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Carina's Logbuch

5700 Meilen nach Panama - Teil 1

Januar/Februar 2018

 

Die Reise beginnt - 19. Januar 2018

Endlich ist es soweit. Nun ist alles auf der Carina kaputtgegangen was nur kaputtgehen konnte und alles wieder repariert. Nun kann eigentlich gar nichts mehr passieren. Wir sind also fertig die große Reise nach Panama anzutreten.

Im spanischen Ayamonte, an der Mündung des Rio Guadiana, finde ich hervorragende Proviantierungsmöglichkeiten direkt vor der Haustür, also neben der Marina. Aber so arg viel muss ich noch gar nicht einkaufen, denn ich werde erst einmal Rabat in Marokko ansteuern. Ich benötige für die Krankenversicherung so schnell wie möglich einen Nachweis, also einen Stempel im Ausweis, dass ich mich nicht mehr in Europa aufhalte. Und in Marokko kann ich viel besser und günstiger die ganzen Frischwaren für die lange Überfahrt einkaufen.

 

Bei schönstem Sonnenwetter, aber ohne Wind, beginnt am Freitag Nachmittag meine Reise. Aus der Werft, der Marina Guadiana Seca, die ich passiere, winkt mir jemand nach. Dort hatte die Carina über ein Jahr verbracht. Nach einigen Stunden unter Motor kommt Wind auf und ab nun kann ich endlich segeln. Segeln in den Sonnenuntergang. Bis es dunkel wird bin ich wie geplant weit genug von der Küste entfernt um den vielen Fischerbooten zu entgehen. Die Nacht wird demnach ruhig. Auch der Wind verhält sich sehr ruhig und so schleichen wir mit kaum 2 Knoten dahin. Egal, Hauptsache endlich segeln und auf dem Weg sein.

Leider bleibt es weiterhin ruhig und wir kommen kaum voran. Somit geht auch mein Plan nicht auf, die Strasse von Gibraltar noch bei Tageslicht zu passieren. Wir sind mittendrin als die Dunkelheit hereinbricht und mangels Wind driften wir einfach so dahin. Da schalt ich dann doch lieber den Motor an, zwischen all den Riesentankern die hier lang ziehen.

Mitternacht bin ich durch und treibe nun wieder unter Segeln langsam dahin. So wird es nun auch die restliche Überfahrt bleiben weshalb wir für diese 190 Meilen auch 3 Tage brauchen.

Am Montag gegen 17:00 stehen wir vor der Hafeneinfahrt von Rabat und warten auf den Lotsen der uns in die Hafeneinfahrt und den Bouregreg Fluss hinauf in die Marina geleiten wird.

 

Wenn aus Tagen Wochen werden - Marokko

Um 17:30 liegen wir am Zollsteg festgemacht und warten auf die Beamten. Diesmal kommen sie gemeinsam, zu viert, allen voran der Zollbeamte, ein älterer Herr. Ohne lang zu fragen kommen sie aufs Schiff und direkt in den Salon der Carina. Dabei bleibt der Zollbeamte mit dem Kappi am Niedergang hängen. Alle verhalten sich ein Grinsen und der Zollbeamte schiebt das Kappi wieder auf seinen Platz. Schließlich ist in Marokko ein Beamter eine Respektsperson. Sie nehmen ungefragt Platz und der eifrige Zollbeamte klappt den Tisch aus. Leider kennt er die Technik nicht und ich muss ihn unauffällig aus der nächsten peinlichen Situation retten. Aber dann wird’s richtig gemütlich. Die Beamten sind gut drauf und fühlen sich in der Carina wie zu Hause. Ich muss wie üblich zahlreiche Formulare ausfüllen (alle in Französisch) und die Beamten versuchen in den verschiedensten Sprachen mir zu helfen. Wär nicht nötig. Diese Formulare kenn ich bereits, denn ich bin schon das 3. Mal hier in Rabat. Für die Beamten scheint das eine sehr willkommene Abwechslung zu sein denn sie sitzen tagein tagaus in ihrem Büro und warten dass ein Schiff ankommt oder abreist, was um diese Jahreszeit sehr selten ist. So plaudern sie nun fröhlich mit mir und scheinen gar nicht mehr wegzuwollen. Wir warten auf den Spürhund. Ein beindruckend grosser schwarzer Hund wird an den Steg gebracht. Aber er will nicht auf die Carina (wie bei den anderen Malen auch). Auch mein Versuch ihn an Bord zu locken hilft nicht. Er legt nur den Kopf zur Seite und grinst mich freundlich an.

Im Marinabüro erinnert man sich an mich. Ja Sie hätten mich gleich erkannt und sie bieten mir eines der fantastischen marokkanischen Kekse an. Bis ich an meinem Steg in der Marina festgemacht bin ist es bereits stockdunkel.

 

Eine Marina für mich allein

Am nächsten Morgen stelle ich fest, ich habe eine Marina ganz für mich alleine. Die wenigen Boote die hier liegen, lagen schon vor 2 Jahren hier, als ich das erste Mal nach Rabat kam. Keines der Schiffe ist bewohnt. Egal, ich habe ohnehin nicht vor lange zu bleiben. Ich brauch nur meinen Stempel und eine Kopie an die Krankenkasse schicken, den restlichen Proviant einkaufen und dann solls auch gleich weiter gehen. Also in 3 Tagen.

Aus den 3 geplanten Tagen werden 3 Wochen in Marokko. Ein Sturm jagt den anderen … und der Hafen bleibt geschlossen. In der Marina kam am Morgen nach mir noch ein deutsches Schiff mit einem netten Paar meines Alters an und an meinem Steg kamen die Bewohner eines Schiffes aus dem Heimaturlaub zurück. Eine Woche später kommen noch mal 2 Schiffe rein. Es belebt sich allmählich hier. Mir ist aber ohnehin nicht langweilig. Ich nutze die Zeit um noch ein paar ToDo s abzuarbeiten, ein neues Tablet zu kaufen und die Seekarten darauf zu installieren um ein weiteres Back-up zu haben.

Rabat und Sale kenne ich ausgiebig von meinen vorherigen Aufenthalten und wer mehr darüber wissen will, kann dies ja in den alten Berichten nachlesen.

 

Das verflixte Kabel

Ein weiterer Zeitvertreib während der Wartezeit ist mein SSB-Funkgerät. Das hatten wir ja in Ayamonte, dank Stefans Hilfe, noch zum Laufen gebracht und nun wollte ich die Zeit nutzen um mich mit allen Funktionen vertraut zu machen. Voller Vorfreude schalte ich Transceiver, Modem und Laptop ein, bereite einen Positionsreport und ein paar Emails vor und rufe die Station in Belgien. Keine Antwort. Hmm, vielleicht falsche Zeit. Ich versuche es zu unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedlichen Frequenzen, verschiedene Stationen, überprüfe 100 mal alle Einstellungen, aber nix … die gerufenen Stationen antworten mir nicht. Ich kann keine Verbindung aufbauen. Gibt’s doch nicht. Es ging doch in Ayamonte als Stefan da war. Also weiter kämpfen. Wieder versuche ich es mit allen möglichen Einstellungen, prüfe alle Verbindungen .. nix. Ich bin am Verzweifeln. Habe schlaflose Nächte die ich entweder am Funkgerät oder grübelnd im Bett verbringe. Ich gebe auf. Ich sehe ein, dass ich dieses Gerät nicht ohne professionelle Hilfe zum Laufen bringen werde.

Im Internet lese ich dass es in Rabat eine Gruppe Amateurfunker gibt. Ich schreibe eine Email, schildere meine Situation und bitte um Hilfe bzw eine kommerzielle Adresse die mir das einrichten könnte. Ich bin zutiefst enttäuscht dass ich nicht einmal eine Antwort bekomme. Wo ist er, der HAM-Spirit?

Bekannte schicken Grüße aus Gran Canaria, aus der Marina in Las Palmas. Da kommt mir die rettende Idee. Das ist der Ort wo die ARC startet. An einem Ort an dem jedes Jahr Hunderte von Schiffen gemeinsam zur Atlantiküberquerung aufbrechen muss es doch jemand geben der sich mit Kurzwellenanlagen auskennt. Mein Entschluss steht fest, ich werde nach Gran Canaria segeln um dort Hilfe zu finden und so lange das Funkgerät nicht mehr anzuschauen und endlich kann ich wieder mal ruhig schlafen.

Am nächsten Morgen kann ich es dann doch nicht lassen und sitze wieder vorm Funkgerät. Ich erinnere mich dass Stefan 2 Kabel gebastelt hatte und wir die Verbindung mit dem Testkabel hergestellt hatten. Das richtige Kabel das Stefan anschließend zusammengelötet hatte, hatten wir zwar angeschlossen und einen Schnelltest gemacht aber keinen Verbindungsaufbau mehr versucht. Wir waren uns sicher, beide Kabel sind identisch. Oder doch nicht? Ich grabe das alte Testkabel wieder aus, stecke es an und - hokus pokus - die Verbindung steht. Unglaublich! Schon wieder dieses verfixte Kabel! Trotzdem, ich bin so froh, endlich geht’s. Das Testkabel bleibt nun dran und Las Palmas ist sofort wieder aus dem Passageplan gestrichen.

 

Endlich – Auf nach Panama 12.02.2018

Nach ganzen 3 Wochen in Rabat hat sich das Wetter endlich ausgetobt, die Carina ist bis unters Dach mit Lebensmitteln und Diesel beladen und startklar für eine Reise bis nach Panama. Eventuell sogar non-stopp. Ob und wo ich unterwegs anhalte, werde ich während der Reise entscheiden.

Um Wasser muss ich mich nicht sorgen, dazu habe ich ja jetzt den Wassermacher (Spectra Ventura 150) der mir 24 l Trinkwasser pro Stunde aus Meerwasser produziert und das bei einem Verbrauch von nur 4 Ampere. Ich kann ihn also sorglos mit meinen Bordbatterien und den Solarzellen betreiben.

Die Marina ist bezahlt, 140 Euro für 3 Wochen, und der Lotse für morgen bestellt.

11:00 Uhr. Ich verlege die Carina an den Zollsteg, denn jetzt beginnt wieder die Ausklarierungsprozedur. Wieder Ausweis, Stempel, Formular, Beamte an Bord die eigentlich das Schiff durchsuchen sollen, sich aber nur einmal um die eigene Achse drehen, denn mehr Platz ist in Klein-Carina nicht und ein anderer Spürhund der sich auch nicht an Bord traut. Der Lotse ruft herüber ob ich startklar bin und los geht’s. Ich folge dem Lotsenboot den Fluss hinunter. Die heimkehrenden Fischer winken mir zu und rufen „Bon Voyage Madame“ herüber. Außerhalb des Wellenbrechers dreht das Lotsenboot ab. Die Lotsen winken zum Abschied und rufen „A bientot“. Na hoffentlich nicht, denn ich habe nicht vor bald wieder hier zu sein, rufe aber trotzdem ein „a bientot“ zurück.

Nun heißt es wieder volle Konzentration um heil zwischen all den Fischernetzen durchzukommen die hier vor der Küste ausliegen.

Ich starte in einen No-Wind-Tag und motore gemütlich westwärts …

 

Die erste Entscheidung

10 Meilen von Rabat entfernt, immer noch motorend, fällt mein Blick auf das Antennenkabel das sich vom Achterstag gelöst hat und nun einfach so lose rumhängt. Ach nein, damit habe ich keine Antenne mehr und kann das Kurzwellenfunkgerät wieder nicht nutzen. Also keine Wetterberichte einholen, keine Positionsreports absetzen und keine E-Mails empfangen und schreiben. Wie schade!

Eigentlich wäre das eine einfache Sache das Kabel wieder anzuklemmen, bzw. anzulöten, aber leider liegt dieser Punkt auf der Carina unerreichbar hoch. Unmöglich auf See dort hinaufzuklettern.

Umkehren kommt nicht in Frage. Wieder mindestens 2 Tage für ein- und ausklarieren und dann wieder ein geschlossener Hafen und ich käme hier nie weg. Die ganze Strecke bis Panama ohne Funkanlage will ich auch nicht segeln. Also ist die Entscheidung schnell getroffen. Ich werde auf der westlichsten der Kanareninseln, auf La Palma, in der Marina von Santa Cruz einen Zwischenstopp einlegen und das dort in Ordnung bringen.

In der ersten Nacht auf See tu ich kein Auge zu. Überall um mich herum sind Fischerboote und das Radar piepst alle paar Minuten Alarm. Kaum lege ich mich hin, muss ich schon wieder aufstehen und nachschauen, denn Segelboote müssen Fischerbooten ausweichen.

Dementsprechend müde bin ich am nächsten Tag.

 

Delfine zum Frühstück, Schildkröten zu Mittag

Nein, natürlich esse ich weder Delfine noch Schildkröten, sie leisten mir Gesellschaft.

Ich mach mir Kaffee zum munter werden und ein Müsli und setz mich damit ins Cockpit, da kommt eine Schule Delfine daher und springt fröhlich um die Carina herum. Ich werde sie in den nächsten Tagen noch oft zu Gesicht bekommen. Auch Schildkröten in allen Größen paddeln gelegentlich vorbei. Es wird ein sonniger Tag mit einer leichten Brise und angenehmen Segeln. Nur leider ist es immer noch sehr kalt. Ich habe Skiunterwäschen unter der Segelhose an, trage einen warmen Wollpullover überm T-Shirt und darüber meine wärmste Fleecejacke und darüber noch eine Softschelljacke. Auch Schal und Mütze sind nötig. Aber trotzdem ist es schön endlich auf dem Meer zu sein und zu segeln.

 

Von der Schiffschaukel zum Schaukelschiff

Als Kind liebte ich die Schiffschaukeln auf der Dult (oder Jahrmarkt bzw. Kirmes wie man das in anderen Teilen Deutschlands nennt), nun habe ich ein Schaukelschiff. Die Carina schaukelt wie verrückt in den Wellen auf und ab und hin und her. Zum Glück macht mir das nichts aus. Man muss sich halt nur immer gut festhalten und alles dauert viel länger weil man nichts einfach so hinstellen kann. Es würde quer durchs Schiff segeln.

Trotzdem koch ich Couscous mit viel frischem Gemüse zum Abendessen. Es ist mein erster Versuch und sehr gut gelungen. Dann mach ich mir eine Tasse Tee und setze mich eingewickelt in eine Decke ins Cockpit und genieße den Sonnenuntergang – von Anfang bis Ende – ganz ungestört. Und ich denke wie lange das wohl her ist dass ich das letzte Mal Zeit hatte einen ganzen Sonnenuntergang lang (heute eine Stunde) nur dazusitzen und zu genießen, ohne irgendwo hin zu müssen irgendwas tun zu müssen oder irgendjemand zuhören zu müssen. Es ist soo friedlich und schön heute und ich habe endlich das Gefühl nirgendwo hin zu müssen. Ich bin bereits angekommen – im Nirgendwo – mitten auf dem Meer, ganz allein auf meinem Bötchen.

 

Traumtag auf See - Halbzeit

Heute morgen haben wir die halbe Strecke nach La Palma geschafft, 335 Seemeilen, aber ich habs leider verschlafen. Wie die letzen Nächte auch, habe ich wieder herrlich lange durchgeschlafen. Keine Schiffe mehr seit Rabat.

Dafür beginnt der Tag mit bedecktem Himmel, zu wenig Wind und die Windsteuerung steuert seit einer Stunde in die falschen Richtung. Der erste Gedanke, Motor an, wird schnell wieder verworfen. Nur Geduld. Und schon bald kehren Wind und Sonne zurück, die Segel sind neu gestellt und wir segeln, heute ohne viel Geschaukel, flott in die gewünschte Richtung.

Wir segeln durch ein 4000 m tiefes Tal, an steuerbord erhebt sich der Dacia Seamont bis zu 83 m unter der Wasseroberfläche und an backbord liegt ein anderes Unterwassergebirge dass bis zu 200 m unter die Wasseroberfläche ragt. Es muss spannend sein, wie es da unten aussieht und was sich da so alles abspielt.

Es wird einer der Traumtage auf See, an denen alles passt, an denen man einfach nur rundum glücklich ist und die man sooo genießen kann.

 

Ich bin nicht mehr allein

Wieder eine ruhige Nacht hinter mir. Keine Schiffe, keine Arbeit mit den Segeln. Noch immer steht das Groß an steuerbord und die Genua an Backbord ausgebaumt. Man nennt das auch Schmetterlingsegeln, oder auf englisch wing-wing bzw. goosewing.

Gut ausgeschlafen krieche ich aus der Koje und verschwinde im Bad. Gut dass es so winzig ist, da kann man gar nicht umfallen, denn auch heute schaukelt die Carina wieder wie die Schiffschaukel aus meiner Kinderzeit. Ohne Leesegel könnte man gar nicht schlafen und würde ständig aus dem Bett fallen. (Für die Nichtwissenden: Ein Lessegel ist ein festes Tuch das man vor die Koje spannt um das Herausrollen zu verhindern)

Der Kaffee ist fertig und ich krabble mit Kaffeetasse und Logbuch ins Cockpit um meine Daten abzulesen und die Einträge zu machen. Wieder ein Etmal (das ist die Strecke die man in 24 Stunden zurücklegt) von 109 Seemeilen. Das ist ganz in Ordnung für die kleine Carina und die leichten Windverhältnisse. Ich bin zufrieden.

Da fällt mein Blick auf einen kleinen Wollpuschel unter der Sprayhood. Wo kommt das denn her und wie dort hin? Bei näherer Betrachtung erkenne ich in dem Wollpuschel einen kleinen Vogel der mich mit seinen schwarzen Knopfaugen unter der schwarzen Kappe über dem weissen Bauch aufmerksam mustert. Er hat unter der Sprayhood Schutz gesucht und reist von nun an mit mir. Da hat er sich einen idealen Platz ausgesucht. Vor dem Wind geschützt und von der Sonne durch das Klarsichtfenster gewärmt durch das er auch noch eine gute Aussicht hat. Meine Gesellschaft scheint ihn nicht zu stören. Lange sitzen wir so beieinander (ca 1 Armlänge Abstand) bis er sich mit einem fröhlichen Tschirp tschirp in die Lüfte erhebt, übers Wasser gleitet und die Carina umkreist. So begleitet er mich einige Zeit bis er sich wieder auf der Carina niederlässt und seit dem auf der Reffleine der Genua weiter mit mir reist. Ich lege ihm ein paar Apfelkerne und ein Stück Apfel aufs Deck falls er Hunger hat. Das Flugspiel wiederholt sich einige Male an diesem Tag, aber scheinbar ist er nicht kräftig genug um alleine weiter zu reisen. Erst am Nachmittag, als ein großes Tankschiff an uns vorbeizieht (das erste Schiff seit 5 Tagen), verschwindet der kleine Kerl auf Nimmerwiedersehen. Vielleicht hat er auf das schnellere Schiff gewechselt und so seine Überlebenschancen gesteigert. Denn mit mir würde er noch 2 bis 3 Tag brauchen.

 

U 30

Wir haben den 30. Breitengrad unterschritten und allmählich wird es auch etwas wärmer. Bin ich bisher aus den langen Unterhosen unter meiner Segelhose und dem Pullover sowie den vielen Jacken nicht rausgekommen, reicht jetzt der Pullover. Und auch die Heizung muss ich heute Abend nicht mehr einschalten. Ich segle also in die richtige Richtung- dahin wo es endlich wärmer wird nach diesem langen eisigen Winter, der sogar im Süden Portugals und Marokko so kalt war.

 

Der Horizont

Wie jeden Tag sitzt ich im Cockpit und beobachte die vorbeirollenden Wellen. Jede sieht anders aus, in Form und Farbe und Größe. Und oft entdeckt man darin eine vorbeipaddelnde Schildkröte oder spielende Delfine. Ich betrachte den Horizont und denke an die alten Seefahrer die noch glaubten die Erde sei eine Scheibe. Und so sieht es hier draußen auch tatsächlich aus. Eine große blaue Scheibe und ich mitten drin, genau wie die alten Seefahrer. Tag um Tag und Woche um Woche sind sie genau wie ich dahingesegelt ohne den Horizont, der doch für sie das Ende der Welt war,  je zu erreichen. An manchen Tagen war er näher an manchen ferner. Das muss irgendwie frustrierend gewesen sein. Man nannte sie Abenteurer, weil sie nicht wissen konnten was sie zu erwarten haben. Wir wissen es heute, im schlimmsten Fall, wenn wir die Inseln verpassen, kommen wir wieder dort an wo wir losgesegelt sind. Dann nennt man uns Weltumsegler.

 

Wie laut doch Flugzeuge sind

Was für eine dumme Bemerkung, werdet ihr euch denken, natürlich sind Flugzeuge laut.

Aber ist euch jemals aufgefallen dass sie auch dann noch laut sind wenn sie nur noch am Kondensstreifen erkennbar über uns hinwegziehen? Ich sitze oft im Cockpit und wundere mich über den Motorenlärm. Ich halte Ausschau nach Schiffen in der Nähe, oder Flugzeugen in geringer Höhe, aber alles was ich entdecken kaum sind Kondensstreifen am Himmel, je näher ich den Kanaren komme um so mehr. Zu Hause in Deutschland ist der Himmel immer voller Kondensstreifen. An manchen Tagen habe ich mehr als 10 gleichzeitig gezählt, aber gehört habe ich sie nie. Scheinbar ist der Geräuschpegel an Land um so viel höher als auf See dass wir die vielen Geräusche (oder den Lärm) gar nicht mehr wahrnehmen.

 

Sonntag und endlich Ü 20

Eigentlich ist ja jeden Tag Sonntag auf dem Meer, oder gar keiner denn zu tun gibt’s immer was. Heute zum Beispiel muss ich wieder mal Wasser machen. Na ja, Arbeit ist das ja nicht, ein paar Hebel umlegen und einen Schalter umlegen, Wasserqualität messen und warten bis der Tank wieder voll ist. Viel brauch ich nicht. Mein 120 l Tank ist noch halb voll, aber der Wassermacher soll alle 5 Tage in Betrieb genommen werden damit die Membran keinen Bewuchs ansetzt.

Und Joghurt muss ich heute wieder machen. Ich mache meinen Joghurt selber, denn es ist gar nicht so einfach hier ungezuckerten Naturjoghurt zu bekommen. Abgesehen davon brauchen 50 Joghurt (mein benötigter Vorrat bis Panama) ganz schön viel Platz im Kühlschrank, erzeugen unendlich viel Müll und Joghurt mit Haltbarkeitsdatum 50 Tage im Voraus ist ohnehin nicht zu bekommen. Ich habe keine Joghurtmaschine. Ich mach das ganz einfach mit Milchpulver in meiner Weithals-Thermoskanne. Geht einfach und schmeckt besser als der Gekaufte.

Sonntag Nachmittag. Es gibt Tee und dazu eine der köstlichen marokkanischen Pralinen/Kekse die ich mir nur an Sonntagen gönne. Hoffentlich brauche ich nicht so viele Sonntage bis Panama wie Kekserl in der Packung sind. Vorsichtshalber habe ich heute gleich mal 2 Kekse gegessen.

Endlich haben auch die Temperaturen im Schiff die 20 ° Grenze überschritten und ich konnte sogar eine Zeitlang im T-Shirt im Cockpit sitzen. Wenn das kein Sonntag ist?

 

Endspurt

Gerade habe ich mir ausgerechnet dass ich von nun an einen Schnitt von 5 Knoten segeln muss um noch vor Einbruch der Dunkelheit in Santa Cruz de La Palma anzukommen. Das wird sportlich. Die Race beginnt.

Zum Glück frischt der Wind auf und wir machen tatsächlich 4 -5 und manchmal über 5 Knoten Fahrt. Aber gegen 04:00 morgens gefallen mir die Schiffsgeräusche nicht mehr. Ich kann im Schlaf unterscheiden ob die Geräusche des Schiffes Ok sind oder etwas ungewöhnlich ist dass meine Aufmerksamkeit erfordert. Davon wache ich dann auf und stehe auf um nachzusehen. Der Kurs ist viel zu weit West jetzt, schon fast Nordwest. Da wollen wir nicht hin. Nachdem ich den Kurs korrigiert habe wird mir das Schiff zu schnell. Es ist Nacht und stockdunkel aber ich fühle mich nicht mehr wohl. Ich habe das Gefühl dass ich das Schiff nur noch schwer unter Kontrolle bekomme wenn der Wind weiter zunimmt. Es wäre also vernünftig jetzt zu reffen (=Segelfläche verkleinern) denn noch immer segeln wir unter vollen Segeln dahin.

Reffen bedeutet aber nicht nur mal schnell etwas Segel einzuholen sondern auch die Segel wieder so zu trimmen (justieren) dass sich das Schiff wieder selbst steuert. Eine Windsteuerung, wie ich sie verwende, kann nur korrekt arbeiten wenn die Segel optimal getrimmt sind. Und das dauert seine Zeit. Dann noch die Windsteuerung einstellen, abwarten ob alles passt und man das Schiff wieder sich selbst überlassen kann, so dass man sich wieder beruhigt schlafen legen kann, und schon ist eine halbe bis eine Stunde vergangen.

Inzwischen ist es 06:00 Uhr, immer noch dunkel, und nachdem nun alles fertig ist, ist der Wind verschwunden. So ein Schlawiner. Der ganze Aufwand umsonst. Da ich aber wirklich keine Lust habe eine ganze Nacht vor der Hafeneinfahrt umherzudriften bis die Marina öffnet, muss halt jetzt der Motor unterstützen. Seit dem läuft der Motor und mit Hilfe der Segel machen wir nun 6 Knoten Fahrt. Wir müssen ja die verlorene Zeit durchs Reffen wieder gut machen. Der Wind lässt auf sich warten. Ab und zu fegen ein paar Böen durch. Die Sonne ist inzwischen glutrot aufgegangen und wie jeden Morgen glänzt der Wind mit Abwesenheit. Die Segel werden also wieder ausgerefft (vergrößert). Um mich herum ziehen schwarze Wolken auf und ich kann die angekündigten Schauer rings um mich nieder gehen sehen. Zum Glück keiner über der Carina. La Palma ist bereits in Sicht aber noch 30 Seemeilen entfernt. Das heißt noch 6 Stunden. Trotzdem, es wird wieder ungemütlich, der Seegang rau, der Wind heftig und wieder muss ich reffen. Wie schön war das doch auf dem offenen Meer wo es egal war, wo genau man hinsegelt und wo es keinen Zeitplan gibt nach dem man eine bestimmte Position zu einer bestimmten Zeit erreicht haben muss. Am liebsten würde ich jetzt einfach an La Palma vorbeisegeln, immer weiter …,

Aber da ist eben die Geschichte mit der Funkanlage, wegen der ihr auch nicht sehen konntet wo ich gerade bin. Und noch ein paar andere Kleinigkeiten haben sich gezeigt die nun in La Palma repariert und optimiert werden müssen.

Und irgendwie bin ich auch schon neugierig auf diese Insel, die die grünste und vom Tourismus am meisten verschonteste Kanaren Insel sein soll.

 

Angekommen

Die Race ist gewonnen. Montag, den 19. Februar 2018, um 17:00 UTC, in Deutschland 18:00 Uhr, habe ich die Marina im Hafen von Santa Cruz de La Palma erreicht.

670 Seemeilen seit Rabat. 7 Tage und 4 Stunden und bis auf die letzten 60 Seemeilen traumhaftes Segeln (wenn auch oft sehr schaukelig). Carina hat 20 l Diesel verbraucht und ich viel Gemüse, Obst und Joghurt.

Jetzt, ohne die Schaukelei, ist mir etwas schwindelig, aber sonst geht es mir Bestens.

Es sieht so aus als bin ich in einem kleinen Paradies gelandet, über das es wert ist einen eigenen Bericht zu schreiben, sobald ich es erkundet habe.

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