unten ihre Läden und oben drüber ihren Wohnbereich haben. Alles ist relaxt. Leute sitzen in der Wiese oder wandern zwischen den Wägen herum, auf mehreren Bühnen spielt in dezenter Lautstärke LiveMusik, so dass keiner den anderen übertönt und in den Bereichen dazwischen auch noch etwas Ruhe herrscht. Essensbuden und auf der Wiese ausgelegte Matten und Sitzsäcke oder alte Sofas laden zum Verweilen ein. An den Ständen gibt es Tücher, Klamotten aus der Hippiezeit und sogar ein handbetriebenes Kettenkarusell für die Kleinen. Eine Frau steht auf einer Plattform und dreht per Hand den großen Schirm an dem außen an Ketten kleine Fahrzeuge hängen in denen kleine Kinder mitfahren. Ich verbringe ein paar relaxte Stündchen hier bevor ich mich in den Supermarkt stürze um meinen Proviant für die nächsten Tage zu besorgen. Am Sonntag nochmal Wasser holen und Duschen in Norsand, mich von meinen Freunden verabschieden und dann los Richtung Meer mit Zwischenstopp in der Parua Bay.
Hier hat sich die gesamte TownBassin Mannschaft (Bobs Nachbarn und Freunde) eingefunden und so wird es auch hier wieder sehr gesellig. Carinas Wasserlinie und Bauch werden noch geschrubbt, das Beiboot an Deck aufgerollt und am späten Nachmittag wechsle ich in die UrquartsBay ganz draußen an der Flussmündung um am nächsten Morgen die Überfahrt in den Hauraki Gulf zu starten.
Waschküche
Dienstag 05:00 Uhr morgens; der Wecker klingelt. Es ist noch dunkel ab ich muss raus, beim ersten Morgenlicht will ich den Anker lichten und los. 45 Seemeilen liegen vor mir, also voraussichtlich 12 Stunden Überfahrt und der Wetterbericht meldet 15 kn aus NordOst. Ich freue mich auf eine endlich mal schöne Überfahrt unter Segeln.
Noch ist es ganz windstill, ich koche Kaffee, richte mir 2 Sandwichs für unterwegs und in der ersten Morgendämmerung lichte ich den Anker. Kein Lüftchen regt sich. 2 Stunden fahren wir unter Motor, ich trinke meinen Kaffee und frühstücke. Dann kommt der Wind und ich setzte endlich mal wieder die Segel. Ich genieße es alleine zu segeln, also alles wieder selbst zu machen, auch mal selbst zu steuern was bisher immer meine Gäste tun wollten. Aber bald übergebe ich diesen Job an die Windsteuerung und freue mich dass sie weiterhin so zuverlässig arbeitet. Der Wind frischt ordentlich auf und er kommt auch nicht aus NordOst sondern nur aus Ost. Das heißt kein gemütlicher Raumschotkurs, sondern „Am Wind Kurs, teilweise Halbwind“ und das Meer wird sehr lebhaft. Wir rauschen mit 6 Knoten durch die jetzt schon fast 2 m hohen Wellen. Es wird rau, unten im Schiff klappert und scheppert es, oben platschen Wellen ins Cockpit und machen mich pitschnass. Zum Glück ist es nicht kalt. Die angekündigten 15 Knoten sind inzwischen 25 Knoten und bei dieser Windrichtung für die leichte Carina ganz schön viel. In der Vorkabine herrscht Chaos. Die Rettungsinsel, das Fenderbrett und alles was sonst da vorne verstaut ist (inklusive mein Bettzeug ist durch die Gegend auf die andere Seite gerollt und sorgt nun für eine ganz ungünstige Lastverteilung. Im Salon sind die Kissen von den Bänken und die Teller aus dem Regal geflogen und liegen über den Fußboden verstreut. Das Meer hat sich in eine regelrechte Waschküche verwandelt. So war das nicht vorhergesagt. Da wär ich nicht losgesegelt. Aber jetzt bin ich mitten drin und es gibt kein Zurück. Ungern reffe ich das Vorsegel, denn mit der aktuellen Geschwindigkeit hätte ich mir ein paar Stunden hier draußen erspart. Aber es geht einfach nicht mehr. Mit nur noch sehr wenig Segel machen wir nun 4 Knoten Fahrt und das Leben ist bedeutend angenehmer geworden. Nach dem Cape Rodney lässt auch der Wind ein wenig nach, die Sonne kommt raus und es nicht mehr weit bis ich Schutz hinter Kawau Island finden werde.
Es ist spätnachmittag und der Bon Accord Harbour auf Kawau ist fast leer. Unglaublich, normalerweise ist es hier gesteckt voll, mit ca 100 ankernden Segel- und Motoryachten. Umso besser, da habe ich freie Platzauswahl und ankere unweit des Yacht Clubs. Es ist zwar auch hier noch recht windig aber kaum Welle.
Hafenkino in Kawau-Island
Da ankere ich nun im gut geschützten Bon Accord harbour auf Kawau Island. Kaum eine Welle findet ihren Weg hier hinein, der Wind jedoch fegt ordentlich über uns hinweg. Es gibt immer was zu schauen, die kleinen Wassertaxis die zwischen Festland und der Insel verkehren, das Postschiff das täglich kommt und all die zahlreichen privaten Stege vor den Häusern anläuft. Briefe, Päckchen, Lebensmittellieferungen werden hin und her gegeben und weiter geht’s zum nächsten Steg. Nach Kawau verkehrt nur eine Personenfähre, das Postschiff und die kleinen Wassertaxis, denn die gesamte Insel ist Auto-frei. Keine Straßen, nur Wege und davon nur ganz wenige öffentlich. Der überwiegende Teil der Insel ist in privater Hand und uns ist der Zutritt dorthin verwehrt. Einkaufsmöglichkeiten gibt es auf der Insel nicht.
Aber der kleine Yachtclub heißt Besucher aus aller Welt willkommen. Es gibt ein nettes Restaurant, Duschen, Waschmaschinen, Dieseltankstelle und Trinkwasser, alles zu unserer Verfügung, allerdings für eine erhebliche Gebühr.
Zahlreiche Yachten kommen und gehen und alle wollen sie so nah wie möglich vor dem Yachtclub ankern um den Weg per Beiboot zum Restaurant so kurz wie möglich zu halten. Und somit sind sie auch immer ganz nah bei mir. Das gefällt mir gar nicht, denn wenn ich Ihnen zuschaue wie sie ankern ist schon vorprogrammiert dass der Anker nicht halten wird. Es erinnert mehr an parken als an ankern. Sie kommen, lassen den Anker fallen, haben viel zu wenig Kette, springen sofort ins Beiboot und sind schon auf dem Weg ins Restaurant. Das scheint offensichtlich der Hauptgrund zu sein um nach Kawau zu kommen. Und so kommt es wie es kommen muss, die Schiffe driften davon während ihre Mannschaft unbesorgt im Restaurant speist. Alleine heute waren es 5 Schiffe die abtrieben. Einer davon entkam nur um Haaresbreite einer Strandung.
Squash-Zone
Squash-Zone - das ist hier ein feststehender Begriff in der Meteorologie und bezeichnet den Bereich an dem sich Hochdruckgebiet und Tiefdruckgebiet treffen. Aktuell haben wir ein sehr starkes Hoch mit 1035 hPa im Südosten und ein starkes tropisches Tief (die Überreste von Cyclone Irene) im Nordwesten. An Ihren Grenzen bringen sie beide sehr starke Winde mit sich die sich dort zusammendrängen und verdichten und exCyclone Irene bringt Unmengen von Wasser aus den Tropen mit. Und das ist das aktuelle Wetter seit Mittwoch. Starkwind bis Sturm mit Böen von 45 Knoten und extrem starken Regen. Leider ist eine Squash-Zone kein kurzlebiges Wetterphänomen wie ein Sturm, der in ein bis 2 Tagen durch ist, sondern eine langwierige Geschichte. Mindestens 1 Woche werden wir uns in dieser Squash-Zone befinden. Das Hoch drängt das Tief nach Norden ab und das Tief schiebt das Hoch wieder zurück nach Süden. Da beide ziemlich gleich stark sind gibt das nun über die nächsten Tage ein ständiges Hin-und-Her Gerangel und wir müssen es im wahrsten Sinne des Wortes ausbaden.
Mein Plan war ja eigentlich nach Waiheke weiter zu segeln, aber dort werde ich keinen so geschützten Platz finden. Die wenigen dort sind sicher rammelvoll. Also bleibe ich wo ich bin, im von allen Seiten (außer West) geschützten Bon Accord Harbour auf Kawau Island. Hier bläst zwar der Wind fast ungehemmt durch, aber es kann sich kaum Welle aufbauen, dafür ist einfach zu wenig Platz hier in dieser tief eingeschnittenen Bucht, das Land rundherum verhindert das. Ich habe wieder mal alles sturmsicher gemacht und die gesamte Ankerkette ausgebracht. Alle anderen Schiffe (bis auf 4) haben die Insel verlassen um zurück zu kehren in Ihre Marinas in Auckland oder Gulf Harbour. Wir Zurückgebliebenen wettern nun wieder mal den nächsten Sturm ab der uns kaum noch aus der Ruhe bringt. Inzwischen sind wir ja schon so sturmerprobt und daran gewöhnt in diesem eigenartigen Sommer.
Es bläst, es schüttet und es ist bereits dunkel draußen. Wie immer sind die Stege am YachtClub und der Dhingy-Pontoon hell beleuchtet. Zwischen den Bäumen lugen die Lichter der verstreut liegenden Häuser hervor. Plötzlich sehe ich einen flammenden roten Schein und dann noch mal, rot, weiß grünlich hinter dem Hügel und etwas Rauch – eine Leuchtrakete? Ein Schiff in Not? Nein, das war viel heller und irgendwie ganz anders und jetzt sind auch schlagartig alle Lichter auf der Insel erloschen. Es war ein Blitzschlag der in die Überlandleitung eingeschlagen hat. Oh je, das wird dauern bis die Insel wieder mit Strom versorgt werden kann.
So viel Wasser …
..und zwar nicht nur um mich herum sondern vor allem von oben.
Seit Donnerstagabend regnet es unaufhörlich, was heißt regnet – es schüttet, aus Eimern. Die Welt rundherum ist im Regengrau verschwunden, Böen mit 45 Knoten fegen über uns hinweg und es ist unmöglich auch nur den Kopf mal aus dem Niedergang zu stecken. Im 80 km entfernten Auckland ist der Notstand ausgerufen worden, der Flughafen und große Teile der Stadt sind überflutet, teilweise bis zu 2 m hoch steht das Wasser in den Straßen und Häusern. 4 Tote sind bereits zu beklagen. Obwohl es den ganzen Tag schon regnete kam die Überflutung doch ziemlich plötzlich und ganz ungünstig zum Einbruch der Dunkelheit. Einige konnten rechtzeitig evakuiert werden, viele andere saßen auf den Hausdächern und warten darauf aus den Fluten gerettet werden während Elton John „frustriert“ ist dass sein Openair-Konzert in Auckland an diesem Abend abgesagt wurde. In welcher Welt lebt der denn?
Der Carina machen die Überflutungen nichts aus, sie schwimmt einfach obenauf, aber das Beiboot ist wieder randvoll und alle paar Stunden pumpe ich das Wasser aus der Bilge.
Seit heute Mittag scheint die Sonne wieder und ich beginne das Wasser aus dem Beiboot zu schöpfen, ca 200 l sind da drin. Und es ist reinstes, weiches Regenwasser, viel zu schade um es einfach über Bord zu kippen. Noch dazu wo am Yacht Club seit gestern Abend kein Wasser mehr zu bekommen ist, denn der Blitzschlag gestern Nacht hat die ganze Insel stromlos gemacht und somit funktioniert auch die Pumpe für den Wasserhahn nicht. Dinge die mich auf der autarken Carina nicht belasten. Auf so kleinen Inseln dauert es auch immer sehr lange bis die Versorgung wieder hergestellt ist und somit bleibt der Yachtclub geschlossen und damit die Wasserversorgung inkl. Duschen die nächsten 5 Tage, bis mindestens Mittwoch aus.
Wen störts, wenn ich mehr als 200 l reinstes Regenwasser neben mir schwimmen habe. Im Cockpit stehen Eimer mit Leinentüchern bespannt durch die das Regenwasser gefiltert wird, und die Kanister stehen bereits Schlange um ebenfalls aufgefüllt zu werden. Und so filtere ich das Wasser noch 2 x bevor ich damit meinen Frischwassertank und alle Reservekanister auffülle. Nachdem Tank, Kanister und noch 2 weitere Eimer gefüllt sind, ist immer noch genug Wasser im Beiboot (mehr als halb voll) um es als Badewanne zu nutzen. Bewaffnet mit Shampoo und Waschlappen steige ich ins Boot und genieße mein erstes Vollbad seit Jahren (zuletzt Nov 2021 in Vancouver). So nun sind wir alle wieder supersauber (auch das Beiboot) und ich kann das Badewasser nun ausschöpfen. Ein erfolgreicher Tag.
Gerade fertig halten meine Nachbarn auf dem Weg zurück vom “wegen Stromausfall geschlossenen“ Yachtclub zu Ihrem Boot bei mir auf einen Kaffee an. Dann noch ein bisschen Wäsche waschen um das viele Wasser zu nutzen, das Cockpit wieder aufräumen und den Abend genießen.
Leider hielt das „Gute Wetter“ nur einen Tag an und es stürmt bereits weiter. Ich mach mir ernsthafte Sorgen ob ich in 3 Tagen nach Gulf Harbour segeln kann wo Carina einige Termine hat
Am Mittwoch morgen, dem Tag der geplanten Ankunft in Gulf Harbour hat sich der Wind beruhigt und ich habe eine schöne Überfahrt unter Segeln nach Gulf Harbour. Nur leider macht der Motor wieder Schwierigkeiten. Er zieht einfach nicht mehr. Ich schaffe maximal 2 Knoten unter Vollgas, manchmal tut er einfach gar nichts oder geht einfach aus. Oh je, hoffentlich bringt er mich heil in die Marina zu meinem reservierten Anlegesteg.
Unter Monstern – Gulf Harbour Marina
Nach einem wunderschönen Segeltag liegt nun die Gulf Harbour Marina vor mir. Ich pack die Segel weg und motore nun betend durch den schmalen Kanal in die Marina. Bitte, bitte lieber Motor, halte durch, denn genau jetzt fegt der Wind wieder wie wild und ich hätte nicht genug Zeit und Platz um Not zu ankern in dieser schmalen Fahrrinne. Meter für Meter kämpfen wir uns langsam vorwärts, denn schnell kann der Motor ja nicht mehr und dann endlich bin ich am Steg – am Superyachtsteg, da wo all die Monsteryachten mit mindestens 20 m Länge aufwärts und 5 bis 10 m Höhe liegen. Die kleine Carina sieht richtig verloren aus zwischen all den Riesen. Aber das war der einzig freie Platz, denn der nächste Sturm wartet bereits und alle wollen einen sicheren Liegeplatz haben. Wenigstens ist hinter mir kein Steg so dass ich in diese Richtung freie Sicht habe – allerdings auf die Tankstelle an der tagsüber reges Treiben herrscht. Nachts ist der Tanksteg über und über von Möwen belagert. Erstaunlich dass sie ausschließlich dort sitzen, nicht eine einzige ist auf den Anlegestegen zu sehen.
Nun muss ich aber erst mal ins Marinabüro und mich melden. Das wird ein langer Weg, denn mein Steg liegt auf der gegenüberliegenden Seite und die Marina erstreckt sich in einen ca 1,5 km langen Kanal an dem die Reichen ihre privaten Stege direkt vor der Haustür haben und um den muss ich außen rum. Nach 25 Minuten flottem Marsch habe ich gerade mal die halbe Strecke geschafft und muss feststellen dass ich es heute nicht mehr schaffe bevor das Büro schließt. Zum Glück gibt es im Marina Village, in dem ich mich gerade befinde einen Supermarkt und kaufe noch ein wenig ein, so dass der Weg nicht ganz umsonst war.
Auf dem Rückweg schau ich mir die Gegend an und gehe ein kleines Stück einen Weg hinein. Ein älteres Pärchen mit Hund (grins... ca mein Alter) kommt mir entgegen und ich frage sie wohin der Weg führt. Ins Marina-Village, direkt am Fluss entlang. Hmm da komm ich ja grad her, nur leider einen viel längeren Weg außen rum durch die Siedlung. Nach 100 m dreh ich um und wenig später treffe ich wieder auf die Beiden. Wir plaudern kurz und sie fragt was ich denn heute zu Abend essen werde. Sie hätte einen schönen Salat gemacht und sie würden sich sehr freuen wenn ich mit Ihnen kommen würde. Zu gerne würde ich die Einladung annehmen aber ich bin schon so k.O heute und müsste nochmal ins Marina Village zurück gehen und von dort wieder zurück zur Carina. Mit ehrlichem Bedauernd lehne ich ab, was auch die Beiden sehr bedauern. Sie hätten sich auf ein paar spannende Geschichten von mir gefreut.
Der Grund des Marina Aufenthalts ist mein Spectra Wassermacher, der nicht mehr funktioniert und morgen früh von einem Spectra Spezialisten überprüft und repariert werden soll.
Ebenso habe ich ein neues UKW-Funkgerät mit integriertem AIS bestellt, das ebenfalls morgen gebracht und installiert werden soll
James kommt, wie vereinbart um 08:00 Uhr morgens prüft und nimmt den Wassermacher mit.
Er ist kaum weg, da kommt auch schon Matt mit dem neuen Funkgerät und dem Antennensplitter und baut beides ein. Es ist noch nicht mal Mittag und alles ist erledigt. James ruft an, er hat den Wassermacher repariert und er würde ihn morgen früh um 08:00 wieder bringen und einbauen. Ich habe also noch den ganzen Nachmittag frei. Eigentlich sollte ich froh sein, aber mein Motor macht mir weiterhin Kopfzerbrechen. Alle sagen sie ich hätte Dieselbugs, aber das glaube ich nicht. Trotzdem beschließe ich zum xten Mal die Dieselfilter zu wechseln um sicherzustellen dass es NICHT der Diesel ist der Probleme verursacht, bevor ich weitere Spezialisten beauftrage um nach der Ursache zu suchen.
Ich gehe hinüber in die Marina – es ist schrecklich heiß. Kein Lüftchen regt sich, der Schweiß tropft mir von der Stirn – ich bezahle gleich Marina weil ich nicht nochmal den langen Weg gehen will. Die Marina-Lady empfiehlt für meinen Motor zu „Marine Solutions“ zu gehen wo ich ewig warte bis sich ein Kunde bei dem armen Kerl, der gar nichts dafür kann, ausgekotzt hat weil das bestellte Teil noch nicht gekommen ist. Endlich bin ich dran – wir plaudern erst mal unbeschwert über Lieferzeiten, Deutschland, Gott und die Welt bevor ich frage ob jemand heute oder morgen meine Dieselfilter wechseln kann. Eigentlich nicht, aber Ralph macht es möglich. Ich warte bis Andrew von der Mittagspause zurück ist und werde dann von ihm per Auto mitgenommen zur Carina. Alle Filter sind blitzsauber – also keine Dieselpest. Nur hilft mir das jetzt auch nicht weiter. Andrew entdeckt eine gebrochene Dichtung auf der sekundären Entlüftungsschraube durch die Luft ins System kam. Er wechselt diese aus. Das hätte das Problem verursacht meint er und jetzt sollte alles wieder gut sein.
Andrew nimmt mich mit zurück zum Workshop. Ich bezahle, dann werde ich noch mit allen Arbeitern bekannt gemacht während ich in der Werkstatt warte und mich umschaue bis Ralph Feierabend hat und mich zurück zur Carina fährt. Mann sind die alle supernett und hilfsbereit hier. Und alle meine Reparaturen sind an einem Tag erledigt. Ich bin so froh und begieße das mit einer Flasche Wein beim Sonnenuntergang im Cockpit.
Am nächsten Tag regnet es. Der Wassermacher kommt zurück und funktioniert. Es war wie vermutet die Clark Pumpe die verschmutzt war und damit nicht mehr genug Druck aufbauen konnte um das Wasser durch die Membrane zu pumpen und zu entsalzen.
Da ich vermutet hatte dass alles viel länger dauert hatte ich auch die Marina länger gebucht und nun noch 2 Tage frei. Ich nutze sie und wasche Carinas Teppiche und putze das Teak auf Deck im Regen.
Am nächsten Tag mittags hört der Regen auf, Teppiche und Teak trocknen und ich kann das Teak ölen um es vor Verwitterung zu schützen. Ich putze die Motorbilge und trocken das Wasser aus das beim Wassermachertest ins Schiff gelaufen war. Dann marschiere ich in der brütenden Hitze, mit der Dreckswäsche im Rucksack wieder ins Marina Village zum Waschsalon.
So nun ist alles erledigt und ich kann am Sonntag morgen bei strahlendem Sonnenschein die Marina verlassen und zum lang ersehnten Ankerplatz auf Waiheke segeln.
Waiheke Island
Wie von Andrew empfohlen lasse ich den Motor 20 Minuten unter Vollgas laufen … und er funktioniert problemlos. Mann bin ich froh, was so eine kleine Dichtung für 5 Cent für einen Unterschied macht.
Dann schalte ich den Motor ab und segle unter super Bedingungen Richtung Waiheke. Im Laufe des Nachmittags frischt der Wind auf, die Wellen werden sehr heftig. Die Einfahrt in meine bevorzugte Oneroa Bay auf Waiheke ist zu rau. Ich kann dort nicht ankern, Wind und Welle stehen direkt in die Bay. Es wäre zu gefährlich, ich drehe ab und nehme Kurs auf die geschütztere Matiatia Bay in der auch der Fährterminal liegt. Die Einfahrt in die Bay ist nicht besonders breit und geht zwischen Felskaps hindurch. Drinnen sieht es recht voll aus. Na ja, es ist Feiertag und ein langes Wochenende, da ist ganz Auckland unterwegs, mal sehen ob ich noch ein Plätzchen finde. Die Segel sind bereits eingeholt und direkt in der Einfahrt stirbt der Motor ohne Vorwarnung ab. Der Ankerplatz ist überfüllt und von hinten kommt die Fähre auf mich zu. Zum Glück springt der Motor gleich wieder an und bringt mich noch bis zu einem kleinen freien Fleckchen an dem ich ankern kann. Allerdings mit viel weniger Kette als ich normalerweise ausbringen würde. Aber ich habe keine Wahl, es ist einfach nicht genug Platz und ob mich mein Motor da wieder heil hinausbringt ist im Moment sehr fraglich.
Der Ankerplatz ist hübscher als gedacht – die stündlich verkehrenden Fähren stören nicht – sie sind sehr leise und machen keine Welle. Gegen Abend leert sich auch der Ankerplatz etwas und ich kann ein wenig mehr Kette ausbringen. Jetzt ist es richtig gut hier. Es gibt einen Dhingy Pontoon, Wasser und Diesel und ich beschließe hier zu bleiben bis in 5 Tagen meine Crew aus Deutschland hier in Waiheke an Bord gehen wird.
Der Wetterbericht ist gar nicht erfreulich – der nächste Sturm ist im Anzug, aber erst in einer Woche. Ich überlege wo ich am Besten Schutz finden kann. Hier ist es nicht ideal wenn der Wind aus Westen kommt und es ist nicht genügend Platz um für solches Wetter genügend Ankerkette zu stecken. Ich verfolge aufmerksam seine Entwicklung zum Cyclon der Kategorie 3 - und er ist auf dem direkten Weg nach Neuseeland. Ich informiere meine Crew und empfehle den Törn abzusagen, da sie sonst mindestens 5 Tage von ihrem 7 tägigen Törn mit mir in einem versteckten Ankerplatz den Sturm abwettern müssten. Dazu haben sie wirklich keine Lust und sie beschließen sich in Waiheke eine Unterkunft zu suchen und mir, bevor das Getose losgeht, einen Besuch am Ankerplatz abzustatten.
Noch ist es ruhig und ich mache meine Einkäufe und eine Wanderung durch Oneroa, das in 15 Minuten zu Fuß erreichbar ist. Eine meiner Gasflaschen ist leer und mein Besuch in der Gasfüllstation macht mir wenig Hoffnung – sie füllen keine ausländischen Flaschen ohne Zertifikat, aber ich könnte sie ja mal bringen und er schaut sie sich an. Ich habe nur noch für eine Woche Gas.
Ich habe versucht eine Boje in Matiatia Harbour anzumieten, ohne Erfolg.
Der Abend wird schön und sonnig, aber ich kann ihn nicht wirklich genießen. Der kommende Cyclon mit Böen von 75 kn macht mir Sorge und Angst. Der Wind wird aus allen Richtungen kommen, wie das halt bei einem Wirbelsturm so ist. Hier ist der Ankerplatz rundum geschützt, nur nach Westen gibt es eine kleine Öffnung aber es ist nicht viel Platz hier – kann max 20 bis 30 m Kette auslegen bei einer Wassertriefe von 6 m. Das reicht unter normalen Bedingungen aber in einem Cyclon sollte man viel Platz haben und alles ausbringen das man zur Verfügung hat.
Mir wird Angst und Bang und bevor ich ins Bett gehe, schreibe ich eine verzweifelte Liegeplatzanfrage an die Westhaven Marina in Auckland.
Am nächsten Morgen habe ich beriets Antwort. Ja!! Sie haben eine Platz für mich –zwar größer als ich benötige und damit auch teurer – aber das ist mir jetzt völlig egal – ich bin sooo froh überhaupt einen Platz zu bekommen. Ab jetzt ist mein Leben wieder unbeschwert – jetzt muss nur noch die Gasgeschichte klappen.
Also Gasflasche in den Rucksack, ab ins Dhingy und 2 km zur Gasstation laufen. Langes Überreden, bitten und jammern hilft schlussendlich den Kerl zu erweichen und gegen seine Vorschriften meine Gasflasche zu füllen. Der nahende Cyclon hilft auch ein wenig dazu.
Mit der vollen Flasche im Rucksack wandere ich vergnügt zurück zum Schiff und meine Welt ist wieder in Ordnung. Entspannt kann ich den abendlichen Sonnenuntergang genießen und später die Lichter von Aucklands Downtown in der Ferne funkeln sehen, die mir Sicherheit für die kommenden Tage verheißen.
Im Auge des Cyclons
Am absolut windstillen Freitag lichte ich den Anker und mach mich auf den 3 stündigen Weg nach Auckland. Das Meer ist ruhig, die Sonne scheint, der Wassermacher produziert reinstes Trinkwasser für die nächste Woche und alles wäre heile Welt wenn Carinas Motor so laufen würde wie er sollte. Es ist zwar jetzt bedeutend besser als vorher (seit das Airleak auf der Entlüftungsschraube gefixt ist) aber trotzdem verhält sich der Motor besorgniserregend. Er kommt und geht, wird langsamer und fängt sich wieder, alle paar Minuten – wie lange das wohl gut gehen wird? Ob ich mich letzten Endes doch nach Auckland hineinschleppen lassen muss? Segeln geht ja nicht ohne Wind. Dann aber, nach ca 1 ½ Std hat sich die Situation gebessert und alles läuft normal. Browns Island leuchtet wie immer im schönsten Grün, die Silhouette von CBD Auckland wird klarer und ich nähere mich der Marina direkt vor der Harbourbridge (der einzigen Verbindung über den riesigen Waitemata Harbour - andernfalls 1 ½ Stunden Umweg um auf die andere Seite mit einem nicht schwimmenden Vehikel zu kommen) Leider hat der Motor in der letzten Viertelstunde wieder ein paar Ausfälle gehabt und ich zittere nun auf den letzten Metern in die Marina. Im Notfallmüsste ich den Anker fallen lassen und warten bis die Berthingmaster mit dem großen Beiboot kommen um mich in den Liegeplatz zu bugsieren. Der liegt am hintersten Ende der 2000 Plätze bietenden Marina. Alles geht gut, der Motor benimmt sich und der Berthingmaster wartet bereits am Steg um mir beim Anlegen zur Hand zu gehen.
Und jetzt kann ich mich endlich entspannen. Carina ist in Sicherheit, die Motorengeschichte muss ich nach dem Cyclon noch angehen, aber erst mal sollten wir hier gut aufgehoben sein.
Inzwischen sind sich die Meteorologen sicher dass der Cyclon, der den Namen Gabrielle bekommen hat, voll auf die Nordinsel Neuseelands treffen wird. Der Notstand wurde ausgerufen, die Menschen werden angehalten Nottaschen zu packen mit wichtigen Papieren, Medikamenten, Kleidung um kurzfristig evakuiert werden zu können. Alle sollen sich für mindestens 3 Tage mit unverderblichen Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten, Taschenlampen und ausreichend Batterien eindecken, da mit Stromausfällen, Erdrutschen, Überschwemmungen und Schließungen der Straßen zu rechnen ist. Einige Regionen könnten komplett von der Außenwelt abgeschnitten werden. Auch der gesamte Transport könnte eingestellt werden und Läden geschlossen bleiben.
Dementsprechend geht es jetzt auch in den Supermärkten zu. Obwohl die Supermärkte in den letzten Tagen, in Vorbereitung auf das kommende Wetter, um ein vielfaches aufgestockt haben, sind einige Regale fast leer, betroffen sind ín erster Linie Milch, Eier und Brot (wobei Brot hier nicht wie bei uns frisch Gebackenes ist, sondern abgepacktes, überwiegend Toastbrot).
Evakuierungszentren sind eingerichtet und mit Decken, Kleidung und Essenspaketen bestückt. Per Internet, Radio und Textmessages auf das Handy werden wir auf dem Laufenden gehalten.
Auch in der Marina herrscht reges Treiben – Leute die ihre Boote sturmsicher vorbereiten und die Segler die von der Race zurückkehren die eigentlich eine Woche hätte dauern sollen, nun aber auf eine Nacht und einen Tag verkürzt wurde.
Ich habe die Carina so gut wie möglich gesichert mit allen Leinen die ich zur Verfügung habe, doppelt und dreifach belegt- alle Fender ausgebracht, die Solarzellen weggeklappt und Fender drangebunden, das Bimini weggerollt und alles nach drinnen gebracht was lose ist.
Sonntag Morgen:
Es hat die ganze Nacht schon heftig geblasen und leicht geregnet. Im Norden, in der Bay of Islands ist der Cyclon schon angekommen hat 1500 Haushalte ohne Strom gelassen. Besonders betroffen ist Russel (dort wo ich die meiste Zeit meines Aufenthalts in der BOI verbringe). Im gegenüberliegenden Paihia ist die Straße wegen Überflutung gesperrt. Auch Whangarei kämpft bereits mit starken Überflutungen und heftigen Sturmböen .Wir erwarten das schlimmste für heute Nacht bis Dienstag früh. Gerade habe ich mit einem lauten unmissverständlichem Alarmton eine Meldung auf mein Handy bekommen:
„Fertig machen zum Evakuieren in einigen Stadteilen, das Haus nicht verlassen wenn nicht unbedingt notwendig. Sich auf dem Laufenden halten. Eine Liste der nahegelegenen Evakuierungszentren die man aufsuchen soll wenn man sich gefährdet fühlt, dass man seine Haustiere in einer Box mitbringen soll (weil sonst viele ihr Haus nicht verlassen würden) und die aktuellen Notrufnummern. Für Dienstag früh wird eine Sturmflut erwartet ..“
Air Neuseeland hat alle Inlandflüge und die meisten Internationalen Flüge ab heute abend storniert.
Auf der Harbourbridge, nur 100 m von meinem Liegeplatz entfernt sind bereits seit heute morgen Geschwindigkeitsbegrenzungen und die sonst mehrspurige Autobahn ist auf eins Spur pro Richtung reduziert. Voraussichtlich wird sie heute Nacht komplett für den Verkehr geschlossen.
Die Medien halten uns im 10 Minuten Takt auf dem Laufenden
In den letzten 40 Jahren wurde kein so extremer Tiefdruck registriert wie heute, „956 hPa“.
Ich habe eingekauft und alles an Bord um mich für die nächsten Tage hier zu verschanzen. Die Sturmflut sollte mir in der Marina an den Schwimmstegen keine Probleme bereiten und der Wind wird hoffentlich keine schweren Gegenstände nach uns werfen. Soweit fühle ich mich hier auf dem Schiff noch am besten aufgehoben bei all dem Kommenden. Stromausfälle und Flut betreffen mich nicht (bin autark und ein Schiff schwimmt auch auf überfluteten Regionen) Nun heißt es halt abwarten und den Lärm des Windes ertragen der durch tausende Masten hier heult. Es tut mir schrecklich leid um all die Menschen hier in Angst und Sorge in Ihren Häusern die noch gar nicht ganz fertig waren mit der Behebung der erst kürzlich erlittenen Schäden. Cyclon Gabrielle (ein beinahe Kat 4 Wirbelsturm) ist nun schon der 5. Schwere Sturm und der Schwerste hier in Nordland seit November (von einigen habe ich ja bereits berichtet).
Sommer ist gestrichen in diesem Jahr – ich sitzt hier in langer Jogginghose, Pullover und bin nahe dran die Heizung einzuschalten – und das nicht nur heute- auch in den vergangenen Tagen und Wochen war es nicht viel anders.
Auf der Carina war es gar nicht so schlimm. Während der ersten Hälfte de Cyclons hatten wir den Wind ziemlich von vorne so dass er die Carina nicht zu stark rumgeschaukelt hat. Ich fühle mich fast ein wenig schuldig wenn ich gemütlich im Salon sitze und lese, während um mich herum die Welt im Chaos versinkt. Ich verfolge natürlich ständig das Geschehen um eventuell ein Evakuierungszentrum aufzusuchen und überlege ob ich auch eine Nottasche packen soll. Nichts davon war nötig. Die Rückseite des Cyclons war bedeutend schlimmer als die Vorderseite, aber auch hier auf der Carina kein Problem. Wir wurden schon oft stark zur Seite gedrückt vom Wind und draußen rumlaufen hätte ich nicht wollen, aber es kamen keine Wellen in den Bereich der Marina in dem ich mich befinde. Außer meinen Flaggen von denen nun fast gar nichts mehr übrig ist, speziell die Gastlandflagge könnte ich jetzt für NZ, AUS, England verwenden, ist die Carina ohne Schaden davon gekommen. Meine abgesagte Crew hat mich auf Waiheke nicht mehr erreicht, da war ich bereits auf dem Weg nach Auckland, aber dafür haben sie mich in Auckland besucht und eine neue Deutschlandflagge als Geschenk gebracht. Die konnte ich wirklich dringend gebrauchen. Schade dass der Cyclon unseren Törn verhindert hat, den die Beiden, Hartmut und Hassan, waren nette unkomplizierte Kerle und wir hätten ischer eine gute Zeit zusammen gehabt. Na ja, hat nicht sein sollen. –alles kein Problem verglichen mit dem was rundherum passiert ist.
Teile Neuseelands wurden schwer verwüstet. In der Bay of Islands erreichten die Wellen 11 m. Der Norden des Landes war Wochen ohne Strom und Kommunikation. Whangarei war überflutet und wurde evakuiert. In der Urquarts Bay wurden 8 Schiffe an Land gespült. Ein Schiff wurde von Great Barrier Island samt Crew ins Meer hinausgespült und 2 Tag später von einem Navi-Schiff gerettet. Die Coastguard hatte den Dienst eingestellt da es zu gefährlich war Rettungsaktionen durchzuführen.
In Auckland gab es schwere Überschwemmungen und Erdrutsche. Einige Häuser sind abgerutscht und kollabiert oder verschüttet worden. Die Evakuierungszentren überall im Land sind voll. Es gibt mehrere Tote zu beklagen. Am Schlimmsten war die Gegend von Coromandel und Gisborne betroffen. Die waren wochenlang von der Umwelt abgeschlossen. Die Menschen haben alles verloren, Hab und Gut, Vieh und Land. Ihre Häuser sind in den Fluten und im Schlamm verschwunden und nicht mehr bewohnbar. Es wird Monate dauern bis die Straßen wieder befahrbar sind und Strom und Kommunikation wieder hergestellt sind. Mir kommen die Tränen wenn ich die aktuellen Nachrichten lese. Und ich bin dankbar dass ich schadlos davongekommen bin.
Zurück zur Normalität – und der große Katzenjammer
Der Cyclon ist vorbei und für mich geht das Leben wieder seinen normalen Gang. Die Sonne scheint wieder, der Wind ist zu erschöpft und zu blasen und ich kehre zurück nach Waiheke, diesmal in meine bevorzugte Oneroa Bay. Auf dem Weg dorthin muss ich die halbe Strecke wieder unter Motor fahren bevor ich genug Wind zum Segeln habe. Der Motor verhält sich wie zuvor. Er kommt und geht. Ich finde heraus dass er problemlos läuft solange ich mit sehr niedriger Drehzahl fahre, erhöhe ich sie, wird er langsam und hat wieder seine Aussetzer. Ich muss das nochmal überdenken und überprüfen.
Aber jetzt ist es einfach mal nur herrlich endlich mal Sonne und ruhiges Meer zu haben, sorgenfrei am Anker zu hängen und in den Tag hineinzuleben. Es ist so schön hier und das Wasser so klar und warm dass ich sogar ein paar Mal Schwimmen gehe.
Jim schreibt er hätte einen günstigen Flug von Auckland nach Vancouver für den April gesehen, ob ich da weg kann und will und ob er den für mich buchen soll. Ich kann es gar nicht fassen, das wär zu schön um wahr zu sein. Ich prüfe was noch alles an der Carina zu erledigen ist bevor ich Ende Mai Neuseeland verlassen muss, buche einen Termin für nächste Woche für die Motorreparatur in Gulf Harbour, buche einen Liegeplatz für die Carina in Whangarei an den Pile Moorings für die Dauer meiner Abwesenheit, suche mir ein AirBnB in Auckland und die Busverbindung zum Flughafen und Jim schenkt mir ein Ticket für den 5. April. Ich bin happy. Über ein Jahr ist es nun schon wieder her dass wir uns zuletzt gesehen haben und Beide sind wir voller Vorfreude auf die gemeinsame Zeit. Aber irgendwas stimmt nicht. Ich sollte auf Wolke Nr. 7 sein, aber kann mich noch nicht so richtig auf diese Reise und die gemeinsame Zeit freuen. Warum nicht? Was ist los? In der nächsten Nacht trifft mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Ich habe vergessen zu prüfen ob ich mit meinem Visum aus- und wiedereinreisen kann. So ganz schlau werde ich auch nicht daraus und konsultiere Grant, meinen Immigration Advisor. Großes Drama. Mein Visum erlaubt keine Rückkehr nach Neuseeland. Aber ich könnte evtl mit dem ETA (dem elektronischen Visa) Glück haben dass keiner merkt dass ich bereits ein Jahresvisum habe und vielleicht durch diese Lücke schlüpfen. Die Chance ist gering aber nicht unmöglich. Für mich bricht eine Welt zusammen. Ich möchte doch so gerne zu Jim nach Vancouver und auch mal einige Zeit hier vom Schiff wegkommen das mir in diesem Jahr so viel Ärger und Sorge bereitet hat dass ich ernsthaft mehrere Male in Erwägung gezogen habe die Seglerei aufzugeben und das Schiff zu verkaufen. Das Fahrtenseglerleben hatte in diesem Jahr all seinen Charme für mich verloren.
Beide sind wir sehr traurig über diese Wendung des Schicksals und ich fühle mich schlecht und schuldig dass ich nicht vorher daran gedacht habe. Das Ticket ist non refundable und somit sind 1000 Euro in den Wind geblasen.
Noch gebe ich nicht auf. Ich will die Minichance wahrnehmen und es mit dem ETA versuchen und nehme Kontakt auf mit Seglern von denen mir gesagt wurde die hätten es auf diese Weise geschafft. Gleichzeitig habe ich Plan B ausgearbeitet falls die Rückkehr schief gehen sollte. Dann müsste ich jemand haben der die Carina aus NZ heraus segelt und nach Neukaledonien bringt. Dort könnte ich jederzeit hinfliegen und sie wieder übernehmen. Hab mir auch schon ein paar Leute ausgedacht denen ich die Carina anvertrauen würde und ein Schreiben aufgesetzt dass ich Ihnen in den nächsten Tagen zukommen lassen wollte.
Die kontaktierten Segler hatten alle ganz andere Bedingung als ich und mein Mut sinkt. Ob die von mir anvisierten Segler die Carina kostenlos überführen würden ist auch sehr fraglich und die Rückflüge für sie teuer. Jim rät mir dringend von diesem Plan ab, das Risiko sei viel zu hoch und wer weiß in welchem Zustand mein Schiff in Neukaledonien ankommen würde. Wir sollten unser Wiedersehen dann eben auf ein an der Mal verschieben und das verlorene Geld für das Ticket sei schon vergessen, er will auf keinen Fall das ich es ihm zurückzahle wie von mir angeboten. Wie gewonnen so zerronnen und der Katzenjammer (nicht nur auf meiner Seite) ist riesengroß.
Auch das Wetter hat sich inzwischen wieder verschlechtert und ein heftiger Wind weht in die Oneroa Bay. Die meisten Schiffe hatten die Bay bereits am Abend verlassen, aber ich dachte es wird nicht so schlimm und bin geblieben. Sollte ja nach ein paar Stunden vorbei sein. War es nicht. Die Nacht war schrecklich und am nächsten Morgen war der Wind so heftig und die Wellen so hoch dass ich den Ankerplatz verlassen musste wenn ich nicht auf Grund laufen wollte. Das Problem dabei war wieder mal mein unzuverlässiger Motor. Dass die Matiatia Bay nun voll ist war klar, da konnte ich nicht hin. Ich wechsle nur auf die andere Seite der Bay mit teilweise streikendem Motor. Da ist es ein wenig besser aber immer noch inakzeptabel. An Schlafen ist in der nächsten Nacht nicht zu denken. Im Schiff kullert wieder alles durch die Gegend und ich will einfach nur noch meine Ruhe haben, irgendwo an Land oder in einem Camper leben aber auf gar keinen Fall mehr segeln. Mit dem ersten Morgenlicht verlasse ich total übermüdet die Bay. Der Motor bringt uns nur im Schneckentempo vorwärts gegen Wind und Welle hinaus aus der Bay. Dann endlich kann ich unter Segeln weiter. Ich hoffe doch noch in der Matiatia Bay einen Platz zu ergattern, zumindest will ich mal schauen und wenn das nicht geht auf die andere Seite der Insel in eine große Huhuri Bay wechseln.
Die Einfahrt zur MatiatiaBay liegt vor mir. Ich starte den Motor, pack die Segel weg und der Motor geht aus. Mist, genau jetzt in diesem Starkwind so knapp an der Einfahrt. Der Motor lässt sich auch nicht mehr starten. Mehrere Versuche sind erfolglos. So, da haben wir den Salat. Nein ich will nie nie nie mehr segeln, ich will nur nach Hause. Ich hol die Segel wieder raus und segle weiter. In die volle enge Matiatia Bay unter Segeln einzulaufen ist nicht möglich. Abgesehen davon habe ich noch nie unter Segel ohne Motorunterstützung geankert. Ich brauche also für diese Premiere zumindest viel Platz. Ich runde die Insel und segle in die große Huhuri Bucht hinein. Dazu muss ich mehrfach kreuzen. Ich befinde mich sehr nahe zum Land und möchte wenden habe aber ein Windloch und zu viel Strömung und krieg den Bug nicht rum. Für einen Kreis ist nicht genug Platz. Was jetzt? Hier ankern? Gefällt mir gar nicht, ich wollte auf die andere windgeschütztere Seite. Als letzte Verzweiflungstat versuche ich nochmal den Motor zu starten und Juhuu, er läuft und bringt mich bis zum anvisierten Ankerplatz. Ob ich von dem jemals wieder wegkomme steht noch in den Sternen. Aber erst mal bin ich da. Und ich hab die ganze Seglerei so satt. Ich will wirklich nicht mehr segeln und auf dem Schiff leben und hätte die 4 Wochen Pause in Vancouver so dringend nötig gehabt.
Hier hänge ich nun am Anker und warte darauf dass der Wind wieder kommt, denn allmählich brauche ich ihn. In 2 Tagen muss ich in Gulf Harbour sein für den Motorentermin. Eine Strecke die man locker an einem Tag schafft falls man Wind oder einen funktionierenden Motor hat. Beides hab ich nicht.
Am nächsten Morgen weht ein kleiner Hauch und ich starte Richtung Gulf Harbour. Wenn der Wind so anhält könnte ich es mit 2 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit bis Rakino Island schaffen, dort für die Nacht ankern und am nächsten Tag den Rest segeln oder mich schlimmstenfalls schleppen lassen.
Und Segeln ist doch schön
Das Meer ist ruhig, der Wind zwar leicht aber die Carina segelt leicht und unbeschwert dahin und seit langer Zeit kann ich mal entspannt eine Strecke zurücklegen. Der Ankerplatz für die Nacht ist so gewählt dass ich ihn sowohl unter Segeln anlaufen und auch unter Segel wieder verlassen könnte.
Und er ist wunderschön, ganz still und ich hab ihn ganz für mich alleine. Ein kleiner Hai umkreist die Carina, ein kleiner blauer Pinguin plantscht fröhlich neben mir, putz sich, dreht sich auf den Rücken, streckt alle Viere in die Höh und ist soo süß. Ich genieße diesen Abend wie lange nichts mehr.
Auch der nächste Tag bringt mich unter Segeln gemütlich und problemlos zur Marina. Der Motor springt an und bringt mich zuverlässig an meinen Steg. Gott sei Dank geschafft.
Der Mechaniker kommt wie vereinbart. Ich besehe darauf dass alle Dichtungen im Treibstoffsystem ausgetauscht werden. Es stellt sich auch heraus dass die kleine Zufuhrpumpe (die man auch zum Entlüften verwendet) nicht mehr funktioniert. Es wird eine neue bestellt die zum Glück am nächsten Morgen schon da ist. 2 Stunden Arbeit und dann eine ausgiebige Testfahrt gemeinsam mit dem Mechaniker. Die Carina rauscht mit 6 Knoten durch die Bay. Alle Probleme scheinen gelöst und ich kann am nächsten Tag die Marina wieder verlassen.
Mein nächster Stop ist Kawau Island und von dort weiter nach Whangarei. Ich motore mehr als nötig um das ganze einem ausgiebigen Test zu unterziehen. Alles ist gut, der Motor schnurrt und arbeitet wie eh und je, so wie ich das von ihm gewohnt war bevor er für 2 ½ Jahre an Land gesetzt wurde. Mir fällt eine Riesenlast von der Seele. Endlich wieder ein zuverlässiges Schiff und ich fühl mich wieder wohl und sicher auf der Carina. Trotzdem bleibe ich bei dem Entschluss den ich während dieser schwierigen Zeit gefasst hatte, allmählich den Rückweg nach Europa anzutreten bevor ich zu alt dazu werde oder das Schiff zu aufwändig zu unterhalten wird. Außerdem wird es einfacher und billiger sein für Jim und mich uns gegenseitig zu besuchen und öfter zu sehen, was wir beide sehr herbeisehnen.
Ich verfolge also die Wettersituation in der Tasman See und dem Korallenmeer um den richtigen Moment zu finden die Überfahrt von Neuseeland nach Australien zu starten. Von Neuseeland hab ich erstmal genug und will so schnell wie möglich hier weg. Wie schnell ich dann von Australien aus weiter Richtung Heimat segle ist noch nicht entschieden. Im Schnellsten Falle wäre ich im Sommer 2024 bereits wieder in Europäischen Gewässern. Mal sehen wie alles wird und wann ich wo sein werde. Jetzt muss ich erst mal noch einige Arbeiten am Schiff erledigen, es auskranen und waschen und dann nach Opua segeln, meinem Absprunghafen, und dort alles für die große Überfahrt vorbereiten.