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Logbuch

März/April 2023

Durch Zeit und Raum

1640 Seemeilen von Neuseeland nach Australien

 

Die Somme versinkt golden im Meer und bemalt die Wolken bunt, ein paar Seevögel streichen übers Wasser auf der Suche nach einem letzten Abendbrot bevor es dunkel wird. Das Meer ist ruhig, nur kleine Windkräusel zerreißen die Oberfläche. Eine lange 2 Meter hohe Dünung wiegt uns sanft hin und her und ich genieße es sorglos und frei zu sein. Keine Termine, kein Einkaufsstress,  keine Stürme vor denen ich flüchten muss und ein funktionierendes Schiff. Endlich mal Zeit zum Entspannen denn das kann man hier draußen sehr gut, hunderte Meilen von der Küste entfernt. Endlich wieder Free & easy – so wie das vor Corona immer war.

Nachdem der letzte Sommer in Neuseeland ja keiner war, hatte ich wirklich genug und beschlossen sobald als möglich Neuseeland zu verlassen. Für die Pazifischen Inseln ist es noch zu früh, noch ist die Cyclone-Saison nicht vorbei, aber für den Süden des Australischen Queensland sollte es schon klappen. Seit einigen Wochen beobachte ich das Wetter über der Tasman See und dem Korallenmeer und es sah immer sehr gut aus. Aber noch konnte ich nicht weg. Hatte noch einen Reparaturtermin in Opua für den kleinen Außenbordmotor, musste das Schiff nochmal auskranen und waschen lassen und es gab jede Menge Vorbereitungen für eine so lange Überfahrt. Meine erste seit 3 ½ Jahren, da fühlt man sich wieder wie ein Anfänger und es ist alles sehr aufregend.

Abgesehen davon dass man Vorräte für 3 Wochen einkaufen muss gibt es auch jede Menge Formularkram zu erledigen, Ein Visum musste beantragt und eine Vorankündigung, dass ich per Schiff in Australien ankommen werde, per Mail versandt werden, ausklarieren in Neuseeland und viele Informationen einholen was die Australischen Offiziellen alles für Regeln für uns bereit halten.

Gestern war ich noch einkaufen, heute lese ich dass ich weder Reis noch Mehl einführen darf. Also muss ich schauen wo ich das wieder loswerde damit ich es nicht wegwerfen muss. Fleisch, Wurst, Gemüse, Obst, Molkereiprodukte ist eh klar, das darf man nirgendwo mit hinnehmen. Da kauft man nur so viel wie man unterwegs sicher verzehren wird.

Seekarten mussten besorgt werden, die Funk-Email-Adresse wieder aktiviert, Dieselkanister gekauft werden. Ich erwarte einige Flauten da draußen und Carinas Tank fasst nur 50 Liter. Damit komme ich gerade mal 180 Seemeilen oder 48 Stunden unter Motor.

Ich war also die letzten Tage von morgens bis abends beschäftigt. Am letzten Tag war noch der Außenborder beim Service und ich im Waschsalon um all die schmutzige Wäsche zu waschen, beim Duschen, einen Friseurbesuch konnte ich auch noch einzwicken, und dann noch zur Fish’nChips Bude um die letzten Neuseeland Dollar auszugeben.

Und dann kam der Abreisetag:

Morgens um 09:00 habe ich Termin beim Zoll zum Ausklarieren. Um 08:30 ruft mich Kai der Zöllner an, ich könnte auch jetzt schon kommen. Also noch schnell den restlichen Müll im Schiff zusammenpacken, Papiere in den Rucksack, ab ins Beiboot und los, hinüber in die Marina von Opua. Das Ausklarieren geht schnell, freundlich und problemlos. Ich hatte ja auch wie gefordert bereits 5 Tage vorher meine Formulare und ein Foto vom Schiff eingereicht und meine Abreise angekündigt. Einen Stempel bekomme ich nicht in den Ausweis. Das ist veraltet, jetzt stempelt man nur noch zur Einreise. 10 Minuten später verlasse ich das Büro. Ich habe noch 3 Dollar für die ich keine Verwendung mehr habe. Die drücke ich einfach dem nächstbesten in die Hand der mir auf dem Weg läuft.

Nun zurück zur Carina, den Außenborder abmontieren, das Beiboot zusammenrollen, im Schiff verstauen, nochmal alles auf Deck überprüfen, drinnen nochmal alles durchchecken und es könnte eigentlich losgehen. Aber jetzt fegen gerade Böen mit 30 Knoten über den so geschützten Ankerplatz. Das heißt draußen, außerhalb der Bay, tobt es gerade mit 40 Knoten und rauem Meer. Da warte ich lieber noch ein wenig. Um 14:00 wird’s etwas leichter, ich hole den Anker auf und los gehts – Ade Neuseeland – schön wars, wenn auch der letzte Sommer nicht hielt was er versprach.

 

AIS (Automatic Identification System)

Draußen außerhalb der Bay habe ich ordentlich Wind und komme flott voran. Bis ich die Cavalli Inseln erreiche (dort wo die Rainbow Warrior ihre letzte Ruhestätte fand) ist es bereits dunkel. Ich habe ca 30 Seemeilen Abstand zur Küste und somit weder Ausflugsschiffe noch Fischerboote zu erwarten und geh schlafen.  Das AIS ist eingeschaltet.  Ich schlafe fantastisch.

Ja, ich als AIS Gegner und ewiger Verfechter des Radars, habe nun auch ein AIS, weil es in den meisten Ländern jetzt (seit Covid) Vorschrift ist.

Für die Nichtwissenden: Ein AIS ist ein Gerät dass über Funk Schiffsdaten (wie Name, Art und Größe des Schiffes, Geschwindigkeit, Kurs, Entfernung…) sendet und von Schiffen, die ebenfalls mit AIS ausgestattet sind, empfangen werden können. Eine schöne und einfache Sache zur Kollisionsverhütung. Das Problem dabei ist (warum ich es dem Radar hinten an stelle) dass es immer noch Schiffe gibt die nicht mit AIS ausgestattet sind oder es abgeschaltet haben und somit vom AIS nicht gesehen werden können. Leider verlassen sich viel zu viele Sportbootfahrer (speziell Fahrtensegler) ausschließlich auf das AIS was natürlich nicht ausreichend und sehr gefährlich ist. Und jetzt wo ich selbst eines habe muss ich gestehen es verleitet dazu.

Meine Nacht war also ruhig, das AIS hat keinen Alarm über Schiffe in meiner Nähe gemeldet.

Am nächsten Abend passiere ich das North Cape von Neuseeland. Erstaunlich viele Schiffe (Frachter, Tanker, Fischer ..) sind hier unterwegs – ich kann sie auf dem AIS sehen, manche sind zu weit entfernt um sie mit den Augen zu erspähen, manche sind recht nah aber keines löst einen Alarm aus. (Den kann man selbst einstellen für die gewünschte Entfernung und Dauer bis das andere Schiff einen erreichen würde)  

Alle 1 ½ Stunden läutet mein Wecker und ich geh nach draußen um wieder mal den Kurs zu korrigieren, die Windrichtung ist ziemlich unbeständig hier. Ganz in der Nähe sehe ich ein rotes Licht – vermutlich ein Segler? Ich schaue aufs AIS – es fährt nicht, es treibt nur.  Jetzt sehe ich auch das weiße Licht unter dem roten – aha ein Fischer, weniger als 1 Meile entfernt. Aber warum hat mich das AIS nicht gewarnt? Das habe ich mich tagsüber auch schon gefragt als der Frachter ziemlich nah vorbeifuhr. Ich prüfe die Einstellungen. Der Alarm ist ausgeschaltet!!? Ich hatte doch alles vorbereitet bevor ich Opua verlassen habe. Ahh, jetzt dämmert es mir. Vor Opua queren 2 Autofähren ununterbrochen im Alarmbereich meines AIS und weil mich das ewige Gepiepse zum Wahnsinn trieb habe ich den Alarm ausgeschaltet und dann vergessen wieder einzuschalten. So, jetzt ist er wieder an, aber seit dem ist mir überhaupt kein Schiff mehr in den 32 Meilen Radius gekommen.

 

Sterndal schaugn

Es ist noch nicht ganz dunkel, das Meer ist schwarzgrau, der Himmel leuchtet noch fahl nach, dort wo die Sonne vor einer Stunde ins Wasser gefallen war und darüber steht eine strahlende Mondsichel. Die ersten Sterne blinken. Es wird eine ruhige Nacht werden, kaum Wind aber leider stört der brummende Motor den Frieden. Aber ohne ihn würden wir für immer hier bleiben, denn wir sitzen mitten im Kern eines Hochdruckgebietes und müssen nun dort hin motoren wo der Wind ist. Morgen sollten wir wieder segeln können und dann … ist zwar das Meer nicht mehr so ruhig, aber der Lärm härt endlich auf.

So und jetzt geh ich noch a bisserl Sterndal schaugn

Ich habe das Bimini (= das Sonnendach über dem Cockpit) weggerollt damit ich die Segel und den Verklicker (den Windindikator) besser sehen kann und habe somit freien Blick auf den fantastischen Sternenhimmel über mir.  Wie ein weißes Band zieht sich die Milchstraße über den Himmel, an deren Ende das Kreuz des Südens leuchtet. Und immer wieder bin ich überwältigt von der Anzahl Sterne und Planeten und spüre wie winzig unsere Erde und wie unendlich das Universum ist. Es wäre schon interessant zu  wissen was diese Unendlichkeit alles für Geheimnisse und Wunderwelten enthält zu denen wir noch nicht vorgedrungen sind. Aber auch auf unserem kleinen Planeten Erde gibt es noch so viele Wunder zu entdecken, noch so viel Unerforschtes, so vieles zu bestaunen. Also warum nach den Sternen greifen … Ich bin dankbar dass sie da sind, freue mich dass sie unsere Nächte erhellen und Raum geben zu Rätseln und zu Träumen, bleibe aber lieber hier unten auf dem Boden (oder Wasser)  um weiter auf unsere Erde auf Entdeckungsreise zu gehen.

 

Haustiere an Bord? - Der Käfer

Heute Morgen entdecke ich einen fetten schwarzen Käfer im Cockpit der gemächlich auf meiner Genuaschot entlang wandert. Das geht gar nicht – ich darf auf keinen Fall irgendwelche Insekten an Bord haben wenn ich in Australien ankomme- sonst wird die Carina ausgeräuchert. Also schnell ein Glas geholt um ihn einzufangen.  Als ich mich ihm nähere fliegt er davon rammt aber ungeschickterweise die Pinne und stürzt ab. Ein wenig benommen liegt er nun auf der kleinen Sitzbank am Heck. Das ist meine Chance. Schnell das Glas drüber gestülpt (er ist schon wieder ganz fidel) und über Bord mit ihm. Das ging ihm dann doch zu schnell, bevor ihm klar war was passiert und er seinen Flügel ausbreiten konnte landet er im Wasser. Gut so, denn er wäre sicher nur eine Runde geflogen und zurück aufs Schiff gekommen. Wohin hätte er sonst sollen, 60 km von jedem Land entfernt.  Ich bin immer wieder erstaunt wie weit Insekten aufs Meer hinausfliegen. Dieser hier muss heute Morgen eingeflogen sein bevor er auf der Carina gelandet ist. Ich fürchte er ist kein so guter Schwimmer dass er es bis zum Festland zurück schafft.

 

Magic Moments

Wie jeden Morgen sitze ich mit meinem Kaffee im Cockpit und betrachte das Meer während die Carina gemächlich dahin segelt, als ich eine ungewöhnliche Bewegung im Wasser wahrnehme. Eine Welle, etwas Gischt, etwas Großes muss dort sein, sicherlich ein Fisch und es bewegt sich auf die Carina zu - es ist RIESIG! Und es hält zielstrebig auf Carinas Breitseite zu! Hätte ich eine Hose angehabt wär mir jetzt das Herz in die Hosentasche gerutscht – und bald ist mir klar es ist ein Wal. Ca 10 m entfernt änderte er seine Richtung und schwimmt nun gemächlich in 5 m Entfernung neben der Carina her. Er ist die ganze Zeit an der Oberfläche so dass ich seinen Rücken und ihn in seiner ganzen Schönheit und Größe bestaunen kann. Er ist um einiges größer als die Carina und wunderschön. Für mein Hasenherz war er viel zu nah, aber so faszinierend. Nein, ich bin nicht reingegangen um einen Fotoapparat zu holen, dadurch hätte ich nur die magischen Momente verpasst die einem Segler vergönnt sind und jetzt wo der erste Schreck vorbei ist, genieße ich sie voll.

Als er außer Sicht ist verrät ein Blick ins Walerkennungsbuch dass es ein Humpback Wal war. Die sind inzwischen leider selten. Was für ein Glück dass ich einem begegnet bin. Sie sind 11- 15 m lang und wiegen 25 – 30 Tonnen (die Carina ist 9 m lang und wiegt 4 Tonnen). Ein Neugeborenes wiegt 1 bis 2 Tonnen und ist 4 – 5 m lang. Das muss man sich mal vorstellen- ein Baby mit 1 bis 2 Tonnen. Ein ganzer Stall voller Kühe würde nicht reichen um es satt zu kriegen. Seine Tagesration liegt bei 600 l

Liter. Die männlichen Wale singen die längsten und komplexesten Lieder des gesamten Tierkönigreichs.

Es bleibt ein ruhiger Tag unter Segeln und er endet mit einem traumhaften Sonnenuntergang. Weitere Besucher an diesem Tag waren ein einzelner Delfin am Abend und ein großer Thunfisch (leider nicht an der Angel für die Pfanne). Ich sitze noch lange draußen, betrachte die Sterne und lausche auf das Platschen der Wellen gegen die Bordwand und das leise Surren des Windgenerators und segle weite durch die laue Nacht.

 

Ein grauer Morgen

Ich werde wach, mein Blick fällt durch das Fenster auf eine graue Wolke. Ganz was neues, bisher war der Himmel immer strahlend blau. Besorgt betrachte ich den Himmel. Das gefällt mir gar nicht – ein dunkelgraues Band überzieht den Himmel und aus vielen Stellen fällt heftiger Regen. Squalls? Böenwalzen? Viel plötzlicher Wind? Das bringt meinen Tagesablauf komplett durcheinander. Normalerweise steh ich auf, schau erst mal draußen nach dem Rechten, korrigiere den Kurs und justiere die Segel, falls nötig, mach meine Logbucheinträge und dann geht’s ab ins Bad zur Morgentoilette, dann Haare machen, Kaffeewasser aufstellen und dann sitz ich auf dem Niedergangstreppchen neben dem Herd halte den Kaffeefilter fest bis alles Wasser durchgelaufen ist (bei dem Geschaukel besteht sonst die Gefahr dass er durch die Gegend segelt). Und dann in aller Ruhe im Cockpit meinen Kaffee trinken. Dabei muss ich auch die Tasse unentwegt in der Hand halten weil sie sonst umfallen würde.

All das muss heute erst mal warten. Wenn so ein Squall (mit Wolkenbruch und heftigen Böen) über mich ergeht habe ich alle Hände voll zu tun mit den Segeln und dem Schiff und kann keine Filter oder Tassen halten.

Es stellt sich heraus dass in den Wolken kein extra Wind sondern nur Regen steckt, der aber in guter Entfernung von mir heruntergeht. Mit 2 Stunden Verspätung gibt’s dann endlich Kaffee und Müsli.

Auf See läuft das Leben halt etwas anders als an der Küste. Auch die Carina sieht anders aus als sonst. Den schönen marokkanischen Wollteppich rolle ich immer weg, der schläft nun zusammenmit dem Beiboot in der Hundekoje. In der Vorkabine sind Rettungsinsel, Fahrrad und alle Kissen verstaut, im Salon sind die Polster mit Schutzbezügen abgedeckt damit sie nicht salzig werden und so niemals mehr austrocknen würden. Und ich schlafe im Salon auf einer 40 cm breiten Sitzbank. Alles nur Gewohnheit, aber ehrlich gesagt – gemütlich ist anders. Trotzdem für die Zeitlosigkeit und Schönheit hier, die Einzigartigkeit und großartigen Stimmungen hier draußen auf dem Meer nimmt man gerne vieles in Kauf.


Auf der Reise durch Zeit und Raum

Die Tage rollen dahin wie die  Wellen rings um mich. Ich schreibe gerade meine Logbucheinträge – 560 Meilen gesegelt, noch 860 to go,  der 7. Tag auf  See. Schwer zu glauben dass ich nun schon eine ganze Woche unterwegs bin, mir scheint als gäbe es gar keine Zeit hier draußen. Es gibt Sonne oder Sterne – also aufstehen oder schlafen gehen.  Ein sehr angenehmes Gefühl nach seiner „inneren Uhr“ zu leben. Dinge dann zu tun wann man sich dazu bereit fühlt, oder sie eben nicht zu tun. Zeit empfindet es jeder anders. Was für den einen ganz kurz ist, ist für den anderen eine gefühlte Ewigkeit. Auch die Kalender sind nicht identisch. Bei einigen beginnt das Jahr am 1. Januar, bei den Chinesen z.B. nicht. Es ist schon ganz nützlich die Zeit in Einheiten einzuteilen wenn man sich mit jemanden verabreden will oder Geschäftliches zu erledigen hat, schöner ist es jedoch wenn sie keine Bedeutung hat und man sie je nach Stimmung empfinden kann  – oder eben gar nicht mehr wahrnimmt. So wie die Afrikaner sagen: „Die Europäer haben die Uhr, wir haben die Zeit“.

Wind und Flauten wechseln sich ab, oftmals muss der Motor aushelfen da zu wenig Wind für den hohen Schwell ist und die Segel nur von einer Seite zur anderen flappen auf meinem sonst so geliebten Vorwindkurs (= der Wind kommt von hinten). Auch so manche Nacht ist schlaflos da das Schiff ohne Wind und Segel von einer Seite zur andern rollt, was es etwas schwierig macht nicht von meiner 40 cm breiten Schlafstätte zu rollen. Trotz allem genieße ich diese Überfahrt in vollen Zügen und fühle mich wohl und sicher auf meinem Schiff hier draußen in der endlosen Weite des Ozeans. Ich bin dankbar für jeden Tag der so angenehm und ohne Probleme verläuft und dafür dass ich bisher allen Schlechtwetterfeldern ausweichen konnte, was allerdings die gesamte zu segelnde Strecke etwas verlängern wird. Aber das stört mich nicht. Ich habe ja Zeit, auf ein paar Tage hin oder her kommt es wirklich nicht an solange Wind und Meer so freundlich zu mir sind.

 

Unsichtbar und unerreichbar

Ich habe seit 4 Wochen ein neues UKW Funkgerät, ein B&G V60b, mit integriertem AIS und kann auf dem Display auswählen ob ich die übliche Funkansicht mit Funkkanal, GPS-Daten und Uhrzeit sehen will oder das AIS Display das mir die Schiffe bis zu einem 32 Meilen Radius um mich herum anzeigt (ich kann von 32 Meilen auf 1 Meile herunterzoomen) Natürlich könnte ich über NMEA das AIS auch auf einen Kartenplotter mit Seekarte übertragen, aber ich sehe gar keine Notwendigkeit dafür. Für mich ist das B&G V60b die ideale Lösung – ein Gerät und alles drin – braucht wenig Strom und wo auf der Seekarte die andern sich befinden interessiert mich eigentlich nicht. Ich muss nur wissen in welcher Relation sie sich zu mir befinden, in welchem Abstand und wohin sie fahren. Und natürlich will ich alarmiert werden. All das tut mein B&G.

Seit ein paar Tagen wundere ich mich warum das Display, ohne mein Zutun, immer wieder mal von der AIS Ansicht auf die VHF (Funk) Ansicht wechselt. Heute hab ich gerade 2 Schiffe auf Kollisionskurs und die AIS Ansicht verschwindet wieder. Und jetzt weiß ich auch warum, das Funkgerät ging einfach aus. Kurz darauf geht es wieder an, es geht wieder aus … und wieder an, aus und wieder an und die Abstände dazwischen werden immer kürzer. Die Standardeinstellung beim Einschalten ist das Funk-Display. Das erklärt warum das AIS Display auf Funkdisplay gewechselt hat. Aktuell frage ich mich ob die anderen Schiffe in den kurzen Momenten in denen das Funkgerät an ist und hoffentlich  AIS Daten sendet mich tatsächlich sehen können.  

Das erste Schiff ist außerhalb des Gefahrenbereiches, das zweite wird sich wundern warum ich auf einmal mein AIS abgeschaltet habe. Hab ich gar nicht, aber das Funkgerät lässt sich jetzt gar nicht mehr einschalten. Panik macht sich breit. Jetzt bin ich unsichtbar und unerreichbar. Man kann mich weder am AIS sehen noch per Funk anrufen.

Allmählich beruhige ich mich wieder. Hab ich doch die halbe Welt umsegelt ohne AIS und natürlich können mich die großen Schiffe auf dem Radar sehen und ich kann sie alle (auch die ohne AIS) auch auf meinem Radar sehen. Aber dass ich keinen Funk mehr habe macht mir doch große Sorgen. Die einzige Kommunikationsmöglichkeit auf See ist dahin. Na klar hab ich ein Backup - ein Handfunkgerät, nur leider hat der der Akku dieses Gerätes 2 1/2 Jahre Abwesenheit während Covid nicht überstanden und der Neue den ich bestellt habe hat so lange gedauert dass er nicht mehr rechtzeitig vor meiner Abreise in NZ angekommen ist. Ich habe noch eine Notlösung und kann dieses Handfunkgerät auch mit einem Satz AAA Batterien betreiben, aber halt nicht sehr lange. Ich könnte zwar jemand anrufen, aber ich kann es nicht dauernd laufen lassen um angerufen werden zu können. Es passt wieder mal alles zusammen. Mein Kurzwellengerät funktioniert nicht auf Kanal 16 (der Kanal den man auf See verwendet) da der Tuner nicht soweit herunter regeln kann. Also auch diese Option fällt weg. Einzige Kommunikationsmöglichkeit ist E-Mails schreiben über Kurzwellenfunk oder im Notfall das Handfunkgerät mit sehr beschränkter Reichweite und Dauer.

Ich muss also das B&G unbedingt wieder zum Laufen bringen. Ich prüfe alle Verbindungen und die Sicherung, alles ok, kann nichts finden. So ein Mist, nagelneu und macht schon Ärger, ich fürchte das Gerät hat einen Fehler. Die neuen Steckverbindungen sind alle wasserdicht versiegelt und ich will sie nicht zerstören. Dort wo ich drankomme, an der alten Steckverbindung nach der Batterie kann ich 13 Volt messen. Ich gebe auf, zu viel Geschaukel und natürlich ist alles in den unzugänglichsten Ecken verstaut und verlegt. Ich schreibe noch ein Mail an den Verkäufer und einen Freund und erbitte Ratschläge und dann geh ich (jetzt wieder mit laufendem Radar) schlafen.

Beide recherchieren und antworten und beide empfehlen einfach mit den Spitzen des Multimeters durch den Kabelmantel zu piksen und so direkt hinterm Gerät messen zu können. Leichter gesagt als getan, dazu hab ich wieder mal nicht genug Hände. Das Schiff schaukelt, die Kabel sind an sehr unzugänglichen Stellen aber irgendwann ist es dann mir viel Erfindergeist doch möglich festzustellen dass dort nur 0,8 V anliegen. Aber wo das Problem liegt weiß ich immer noch nicht. Und so pikse ich mich nun Schritt für Schritt vom Gerät Richtung Batterie. Das dauert Stunden und braucht viele Pausen. Ich bin wieder mal nahe am Aufgeben als ich an versteckter Stelle einen weiteren Sicherungshalter entdecke (na klar der vom alten Gerät, wir hatten ja einfach die Verkabelung  wieder verwendet und nur am Ende das neue Gerät angeschlossen) Und dieser Sicherungshalter war geöffnet. Die Sicherung darin ist in Ordnung. Ich schraube den Halter wieder zu … und … das Gerät läuft wieder. Wie er sich öffnen konnte ist mir unklar, denn er ist geschraubt, aber jetzt ist mir klar warum sich das Gerät oft einfach ausgeschaltet und von selbst wieder eingeschaltet hatte, wenn die Sicherung gerade Kontakt hatte oder eben nicht. Wenn nur immer alles so einfach zu lösen wäre. Ouff, diesmal war es einfach auch wenn es 2 Tage gedauert hat bis ich die Lösung gefunden habe. Ab jetzt bin ich wieder erreichbar und sichtbar und heilfroh darüber.

Wie jeden Tag verzeichne ich mehrfach täglich die aktuelle Position und besondere Vorkommnisse im Logbuch. Und wie jeden Tag notiere ich um 14:00 Uhr (das ist die Uhrzeit zu der ich in Opua in Neuseeland gestartet bin) das „etmal“ (die Strecke die ich in 24 Stunden zurückgelegt habe) die Gesamtstrecke die ich  bereits zurückgelegt habe und wie weit es noch bis zum Ziel ist. Der heutige Eintrag lautet:

 735 Meilen gesegelt, noch 735 Meilen to go.

Also halbe Strecke geschafft, außer dem wieder funktionierenden VHF Radio ein weiterer Grund zum Feiern.

 

Die nächtliche Jagd

Letzte Nacht muss es ganz schön rund gegangen sein da draußen im Meer. Eine wilde Verfolgungsjagd hat stattgefunden. Am Morgen finde ich einen fliegenden Fisch auf dem Steuerbord-Deck und einen 20 cm langen Tintenfisch auf dem Backbord-Deck und scheußlich viel Tinte überall rumversprüht. Eine schöne Sauerei. Ihren Verfolgern sind beide entkommen, aber gerettet hat sie das trotzdem nicht. Ich werfe die beiden inzwischen vertrockneten Gesellen zurück ins Meer. Es war der erste fliegende Fisch den ich zu Gesicht bekam und ein sicheres Zeichen dass ich mich den Tropen nähere. Auch die Temperaturen deuten darauf hin. Schlafsack, Decken und jegliche Art von Kleidung sind inzwischen überflüssig. Im Schiff messe ich 30° C. Draußen ist es angenehmer mit der meist wehenden frischen Brise.

Das sind die ruhigen warmen Tage an denen die große Körperpflege angesagt ist. Da ja auch mein Wassermacher wieder funktioniert kann ich mir eine Dusche und Haare waschen leisten. Das findet dann im Cockpit statt. Drinnen ist es zu eng, im Bad würde alles nass (inklusive Regale mit Handtüchern und Pflegemitteln) und ich müsste das ganze Wasser das dabei in die Bilge läuft, per Hand wieder rauspumpen. Bis das alles erledigt ist wär ich bereits wieder so verschwitzt dass die nächste Dusche fällig wäre. Deshalb habe ich die Dusche im Bad abmontiert. Also findet das alles nur bei schönem Wetter und im Freien statt.

Es gibt aber auch Tage ohne Wind und ohne Schatten, da ich ja beim Segeln das Bimini wegrollen muss. Dann ist es auch draußen heiß. Das sind die Tage an denen der Motor läuft und es dadurch drinnen noch ein wenig wärmer wird. Eigentlich würde ich nicht motoren sondern einfach nur dahindümpeln und warten bis der Wind wieder kommt. Aber durch die Tasman See kommen einige unangenehme stürmische Tiefdruckgebiete herauf denen ich unbedingt ausweichen möchte. Bisher ist mir das sehr gut gelungen und seit 1200 Seemeilen hab ich jeden Tag Sonne, ruhiges Meer (manchmal zu ruhig) und leichte Winde. Life is good – ich genieße es free & easy zu sein.

 

Und dann kam es auf einmal ganz anders …

Das hätte mir ohnehin keiner geglaubt dass die ganze Überfahrt so einfach gewesen wäre. Am Nachmittag des 13. Tages auf See war es dann auf einmal gar nicht mehr „easy“.

Der Wind hatte aufgefrischt und die Wellen waren bei 2 bis 3 m. Ich habe inzwischen mehrfach gerefft und bin nun schon auf Mini-Segel-Stellung. Die Gribfiles mit den Wetterdaten, die ich mir alle 2 Tage per E-Mail hole, haben mir schon ein Tief angekündigt, dem ich nicht entkommen kann, genaugenommen komme ich genau in sein Zentrum, aber es war nur mit 15 bis 20 Knoten angekündigt. Also kein Grund zur Aufregung obwohl ich mit einer plötzlichen Winddrehung von 180 Grad zu rechnen habe. Sollte ja kein Problem sein, mit tief gerefften Segeln und nur 15 Knoten Wind.

Vor mir jedoch ist der Himmel pechschwarz, grelle Blitze zucken über den Himmel - und dann bin ich auch schon mitten drin, Wolkenbruch, Blitz und Donner, das Meer ist wild aufgewühlt und der Wind heult in den Wanten. Sicht gleich Null. Ich kann keine 20 Meter weit schauen, hab mich nach drinnen verkrochen, alles dicht gemacht, die Windsteuerung hat alles unter Kontrolle. Das Gewitter ist gruselig. Hoffentlich  trifft mich kein Blitz. Vorsichtshalber stecke ich alle Navigationstablets, Back-ups und mein Handy in den Backofen der einen Faradayschen Käfig bildet. Die gesamte Bordelektrik und Navigation könnte durch einen Blitzschlag zerstört werden. So sollte ich wenigstens noch diese Geräte nach einem Blitzschlag verfügbar haben solange deren Akku noch Ladung hat. Mir ist wirklich Angst und Bang und ich hoffe dass dieses Gewitter, der Wind und der Wolkenbruch bald vorübergehen. Ich laufe vor dem Wind ab (da sind die Schiffsbewegungen angenehmer) und fahre nun 210°, also zu weit nach Süden, aber im Moment kann ich nicht anders. Es ist zu rau um jetzt rauszugehen und Kurs- und Segelkorrekturen vorzunehmen.

Da meldet das AIS Alarm. Ein Schiff in 2 Meilen Entfernung. Aber was ist das? Auf einmal kommen mehr und mehr AIS Signale auf das Display - 5 Schiffe! Alle mit demselben Namen und nummeriert 1-4? Und alle auf derselben Stelle! Eine Fischfangflotte? Und so nah, unter diesen scheußlichen Bedingungen. Mir wird ganz anders. Und jetzt trifft mich die Front mit voller Wucht. Die Carina wird auf die Seite geworfen und ich hänge an den Handläufen, zum Glück, gut verkeilt zwischen Küche und Navi-Ecke so dass mir nichts passiert ist. Ich kann nicht rausgehen um das Schiff wieder aufzurichten, die Wellen würden mich über Bord waschen, die Segel krachen, der Mast ächzt, aber die Windsteuerung schafft es nach gefühlten Minuten (war sicher schneller) das Schiff aufzurichten und vor den Wind zu drehen. Das waren wir vorher auch, vor dem Wind, aber jetzt nach dieser 180° Winddrehung segeln wir genau in die falsche Richtung, also Ost – zurück dorthin wo wir herkamen und dorthin wohin dieses Sauwetter zieht. Die Schiffe kommen näher, nur noch eine halbe Meile, ich kann sie nicht sehen, draußen schüttet es aus Eimern, der Wind heult (und ich auch eine wenig) und ich kann nicht ausweichen. Zitternd greife ich nach dem Mikrofon und rufe eines der Schiffe (keine Ahnung welches, heißen ja alle gleich)  Mehrere Versuche bleiben unbeantwortet. Nur noch 200 m – nochmal ein letzter verzweifelter Anruf. Vermutlich hat die Panik in meiner Stimme den Gerufenen dazu bewegt doch endlich zu antworten. Ich erkläre meine hoffnungslose Situation und bitte den Fischer (dem ich ja eigentlich ausweichen müsste) dass er mir, falls möglich, ausnahmsweise ausweicht. Der Fischer ist sehr nett, klar, er sieht mich ja eh am AIS und auf meine Frage warum ich ihn 5 x sehe erklärt er dass seine Netzbojen auch alle mit AIS ausgerüstet sind und senden. Ah, das macht Sinn, er plaudert noch ein wenig mit mir und ich beruhige mich wieder etwas. Er fährt verdammt nah an mir vorbei, aber jetzt ist der Spuk auch fast vorbei, Wind und Meer beruhigen sich wieder etwas und ich kann wieder raus und die Windsteuerung und Segel auf den neuen Kurs einstellen, jetzt leider hart am Wind und dunkel ist es inzwischen auch geworden. Aber hilft ja nichts, wir müssen weiter, zurück wollen wir nicht wieder. Bei diesem Manöver bin ich tropfnass geworden von den Wellen die einfach über die Carina platschen. Meine Hose ist tropfnass und auch die Sitzbank auf die ich mich nun erschöpft fallen lasse. Trocknet ja wieder und mit den Schutzbezügen die ich auf Überfahrten immer auf den Polstern habe ist auch das Salzwasser kein Problem.

Bis zum nächsten Morgen hat sich alles wieder beruhigt. Das Schiff hat keinen Schaden genommen, dank der Mini-Besegelung aber leider bin ich in diesem Sturm 8 Seemeilen in die entgegensetzte Richtung gesegelt die jetzt wieder gut zu machen sind. Somit hat mich das ganze Drama ein paar Stunden gekostet die mir jetzt fehlen um morgen noch vor Einbruch der Dunkelheit in Bundaberg/Australien anzukommen.

Also bleiben die Segel klein, obwohl der Wind nun wieder ganz leicht íst, denn jetzt muss ich langsam werden um Zeit zu gewinnen. Ich muss nun irgendwie 12 Stunden hinauszögern um einen Tag später, bei Tageslicht anzukommen. Schade - hatte mich schon auf die Ankunft am Spätnachmittag eingestellt.

In dieser Nacht spinnt mein Magnetkompass. Laut Seekarte sollte ich eine Missweisung von 11° haben (das ist die Differenz zwischen geografischen Längengraden und magnetischen Längengraden, da Geografischer und Magnetischer Nordpol nicht an derselben Stelle liegen) die man bei der Kursbestimmung mit einbeziehen muss. Aber mein Kompass weicht um 70° ab. Irgendwas stimmt nicht. Eine Stunde später und einige Meilen weiter ist der Kompass wieder auf normal. Einzige Erklärung war ein Unterwasserkabel über das wir gesegelt sind das diese Störung verursacht hat.

 

Die letzten 60 Meilen

An diesem vermeintlich letzten Tag auf See muss ich die Schifffahrtsstraße queren die der Küste von Queensland folgt und nun hier aus dem Great Barrier Reef kommt. 7 Schiffe habe ich am frühen Morgen, zur selben Zeit, die meisten gehen südwärts, Tanker, Frachter …. Gut dass ich sie alle auf dem AIS sehen kann und viele auch am Funk hören kann wie sie sich untereinander verständigen bei Begegnungen und Überholmanövern. Dann wird es ruhig in der Schifffahrtsstraße und ich kann sie problemlos queren.

Eigentlich wäre ich jetzt schon da, aber da ich ja bremsen musste hab ich nun noch eine Nacht vor mir. Leider zu nah an der Küste, in der Hervey Bay, zwischen Fraser Island (der Welt größter Sandinsel) und der Festlandküste um mich schlafen zu legen. Die Strömung hier ist sehr stark und ich bin viel zu schnell. Deswegen packe ich alle Segel weg. Und weil es gerade schön ruhig ist richte ich alles schon für die morgendliche Ankunft her. Ankerabdeckung weg., Bullenstander weg. Großschot an die Baumnock, damit sie nicht dauernd an den Mast klappert. Im Schiffsinneren das Chaos des letzten Sturms beseitigen und schon mal alles für die Beamten vorbereiten so dass sie ein ordentliches Schiff vorfinden an dem es nichts auszusetzen gibt.

Wieder habe ich einen Fischer auf meinem Kurs der ständig seine Richtung ändert und wohin ich auch ausweiche, hab ich ihn in paar Minuten später wieder auf Kollisionskurs. Er antwortet nicht auf meine Anrufe. Es regnet (shüttet) jetzt wieder und der Wind frischt auf. Der Fischer macht sich auf den Heimweg, mit 20 Knoten Richtung Bundaberg. Der schafft es noch bevor es dunkel wird, ich nicht.

Also langsam weiter dümpeln mit laufendem Motor und nur in den Vorwärtsgang eingekuppelt um den Kurs halten zu können. Es ist bereits dunkel, der Wind wird immer heftiger, die Wellen immer höher und steiler und ich weiß nicht wohin. Richtung Bundaberg – dazu bin ich zu schnell, würde viel zu früh da sein – ich mag nicht im Dunklen einen unbekannten Fluss und Ankerplatz anlaufen.

Zurück ins Meer kann ich nicht, komme gegen Wind und Wellen nicht mehr an. Ich fühle mich gefangen in der Bay. Die Bay ist extrem flach. An den tiefsten Stellen 20 Meter, an der Mündung nur 5 m. Der Autopilot schafft es oft nicht den Kurs zu halten und steigt einfach aus und ich muss wieder übernehmen. Es ist inzwischen zu rau um nach draußen zu gehen Den Kurs über den Autopilot kann ich auch von drinnen ändern, muss nur mit der Hand aus dem Niedergang an die Steuerung kommen. Es ist jetzt extrem rau, die Wellen 3 m hoch, kurz und steil, teilweise brechen sie, rollen einfach über die Carina hinweg als sei sie ein U-Boot. Im Schiff, das ich schon so ordentlich für die Ankunft und die Beamten hergerichtet hatte, herrscht Chaos. Alles fliegt kreuz und quer durch die Gegend. Sogar die Bodenbretter kommen lose. Zum Glück hält sie der darauf liegende Teppich zurück so dass sie mir nicht um die Ohren fliegen. Im Schiff ist es brütend heiß. Ich bin schweißgebadet, mehr vor Erschöpfung und Angst als von der Hitze. Ich hole mir nochmal den Wetterbericht per Funk, aber der erzählt mir was von leichten Winden und ruhiger See – total falsch heute.

In meiner Verzweiflung rufe ich kurz nach Mitternacht „Volounteer Rescue Bundaberg“ auf Kanal 16. Ich will einfach nur dass jemand weiß dass ich hier draußen bin und eine menschliche Stimme hören. Aber die antworten nicht. Stattdessen meldet sich eine Frauenstimme. Ich verstehe nicht wer sie ist – irgendwas wie „Glitschn VTS“. Sie sagt sie seien das Emergency Radio für die Nacht, Bundaberg ist nur tagsüber zu erreichen. Ich gebe ihr meine Position durch, beschreibe meine Lage und erbitte den lokalen Wetterbericht und einen Rat was ich nun am besten tun soll. Zum ersten Mal seit ich segle bin ich wirklich ratlos. Beidrehen wäre jetzt die Lösung, geht aber nicht da ich mein Großsegel so verpackt habe dass ich es unter diesen rauen Bedingungen nicht setzen kann.

Der Wetterbericht den sie mir für den Morgen gibt ist 10 Knoten und der Rat:  ich solle jetzt den Fluss ansteuern.
Das ist beruhigend dass es am Morgen vorbei sein wird, aber den Fluss steuere ich nicht an. Erstens ist dunkel und zweitens erwarte ich schwere Brecher über der Sandbank an der Einfahrt.
Ich schwitze weiter, fürchte mich, will nur noch ankommen und dann wirklich niemals wieder segeln. Drehe das Schiff auf einen Kurs der am Günstigsten zur Welle liegt und versuche wenigstens im 20 m tiefen Wasser zu bleiben. Ich bin erschöpft und hundemüde. Hinlegen trau ich mich nicht, fürchte einzuschlafen und den Wecker nicht zu hören und irgendwann an die Küste gespült zu werden. Ich stelle trotzdem alle 10 Min einen Wecker und mein Handy läutet auch alle 15 Minuten falls ich doch aus Versehen einschlafe.

Ich schaffe es wach zu bleiben, aber komme nun immer weiter von der Flussmündung weg, Richtung Fraser Island. Endlich dämmert es, aber von Wetterbesserung keine Spur. Die Wellen sind unverändert hoch kurz und steil, Der Wind heult weiter. Ich drehe einen großen Kreis in der Bay. Meine Emergency Lady rief mich während der Nacht noch ein paar Mal an um zu hören wie es mir geht und ob ich Hilfe benötige. Inzwischen, nachdem ich sie ihren Namen buchstabieren ließ, weiß ich auch dass sie von „Gladstone“ Emergency ist.  Verdammter Aussi-Dialekt, werd mich daran gewöhnen müssen.

Um 06:00 Uhr morgens übergibt Gladstone Emergency die Wache an VMR Bundaberg und berichtet über mich. Wenig später meldet sich Bundaberg VMR bei mir um zu erfragen wie es mir geht und was nun mein Plan ist.

Ich drehe noch einen Kreis und steuere dann Richtung Fluss, denn sonst schaff ich es heute wieder nicht. Noch eine Nacht hier draußen übersteh ich sicher nicht.  Um 13:00 Uhr bin ich so K.O dass ich mich doch wenigstens hinlege statt zu sitzen. Keine 5 Minuten da tönt es aus dem Funk „Carina, Carina, Carina“. Gott sei Dank, denn ich wäre ganz sicher tief und fest eingeschlafen. Also wieder aufstehen und den Funkruf beantworten. Es ist die Marina von Bundaberg die wissen will wann ich denn ankomme um alles für das Einklarieren vorbereiten zu können. Erst um 14:00 lässt der Wind etwas nach, die Wellen werden mäßiger und bis ich an der Mündung und den ersten Fahrwassertonnen bin ist es schön ruhig geworden. Das Land hier ist so flach dass ich es immer noch nicht sehen kann obwohl ich nur 3 Meilen entfernt bin. Eine Invasion von lästigen Fliegen terrorisiert mich und lenkt mich von der schmalen Ansteuerung der Fahrwassertonnen ab und ich habe gerade entschieden dass ich Australien nicht mag. Als Kind der Berge, aufgewachsen in den Bayrischen Alpen, kann ich mich mit flachem Land nicht wirklich anfreunden, ich hasse Fliegen und die Ansteuerung der letzten Nacht tat ihr Übriges dazu.

Endlich,  die Fahrwassertonnen … ich folge der schmalen Zufahrt und bin froh über meine Entscheidung gewartet zu haben. Unter den stürmischen nächtlichen Bedingungen hätte ich in den hohen Wellen die Tonnen gar nicht sehen können und wäre wohl auf der Sandbank gelandet.

Noch 3 Meilen, ich muss mich extrem konzentrieren nicht im Stehen einzuschlafen. Und dann bin ich endlich da, vor mir liegt die Marina (in die ich nicht rein darf – muss erst einklarieren) und der winzige aber hübsche  Ankerplatz. Nur ein Schiff ankert dort, also noch Platz für mich (mit 3 Schiffen wär es voll).

Der Anker fällt und hält. Mich hält noch ein fantastischer Sonnenuntergang (bereits um 18:00)  vom ins Bett fallen ab. Der ist so gigantisch schön dass ich ihn noch betrachten muss. Das Licht über dem endlos flachen Land ist ganz speziell. Und schon ist das Drama der letzten 24 Stunden vergessen und ich finde es wunderschön hier. Ich schreibe noch meinen Logbucheintrag

Angekommen in Australien in Bundaberg nach 1640 Seemeilen und 17 Tagen. Schön ist es hier!

Und jetzt aber ab ins Bett, denn bereits um 08:00 Uhr früh muss ich am Quarantänesteg sein wo mich Zoll (Customs), Einwanderungsbehörde (Immigration) und Gesundheitsamt (Biosecurity) zum Einklarieren erwarten.

Dass ich dann aber ganz schnell eingeschlafen bin muss ich wohl kaum erwähnen.

 

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