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Logbuch

Vanuatu / Tanna - Okt - Nov 2018


Unter Kannibalen? - Herzklopfen - Auf dem Vulkan

 

Der Leuchtturm von James Cook

Die Überfahrt von Efate nach Tanna verläuft sehr angenehm. Ich habe kaum Wind und dümple mit 1 bis 2 Knoten dahin. Das Meer ist glatt wie ein Spiegel. So sind wir zwar nicht die Schnellsten, aber wen störts - ich habe doch alle Zeit der Welt und genieße das Langsam Sein. Tagsüber döse ich in der Sonne und nachts betrachte ich die Sterne. Zu Hause würde ich sagen: Ich decke mich mit der großen Sternendecke zu. Aber hier ist das eher wie eine Glocke und die Sterne reichen herab bis zum Horizont.

Das Leuchtfeuer der Insel Erromanga verblasst allmählich hinter mir während Tanna in Sicht kommt. Als ich mich Tanna nähere sehe ich einen großen blassroten Lichtschein über der Insel. Wie ein Kegel streckt er sich hoch in den Himmel. Das ist die glühende Asche die der Yasur, ein seit Hunderten von Jahren ununterbrochen aktiver Vulkan, Hunderte von Metern in die Luft pustet. Bereits James Cook hat diese Erscheinung als Leuchtfeuer zur Ansteuerung von Tanna benutzt als er 1774 in der Bucht von Port Resolution den Anker warf und die Bucht nach seinem Schiff benannte.

Ich weiß dass sich die Inselgruppe von Vanuatu auf dem aktivsten vulkanischen Grat dieser Erde befindet, und die unweit entfernte Insel Ambae wurde eine Woche vor meiner Ankunft aufgrund eines Vulkanausbruchs komplett evakuiert. Fast 4 Wochen bin ich nun schon hier, aber so richtig bewusst wird mir das erst jetzt und fasziniert und mit leisem Grauen schau ich auf das Leuchten des Vulkans vor mir zu dessen Füssen ich morgen früh ankern werde.

Im Morgengrauen gegen 05:00 Uhr verblasst das Leuchten und statt dessen steigt eine riesige Wolke auf, wie aus einem Schornstein. Ununterbrochen sorgt der Vulkan für Nachschub. Es sieht toll aus, der rotgraue Vulkan vor den grünen Bergen. Leider ist es bedeckt und die Farben kommen nicht so recht raus. Rundherum schwarze Wolken und Wolkenbrüche. Ich werde langsamer um einen Wolkenbruch durchziehen zu lassen der mir jegliche Sicht bei der schmalen Zufahrt in die Bucht nehmen würde. Bis ich ankomme ist es vorbei und die Sonne kommt raus.

Port Resolution ist sehr malerisch, steile rote Felsen und Höhlen rechts, schwarzer Sand voraus und sattes grün links. Eine Hütte am linken Ende der Bucht, sonst ist nichts zu sehen. Der Anker fällt in 4 m in Sand.

Ich pack die Segel weg, blas das Beiboot auf, klapp das Sonnendach wieder auf, denn inzwischen ist es der Himmel wieder strahlendblau und die Sonne brennt erbarmungslos auf mich herab und beobachte die Gegend. Es scheint als sei ich am Ende der Welt, nur Strand und dichter Dschungel, keine Ansiedlung in Sicht, kein Mucks tut sich. Dann plötzlich kommt Leben in die Szene. Ich sehe Menschen den Strand entlang wandern und es werden immer mehr. Ca 50 Männer wandern gemächlich ans andere Ende der Bucht. Es scheint als würden sie dort eine Unterweisung erhalten.

Ein Ausleger Kanu kommt längsseits, sehr rustikal und die Querstreben mit leuchtendblauem Band festgebunden. Der junge Typ darin sieht allerdings sehr cool aus, mit Sonnenbrille und Kappi verkehrt rum auf dem Kopf, wie das bei den jungen Leuten heutzutage so 'In' ist. Ob ich Bananen oder Gurken brauche. Danke, heute nicht, hab noch, in ein paar Tagen gerne. Ok. Ob ich vielleicht ein übriges Smartphone hätte, er hat seins letzte Woche beim Fischen verloren. Nein hab ich nicht. Nach weiterem Geplauder zieht er erfolgreich ab. Er hat es geschafft mir ein paar AA-Batterien abzuschwatzen.

Aus einer nicht einsehbaren Nische kommt ein kleines offenes Motorboot mit ca 20 Männern drauf hoffnungslos überfüllt. Beine baumeln seitwärts ins Wasser von denen die aus Platzmangel außen sitzen. Sie steuern auf das vor Anker liegende größere Motorboot zu das aussieht wie eine kleine Fähre. Auf dem Hügel lugt ein Haus durchs Grün und davor eine Schar Kinder die auf die Bucht herabschauen und laut Beifall rufen. Das wiederholt sich 4 x. Was machen die da? Wenn das eine Fähre ist, ist sie inzwischen hoffnungslos überfüllt. Dann sehe ich dass eine Rettungsinsel aufgeblasen wird. 8 Mann springen ins Wasser und drehen unter dem Jubel der anderen die kopfüber schwimmende Insel um und klettern hinein. Auch das wiederholt sich mehrere Male. Aha, die machen Rettungs- oder Überlebenstraining. Sonderbar, wo sie hier doch nur Ausleger Kanus und ein kleines offenes Motorboot haben in das gar keine Rettungsinsel passen würde. Außer mir liegen hier nur die Motorfähre und 2 weitere Fahrtensegler. Einen Steg oder gar eine Hafenmauer gibt es nicht.
Die Übung die ich mit großem Interesse verfolgt habe scheint zu Ende zu sein und alle ca 100 Mann werden wieder zurück an Land gebracht. Und ich leg mich erst mal zu einem Mittagsschläfchen nieder, denn die letzten beiden Nächte auf See zwischen all den Inseln hab ich kaum geschlafen.

Ich verbringe den Rest des Tages an Bord und lasse die Szene auf mich wirken. Es ist so schön hier, so friedlich.
Es ist bereits dunkel als jemand ans Schiff klopft. Es sind meine Bootsnachbarn die gerade von der Vulkan-Tour zurückkommen um mir mitzuteilen dass sie für morgen früh 08:00 Uhr, einen Pickup nach Lenakel, in die Stadt auf der anderen Seite der Insel organisiert haben. Ob ich mitkommen will. 5000 Vatu kostet die Fahrt, das sind 40 Euro. Dorthin muss man um auszuklarieren oder einzukaufen. Beides brauch ich aktuell noch nicht, und nur fürs Sightseeing (wo es gar nichts zu sehen gibt) ist mir die Fahrt zu teuer.


Es ist ein sonniger Morgen und mein zweiter Tag in der Bucht von Port Resolution. Während ich im Cockpit meinen Kaffee trinke kommt wieder ein Auslegerkanu auf die Carina zugepaddelt und darin diesmal einer der so aussieht wie man sich einen Mann in einem Auslegerkanu vorstellt. Schwarzer Wuschelkopf und bekleidet mit einem einfachen T-Shirt und Shorts. Er lächelt freundlich und stellt sich als Stanley vor. Ahh, von dem hab ich schon gelesen, der organisiert hier im Dorf die Fahrten in die Stadt und zum Vulkan. Ein sehr sympathischer Mitvierziger. Er sei auf dem Weg zu meinen Nachbarn um denen mitzuteilen dass der Pickup erst 2 Stunden später fährt, ob ich eventuell auch nach Lenakel wolle? Es sei noch Platz. Nein, ich fahre nicht mit. Wir plaudern noch ein wenig und Stanley heißt mich willkommen in Port Resolution und wünscht mir einen schönen Aufenthalt. Ich dürfte gerne ins Dorf gehen und seine Leute besuchen. Den Chief müsse ich nicht um Erlaubnis fragen, das sei sein Bruder und so ist das schon ok. Jetzt müsse er aber los, denn er fährt mit nach Lenakel und vorher muss er noch das Kanu an Land bringen und schwimmen gehen ... und er paddelt davon, auf dem Weg zu meinen Nachbarn.


In den Bavaria Filmstudios?

Ich setz mich ins Dinghy such mir einen Weg durchs Riff und ziehe das Beiboot weit den Strand hinauf neben all die Auslegerboote. Damit es die auflaufende Flut nicht davonspült binde ich es zusätzlich an der Wurzel eines großen Baumes an. Ein schmaler Pfad führt vom Strand durch dichtes Grün hinauf. Er gabelt sich - soll ich links oder rechts gehen? Ich entscheide mich für links, da ich in dieser Richtung eine Flagge auf der Steilküste gesehen habe von der ich glaube dass sie den Yachtclub markiert. Nach ein paar Minuten habe ich die Anhöhe und den Yachtclub erreicht. Was auch immer man sich unter einem Yachtclub vorgestellt hat ist alles andere als diese einfache Bambushütte mit einem langen Tisch darin, ein paar verschlissenen Sofas und Flaggen aus aller Welt die von der Decke hängen und unmissverständlich kundtun, dass ich hier richtig bin. An der Wand hängen ein paar Informationen zu Sehenswertem, dass man im Dorf willkommen sei, aber die Kultur und Privatsphäre der Menschen hier respektieren soll, wie man sich zu kleiden hat und dass Frauen sich nicht an den Nakamals, aufhalten dürfen während die Männer dort ihre Kava-Zeremonien abhalten was ca 1 Std vor, bis Sonnenuntergang stattfindet. Es ist ganz still hier, keine Menschenseele weit und breit. Ich beschließe ins Dorf zu wandern.

Die Strasse, ein mit Wurzeln durchzogener holperiger Waldweg, schlängelt sich zwischen Bananen, Palmen, Farnen und riesigen Banyanbäumen hindurch. 2 Frauen mit Kindern begegnen mir. Sie bleiben stehen, geben mir die Hand und stellen sich mit ihren Namen vor, auch ihre Kinder stellen sie mir vor. Wie ich heiße und woher ich komme, und schon haben sie mich in ein nettes Gespräch verwickelt. Marie holt eine Gurke aus ihrer Tasche, ob ich die haben wolle, ja, und da lang geht's ins Dorf, einfach immer dem Weg folgen. Und wenn ich sie brauche, sie wohnen da drüben, ich brauch nur nach ihnen zu fragen. Das war eine nette Begegnung die mir Mut macht weiterzugehen.
Rechts und links des Weges, im dichten Grün versteckt, kann ich kleine aus Palmblättern geflochtene Hütten sehen. Dann lichtet sich der Dschungel plötzlich und vor mir tut sich eine große grüne Wiese auf, in der Mitte eine Art offener überdachter Versammlungsplatz und rundherum kleine Palmblatthütten. Unter einem Palmblattdach unweit von mir sitzen 2 Männer im Schatten die neugierig, freundlich zu mir herüber schauen. Ich habe das Gefühl ich sollte sie begrüßen, mich vorstellen und fragen ob ich hier so ohneweiteres rumlaufen darf und gehe zu ihnen hinüber. Wieder werden mir freundlich die Hände geschüttelt und wieder stellen sie sich vor und natürlich, ich sei herzlich willkommen mich in ihrem Dorf aufzuhalten und könne mir gerne alles anschauen. Nach weiterem Geplauder und ein paar Bildern setze ich meinen Weg fort. Alles ist blitzsauber hier als hätte jemand gerade das gesamte Dorf gefegt. Kein Müll ist zu sehen und vor und rund um jedes Haus ist alles ordentlich aufgeräumt. Es ist fast unwirklich und ich komm mir vor wie in einer Filmkulisse in den Bavaria Filmstudios. Aber es ist echt. Vor einer Hütte winken mich 2 Frauen zu sich heran. Eine stellt sich als Lea vor und die andere sei ihre Tochter mit Enkelkind. Die kleine Hütte ist ein Restaurant das Lea betreibt. Darin auf dem Sandboden ein langer Tisch mit schmalen rohen Holzbänkchen ohne Lehne. Sonst nichts. Hinter einem bunten Vorhang befindet sich die Küche. Man muss sich vorher anmelden, dann bereitet Lea ein Buffet für 700 Vatu, knapp 6 Euro. Schade dass meine Bootsnachbarn alle abgereist sind und ich nun ganz allein in der Bucht bin und niemand habe mit dem ich hier her zum Essen gehen könnte. Aber Lea meint, sie würde das auch für mich alleine zubereiten. Obwohl ich gar nichts verzehre sitzen wir drei plus Baby gemütlich beisammen als wären wir alte Freunde. Als ich endlich weitergehe winken sie mir noch lange nach. Ich bin sprachlos und glücklich. Soviel Freundlichkeit, ich fühl mich herzlich aufgenommen. Kaum zu glauben dass sie mich hier vor 150 Jahren noch in den Kochtopf gesteckt hätten. Endlich habe ich sie gefunden, die
Insel die meiner Vorstellung der Südsee entspricht.

Mein Weg führt mich durchs Dorf und am anderen Ende wieder hinaus, vorbei am Nakamal, dem Kava Zeremonieplatz auf dem ein paar Baumstumpen als Hocker unter einem riesigen Baum angeordnet sind an dem die Kava Schalen hängen. Daneben ein Bambusgestell auf dem weitere Utensilien für die Zeremonie aufbewahrt werden. Solange die Männer nicht hier sind darf man da als Frau durchgehen, denn das ist der Weg zu einem paradiesischen weißen Sandstrand der sich auf der Außenseite der Halbinsel befindet die Bucht von Port Resolution einschließt.

Als ich am nächsten Tag wieder ins Dorf laufe um bei Stanley einen Transport zum Vulkan zu buchen, komme ich nicht weit. Gleich am Dorfeingang liegt die Schule und vor einem Haus steigt Rauch auf um den sich eine Gruppe Frauen schart. Erika, Erika, ruft eine, komm rüber wir kochen gerade. Das ist Lea. Und als ich näher komme begrüßt mich auch Marie die mir auf dem ersten Weg ins Dorf die Gurke angeboten hat. Weitere Frauen stellen sich vor, oh je, ich kann mir gar nicht alle ihre Namen merken. 'Wir kochen Huhn' und sie lüften die Deckel ihrer großen Töpfe für mich, damit ich sehen kann was sie da kochen. Und ich fühle mich in Ihre Gemeinschaft aufgenommen.
Die Töpfe stehen auf zwei langen Stangen die parallel über ein Holzfeuer gelegt sind. Rundherum sitzen die Frauen auf Strohmatten oder in der Wiese, plaudern, putzen und schneiden Gemüse, waschen Geschirr in großen Plastikwannen. Das Wasser dafür holen sie von Wasserhähnen die im Dorf verteilt im Freien stehen. Das ist Quellwasser aus den Bergen dass sie über Leitungen ins Dorf gelegt haben. Gekocht wird nur auf Holzfeuern. Strom, und da nur 12 V, gibt es nur in den wenigsten Hütten die eine Solarzelle ergattern konnten. Das reicht dann gerade mal für ein kleines Lämpchen und zum Aufladen der Handys.
Möbel gibt es keine in ihren Hütten. Eine Strohmatte auf dem sandigen Boden ist Bett und Sitzgelegenheit zugleich. Vor der Hütte steht meist ein Bambusregal auf dem die Töpfe und Schüsseln ordentlich aufbewahrt werden. Abgeschnittene Baumstümpfe dienen als Hocker im Schatten der riesigen Mango- und Banyanbäume. Blühende Sträucher, Bananenstauden, Papayabaume, und Gemüsepflanzen bieten Sichtschutz, sodass ein wenig Privatsphäre für jede Hüttengruppe besteht. Meist bewohnt eine Familie mehrere Hütten, zumindest eine zum Schlafen, eine zum Kochen.

Nur ungern verlasse ich die Frauengruppe wieder, aber ich muss Stanley finden, denn ich will heute Abend auf den Vulkan. Die Frauen schicken mich zum großen Platz im Dorf, dort wohne Stanley. Uff da sind rundherum Häuser, welches ist es denn seins? Ich frage einfach vor dem ersten Haus vor dem ich Menschen sehe. Der nette junge Mann bringt mich zu Stanleys Haus. 'Willkommen in meinem Haus' begrüßt mich Stanley. Ja er wird den Transport und die Anmeldung zur Vulkanbesteigung für mich organisieren. Ich soll um 03 Uhr am Yachtclub sein.


Herzklopfen - Auf dem Vulkan

Poohh ... poohh .... poohh ... ich höre das Herz der Erde klopfen und auch mein Herz klopft etwas schneller als sonst, denn in regelmäßigen Abständen bebt die Erde unter meinen Füssen und ca alle 2 Minuten gibt es eine lautstarke Explosion im Inneren des Kraters. Glühende Steine und Asche aus dem glühendrot wabbernden Lavatümpel werden ca 100 m vor mir mehrere 100 Meter hoch in die Luft geschleudert. Ich stehe am Kraterrand des Yasur und bin einfach nur fasziniert von der Gewalt und der Schönheit dieser Naturerscheinung dass meine Angst vor derartigen Naturgewalten gar keine Chance hat sich zu zeigen. Mein ganzes langes Leben lang wollte ich einmal in einen aktiven Vulkan hineinschauen und nun, einen Monat vor meinem 60sten Geburtstag, stehe ich hier. Ich kann mich kaum losreißen als unser Guide zum Rückmarsch ruft.

Um 15: 00 Uhr hatte mich David wie vereinbart am Yachtclub abgeholt und für 2500 Vatu (20 Euro) mit dem Pickup über die holprige Piste zum Eingang am Fuße des Yasur gefahren. Dort werde ich von einer Gruppe Guides und Mitarbeitern freundlich in Empfang genommen und darf erst mal 9500 Vatu (85 Euro) Eintritt zahlen. Als nächstes muss ich unter zahlreichen hölzernen Täfelchen dasjenige mit der Aufschrift Germany finden und werde dann meiner persönliche Betreuerin, Margarete, zugewiesen. Ich bin der erste Besucher und weitere 20 werden noch erwartet. Solange führt sie mich durch ein wunderschön angelegtes mit Baumfarnen und riesigen Banyanbäumen bestandenes Gelände. Dazwischen finden sich zahlreiche aus Baumfarnstämmen kunstvoll gefertigte lebensgroße Skulpturen. Unter einem riesigen Banyanbaum machen wir halt und setzen uns auf einen der zahlreichen Baumstumpen die rund um einen freien Platz unter dem Baum angeordnet sind. Margarete war bis vor dem Unfall im Mai dieses Jahres einer der Guides die die Touristen an den Kraterrand begleiten. Auf ihrer letzten Tour hatte der Vulkan, der sich seit Hunderten von Jahren ca alle 2 Minuten mit einer lautstarken Explosion bemerkbar macht, plötzlich aufgehört. Margarete war auf der Hut. Irgendetwas stimmte nicht. Entweder war der Vulkan nun eingeschlafen oder ... ?
Vorsichtshalber trat sie mit ihrer Gruppe den Rückweg an wurde aber trotzdem kurz darauf von einem enormen Ausbruch überrascht bei dem das Feuer aus dem Krater sie und 2 weitere Frauen erfasste und ihnen schwere Verbrennungen zugefügt hatte. Ihrer Umsicht den Krater möglichst schnell zu verlassen verdankt die Gruppe ihr Leben. 2 Jahre zuvor starben 2 Touristen und ein Guide die vom Feuer erfasst in die Tiefe stürzten. In meinem Magen macht sich ein mulmiges Gefühl breit. Will ich da wirklich hinauf?
Aber Margarete beruhigt mich wieder. Die Vulkanaktivität wird ständig überwacht. Es gibt 5 Level. Bei 1 und 2 ist der Krater zugänglich. Ab Level 3 wird die direkte Umgebung des Vulkans gesperrt. Ab Level 4 wird die Ostseite der Insel und damit die Region in der die Carina vor Anker liegt evakuiert und bei Level 5 ganz Tanna. Heute haben wir Level 2 und Ostwind so dass keine Gefahr besteht.

Inzwischen haben sich weitere Besucher mit Täfelchen aus aller Herren Länder eingefunden und ein Pärchen steuert auf mein Deutschlandschild zu. Unbeschwerte Unterhaltungen unter den Besuchern füllen die Zeit bis wir komplett sind.

Am anderen Ende des Platzes hat sich auf einem Baumstumpen ein Mann in Baströckchen niedergelassen und wartet geduldig. Er ist der Chief des Dorfes am Fuße des Vulkans gleich hier hinter dem Eingang. Ein Guide wählt einen Mann aus den Besuchern der dem Chief auf zeremonielle Weise ein Bündel Kava Wurzeln anbietet für eine Zeremonie um die Geister des Vulkans milde zu stimmen. Der Chief nimmt die Gabe an, aber die Zeremonie selbst bleibt unseren Augen verborgen. An dessen Ende bekommen wir vom naheliegenden Zeremonieplatz, dem Nakamal, Bescheid dass die Geister nun beschwichtigt wären.

Auf dem Platz hat sich inzwischen eine Gruppe von Frauen und Männern eingefunden die nun in Baströckchen und -kleidern traditionelle Tänze aufführen. Am Ende behängen uns die Frauen mit Blüten und dann machen wir uns auf den Weg zu den wartenden Pickups die uns näher an den Kraterrand bringen werden. Je 8 Personen besteigen die Ladefläche eines Pickups, auf der am Rande ein winziges Holzbänkchen ohne Lehne befestigt ist. Da sitzen wir nun ziemlich luftig ohne Rand oder Geländer um uns rum und brettern über die holperige Piste durch dichte Baumfarnwälder Richtung Krater. Nach 15 Minuten, in denen ich oft Bedenken hatte, dass einer von uns verloren geht, erreichen wir das Aschefeld. Von hier sind es noch 10 Minuten Fußmarsch über Asche und erkaltete Lava an den Kraterrand. An einer sicheren Stelle machen wir halt und unsere Guides beobachten und bewerten ca 15 Minuten lang die aktuelle Windsituation und Aktivitäten bevor sie entscheiden auf welcher Seite des Vulkankraters wir sicher sind. Dann marschieren wir weiter an einen Punkt von dem aus wir tief in den 200 m tiefen Krater schauen können. Immer wieder zucken wir zusammen wenn ein lautes poohh eine neue Explosion mit unendlich dicken Rauchschwaden ankündigt und laute Ahhhs aus allen Mündern bestaunen die hoch durch die Luft geschleuderten Steinbrocken. Das Gelände ist absolut naturbelassen, keine Abgrenzung behindert uns. Erst am erreichten Aussichtspunkt ist ein wackeliges Geländer aus Holzästen vorhanden dass uns zwar nicht vor dem Sturz in die Tiefe retten würde uns aber andeutet nicht weiter nach vorne zu gehen. Bevor wir hier ankamen hatten uns die Guides mehrmals eindringlich ihre Regeln eingetrichtert und alle haben genug Ehrfurcht vor dem Vulkan um sich daran zu halten.
Hier am Aussichtspunkt staunen und fotografieren wir nun und warten bis es dunkel wird. Gülden verschwindet die Sonne hinterm Kraterrand auf der anderen Seite und die Ausbrüche scheinen immer heftiger zu werden. Jetzt im Dunklen sieht das erst richtig dramatisch aus, wenn die Luft rot von der Glutasche und den darin emporgeschleuderten Steinbrocken ist. Man könnte das stundenlang beobachten und jede neue Explosion ist anders als die zuvor. Der Guide ruft zum Rückmarsch und eine Lichterkette aus Taschenlampe schlängelt sich in der Dunkelheit über den Rücken des Vulkans herab, zurück zu den wartenden Pickups. Und wieder beginnt der Höllenritt auf der Ladefläche bei dem ich mich mehr fürchte als am Kraterrand oder in riesigen Wellen allein weit draußen auf den Ozeanen. Als wir den Eingangsbereich und das Visitorcenter erreichen ist mir schlecht, grad als wäre ich seekrank. Im Visitorcenter haben sie noch einen kleinen Snack aus frischen Früchten und Keksen für uns hergerichtet bevor wir wieder unsere Rückreisefahrzeuge besteigen.

Im Dunklen, bei Niedrigwasser bahne ich mir meinen Weg mit dem Beiboot durchs Riff, zurück zur Carina und über dem Hügel kann ich den roten Schein des Vulkans sehen.


Der Laden

Mein Rucksack ist vollgepackt mit Kava, Nähzeug, Seifen, Buntstiften, Malbüchern und weiteren kleinen Spielsachen und ich stapfe den schmalen Pfad hinauf ins Dorf. Heute will ich einen Laden finden, Brot kaufen und schauen was es sonst noch gibt.
Als ich die Wiese bei der Schule überquere treffe ich auf eine junge Familie, Vater, Mutter, ein Kind, die im Gras sitzen und mich freundlich begrüßen. Helo how are you, I am Luk. Und sofort hat er das kleine Spitzerl der Kavawurzel entdeckt das aus meinem Rucksack ragt. Was machst du mit dem Kava? Und mit Kennerblick bemerkt er dass dieser Kava aus Fiji stammt. Ich schenke ihm den Kava und seiner Tochter ein Malbuch und ein paar Buntstifte. Ja, einen Laden gibts im Dorf, da gehts lang.
Ich passiere das kleine Häuschen vor dem, wie jeden Tag, eine Gruppe Frauen mit Kochen beschäftigt ist. Sie kochen gemeinsam für die 40 Männer des 2-wöchigen nautischen Workshops der hier in der Schule und unten in der Bucht abgehalten wird, aber diesmal kenne ich keine der Frauen. Die wechseln sich täglich ab.
Ich plaudere mit Patrick und Nelly, schenke ihnen ein Kappi das ich nie trage und ein kleines Spielzeugauto.
Der Laden sei 'sehr' klein meint Patrick, was ich denn brauche. Na ja, will halt mal schauen was die so haben, und ich brauche Brot, Gemüse...
Gemüse, Obst könne ich von Patricks Garten haben er wohnt gleich da drüben. Da kommt eine der Frauen vom Kochplatz. Sie hätten noch einen Laib Brot vom Workshopfrühstück übrig, den könne ich haben. Ob sie den für mich aufheben würde? Ich würde ihn dann auf meinem Rückweg mitnehmen. Das selbe gilt für Patricks Obst und Gemüse, denn ich will erst noch eine Strandspaziergang machen. In Wirklichkeit will ich den Laden sehen und außerdem ist mein Rucksack noch voller Geschenke und Tauschartikel die ich hier noch nicht alle verteilen wollte. Zum Strand will ich natürlich auch und das Brot und das Gemüse will ich ernsthaft auf dem Rückweg abholen.

Ich mach mich also auf den Weg zum Dorfplatz um den Laden zu finden. An einer kleinen Hütte hängt ein Schild 'Cafe' und ich sehe eine Frau darin. Da frag ich doch mal. Hallo wie gehts? Oh ein Cafe, wann ist das denn geöffnet? Immer! sagt sie und sie heiße Sara. Wir plaudern. Der Laden, ja den macht ihr Sohn, der wäre in ihrer Küche und sie wird ihn mir zeigen. Als wir zu ihrer kleinen Küchenhütte kommen bittet Sara mich herein. In der Tür flitzt ein kleines graues Ferkel an meinen Beinen vorbei ins Freie. Drin ist es dämmrig, ich brauche etwas bis sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt haben. Auf dem Boden brennt ein Holzfeuerchen auf dem ein Kessel steht, daneben sitzt eine junge Frau mit einem Baby die mir als Schwiegertochter vorgestellt wird. Einen Sohn sehe ich nicht. Hier drin sei der Laden erklärt Sara stolz. Ich kann auf den 2 Quadratmetern eigentlich nichts entdecken, außer dem Holzfeuer, der Frau mit dem Baby und 3 kleinen Kisten auf dem Boden die Sara jetzt der Reihe nach öffnet. In der ersten befinden sich ein paar Cräcker und Kekse. In der zweiten Zucker und in der dritten ein paar Dosen Thunfisch und Cornedbeef. Das ist also der Laden. Patrick hatte Recht. Er ist 'sehr' klein. Wir gehen zurück ins Cafe und Sara macht mir einen Tanna Kaffee. Er wird im Norden Tannas angebaut und in Port Vila auf der Insel Efate geröstet. Sie zeigt mir die Restaurantküche mit schönem Geschirr einem 4-Flammen Gasherd plus Backofen, gesponsert von einer australischen Firma. Ich bin auch sehr beeindruckt vom hohen Bildungsniveau in diesem so primitiv scheinenden Dörfern. Alle sprechen mindestens 4 Sprachen, Englisch, Französisch, Bislama (offizielle Sprache in Vanuatu) und ihren im Alltag gebräuchlichen eigenen Dialekt. Auf den insgesamt 80 Inseln Vanuatus spricht man 120 verschiedene Dialekte. Allein auf der kleinen Insel Tanna spricht man 5 Dialekte die sich untereinander nicht verstehen.

Nachdem ich meinen Kaffee getrunken habe und mir Sara noch eine große Gurke schenkt wandere ich weiter durchs Dorf zum Strand. Der Sand in der Bucht ist im Gegensatz zum äußeren Strand schwarz-grau von der Lava. Trotzdem ist er wunderschön und die Wellen malen farbige Muster von gelb bis schwarz auf den Sand. Keine Menschenseele weit und breit. Ab und zu ein Auslegerboot am Strand, 2 kleine Mädchen die im Sand spielen, und das Rauschen der Brandung. In der blauen Bucht schaukelt die Carina nun ganz alleine, denn die anderen Segler sind vor ein paar Tagen weitergezogen.

Zurück im Dorf gehe ich mein Brot abholen und bekomme erst mal ein Stück Melone in die Hand gedrückt. Hmm, ist die süß und saftig! Wieviel kostet das Brot? Nein, sie wollen kein Geld, statt dessen schenken sie mir noch 2 Mangos und 6 Limonen. Ich schenke ihnen dafür das Nähzeug und ein paar Seifen. Ob sie Kleidung wollen. Ja, das würden sie gut gebrauchen. Also flitze ich schnell aufs Schiff hol die große Tüte mit den Klamotten die ich vor ein paar Tagen aussortiert hatte und bring sie ihnen. Für die Männer habe ich Schleifpapier das sie gerne annehmen.


WER ist hier mutig?

Auf dem Rückweg zum Beiboot begleiten mich zwei Herren die den nautischen Workshop hier leiten. Sie kommen aus Espirito Santo/Vanuatu, von der nautischen Hochschule. Männer von allen Inseln haben sich hier auf Tanna eingefunden um am Workshop teilzunehmen, zu lernen wie man Rettungsmittel anwendet, wie man einen Motor repariert usw. Ich frage wozu, es gibt doch hier nur Auslegerkanus. Sie deuten auf das kleine offene blaue Motorboot in dem ca 8 Personen Platz haben. 'Mit diesem Boot fahren die Menschen hier von Insel zu Insel, 50 Meilen übers offene Meer. Unglaublich! Und da wäre es gut wenn sie sich bei einem Motorproblem helfen können. Einige seien Fischer und andere träumen davon eines Tages genug Geld gespart zu haben um auf die nautische Schule gehen zu können um Kapitän zu werden. Und sie bewundern meinen Mut alleine über die Meere zu segeln. Ich meine das sei nichts im Vergleich zu den mutigen Menschen die in so einer winzigen offenen Nussschale übers offene Meer fahren.


Fisch - Fisch - Fisch - satt

Zurück auf der Carina leg ich ich mich nach den Anstrengungen des Tages erst mal zu einem Mittagsschläfchen nieder und als ich wieder aufwache ankert neben mir ein kleines Segelschiff aus Deutschland von dem ein älterer Herr freundlich herrüberwinkt.

Ich setz mich ins Beiboot und motore hinüber um die neuen Nachbarn zu begrüßen. Magst n Bier? Eins hamma no. Nein danke, das überlasse ich gerne den beiden netten Herren die sich als Günther und Roland vorstellen. Nach einem Plausch bei ihnen im Cockpit und nachdem ich Ihnen das Wichtigste über Port Resolution erzählt habe kommen wir überein am Montag gemeinsam zu Lea zum Essen zu gehen. Sie werden morgen beim Landgang für uns 3 reservieren.

Meine neuen Nachbarn sind zum Landgang unterwegs und ich kümmere mich mal wieder um die Carina, fülle den Dieseltank auf, prüfe Motor- und Getriebeöl, wechsle die Anode am Kühlsystem und habe jetzt furchtbar Hunger. Mein Magen braucht heute mal was Handfestes, nicht nur immer Gemüse, Obst und Salat. In meinen Vorräten finde ich noch eine Dose roten Wildlachs den ich mir nun mit Zwiebeln, Gewürzen und Majo anmache und die ganze 250 Gramm Dose verspeise. Jetzt bin ich aber satt und müde und gönn mir wieder mal ein Mittagsschläfchen. Als ich aufwache ist ein weiteres Schiff am Ankerplatz eingetroffen.
Das Fernglas bringt es an den Tag - die kenne ich doch. David und Mathilda aus Noumea waren letzte Woche meine Nachbarn auf der Insel Efate in der Mele Bay, Aber was macht David da am Heck und was ist der seltsame schwarze Stock den er ständig durchs Wasser zieht? Ich kann es nicht erkennen. Wenig später sehe ich 2 Auslegerboote bei ihnen und dann fahren sie alle, die 2 Ausleger und David und Mathilda im Beiboot, an Land. Und wieder ziehen siehe das schwarze Etwas hinterher.

Ich freue mich als ich David und Mathilda auf die Carina zusteuern sehe. 'Hallo, wie schön euch zu sehen, wollt ihr an Bord kommen?' - Eigentlich wollten wir Dir nur etwas Fisch anbieten. Und David hebt den Kopf eines riesigen Marlins oder Schwertfischs, wie er bei uns heißt, aus dem Wasser den er bei der Ansteuerung von Port Resolution gefangen hat. Und jetzt weiß ich auch was das schwarze Etwas war dass er ständig hinterherzog. Das ist ja ein Prachtkerl, das Schwert mindestens 30 cm lang und der Fisch selbst geschätzte 60 kg schwer. Den haben sie aber inzwischen schon fein filetiert. Soviel können sie zu zweit niemals essen. Einen großen Teil haben sie schon an die Einheimischen in den Auslegerbooten verschenkt und jetzt haben sie in einer großen Tüte ein Brett, ein Messer und ein paar Plastikdosen mit noch ca 30 kg Fisch mitgebracht.
Da kommen gerade Günther und Roland vom Landgang zurück und machen Halt an der Carina um mir mitzuteilen dass sie für morgen bei Lea reserviert haben, sie haben Fisch bestellt. Oh Gott, nochmal Fisch. Heute Mittag bereits den Lachs, heute Abend Davids Marlin, morgen Leas Fisch, übermorgen wieder Marlin ....
Und dann sitzen wir zu fünft in Carinas kleinem Cockpit. Die Reservierung bei Lea wird auf 5 Personen erweitert und David ist beschäftigt den Marlin zu verteilen. 3 kg für mich, 10 kg für Günther und Roland.
Der Marlin war köstlich, einen Teil habe ich gleich roh mit Cocoscreme verspeist und fürs Abendessen ein Fisch -Kürbiscurry gekocht. Es reicht noch für einmal Filet in Butter gebraten und 2 x Fischcurry. Das letzte davon verspeise ich als ich bereits auf der Überfahrt von Tanna nach Neuseeland bin.


Leas Restaurant und der Kava-Kult

Die heutige Reservierung bei Lea ist auf 17:00 Uhr terminiert, also ca 1 Stunde vor Sonnenuntergang. Das ist die Stunde in der sich die Männer am Nakamal zum Kava trinken einfinden. Ich bin etwas früher dran und so sitze ich auf einer Bank vor dem Haus des Chiefs von der aus ich den Dorfplatz überblicken kann und betrachte das Geschehen. Frauen sind mit Eimern unterwegs um Wasser an den Zapfstellen zu holen und nach Hause zu tragen. Kinder spielen in der Sonne und allmählich machen sich die im Schatten der Bäume sitzenden Männer auf den Weg zum Nakamal der sie an meiner Bank vorbeiführt. 'Ich geh jetzt Kava trinken' kichert einer von ihnen und auch für mich ist es jetzt Zeit mich zu den anderen in Leas Restaurant zu gesellen.

Es ist 17: 00 wir sind komplett und Lea begrüßt uns fröhlich, aber von Abendessen keine Spur, sie hat noch gar nicht begonnen zu kochen. Na dann trinken wir halt erst mal ein Bier auf dem Bankerl vor dem Restaurant. Ob wir das Bier kalt möchten? fragt Lea. Na klar doch! Na dann müsste sie es erst noch kühlen gehen. (Die Luft hat hier 35 Grad und so auch das Bier.)

Sie schlägt vor dass wir solange in die Kava Bar gehen könnten. Während das Nakamal den einheimischen Männern vorbehalten ist, kann jeder, auch Frauen, die Kava-Bar besuchen und dort Kava trinken.

Wir machen uns auf den Weg dorthin. Unter einem riesigen Banyanbaum und hinter Sträuchern verborgen befindet sich eine kleine Bambushütte und ein Platz an dem ein ca 14-jähriger Junge vor 3 Eimern sitzt und Kava zubereitet. Dazu mischt er die gehackten und zerriebenen Kavastängel mit Wasser zu einem braunen Mansch an, den er dann durch ein Tuch in einen anderen Eimer presst. Das ganze sieht aus wie Abspülwasser und riecht auch so mit einem Touch von Pfeffer und Rindenmulch. Und genauso schmeckt es angeblich auch. Keiner von uns hat das Verlangen diese Brühe zu probieren. Trotzdem interessiert mich der Kavakult und der junge Mann führt mich bereitwillig durchs Dorf zu seinem Haus um mir zu zeigen wie ein Kavabusch aussieht und was alles davon verwertet wird - nur die Stängel und die Wurzel, die Blätter sind nutzlos. Auf einem kleinen Platz sitzen Jugendliche und hacken und mahlen die Äste.

Wir schlendern weiter durchs Dorf, halten hier und da einen Plausch mit den Einheimischen und eine Stunde später sind wir wieder bei Lea die inzwischen fleißig am Kochen ist. Das Holzfeuer brennt bereits und das Bier ist jetzt auch kalt genug.

Noah kommt und erklärt er sei leider spät dran gewesen, wir waren nicht mehr auf unserenSchiffen als er uns das bestellte Obst und Gemüse bringen wollte. Er hat es bei unseren Beibooten deponiert und er bittet Günther zur Kasse. Ob da nun mein Anteil inbegriffen war ist unklar.

Um 1900 ist das Essen fertig. Fisch, Taro, Maniak, Süsskartoffeln, Reis Chouchou, gebratene Bananen, Salat, Gurken, von allem viel zu viel, steht appetitlich auf dem langen Tisch in der bescheidenen Hütte - und wir lassen es uns schmecken.

Als wir spät und im Dunklen zu unseren Beibooten zurückkommen können wir kein Gemüse und auch keinen Noah entdecken. Ich mach mich auf den Rückweg und frag mich wo die anderen bleiben. Ich sehe einen hellen Lichtschein und dass sie nochmal zurückfahren. Wenig später stoppen sie an der Carina und laden Obst und Gemüse bei mir ab.

Am nächsten Tag kommt Noah mit dem Ausleger zu mir heraus zum Kassieren. Er war beim Kava trinken und hatte uns ganz vergessen. Ich frag ihn ob der Kava betrunken macht. Er fixiert mich kurz und meint, eine Kokosschale würde mich umhauen. Wieviele hast Du denn gestern getrunken? frage ich zurück. 13 Kokosschalen! Deshalb hat er auch meine Süßkartoffeln vergessen. Ich schüttle nur den Kopf aber er meint: Ihr Deutschen geht jeden Abend Bier trinken und wir gehen eben Kava trinken. Die Zeiten seiner Großväter seien vorbei wo das ein zeremonielles religiöses Ereignis war bei dem um gute Ernte, Fischfang, Regen und all die Notwendigkeiten des Alltags gebeten wurde. Jetzt ist es nur noch Geselligkeit unter Männern.


Zu den heißen Quellen.

Für heute hab ich mich mit David und Mathilda zu einer Wanderung zu den heißen Quellen verabredet. Wir schlendern den langen Strand entlang ans andere Ende der Bucht. Hier gibt es direkt am Strand eine der vielen heißen Quellen die vom Vulkan aufgeheizt werden. Als wir die Stelle erreichen finden wir dort eine junge Frau vor die sich als Christina vorstellt. Sie habe gerade Taro in dem kleinen Pool gekocht in dem die heiße Quelle entspringt, ob wir probieren wollen? Und sie fischt mit einem Holzstäbchen für jeden ein Stück heraus und legt es auf ein paar Blätter die sie am Ufer gepflückt hat damit wir uns nicht die Finger verbrennen. Hier im Pool am Strand wird also bei Niedrigwasser gekocht. Bei Hochwasser wird der Pool vom Meer überspült. Baden soll man hier besser nicht, denn da kann sich scheußlich verbrennen hier.
Christina bietet an uns zu der großen heißen Quelle zu führen und so folgen wir ihr einen Waldpfad an der steilen Küste entlang. Immer wieder bieten sich uns herrliche Blicke über die Bucht von Port Resolution in der unsere Schiffe schaukeln und das dahinter liegende offene Meer. Nach ca 15 Minuten erreichen wir ein tiefes Loch aus dem es raucht und stinkt. Die Luft ist unerträglich heiß hier, die Felsen im Loch gelb vom Schwefel und nachdem wir alle einmal hineingeschaut haben flüchten wir zurück in den kühlenden Schatten des Waldes und stapfen auf dem mit Wurzeln durchzogenem Weg zurück zum Strand.

Ca. 50 Meter hinterm Strand befindet sich ein malerisch verträumter Süßwassersee an dem gefischt und Wäsche gewaschen wird.

Zurück im Dorf suchen wir nach Louise, der Bäckerin um Brot für morgen zu bestellen, denn sie bäckt nur so viel wie tatsächlich gebraucht wird.

Eine Schar kleiner Kinder spielt im Schatten und sie beäugen uns neugierig. Ich hole meine Seifenblasen aus dem Rucksack und habe meinen Spaß daran wie sie unter Jubel versuchen die Seifenblasen zu fangen. Dem Ältesten zeige ich wie er selbst Seifenblasen machen kann und überlasse ihm das Döschen denn ich muss Stanley finden.

Ich habe beschlossen übermorgen Vanuatu zu verlassen und das Wetterfenster zu nutzen um nach Neuseeland zu segeln. Deshalb muss ich morgen nach Lenakel, den Hauptort auf der anderen Seite der Insel fahren und Stanley muss den Transport organisieren.

Ich finde Stanley im Garten bei den Kavabüschen. Mein Transit nach Lenakel geht in Ordnung, morgen früh um 06:30 Uhr am Yachtclub. Ok, Ich werde pünktlich da sein. 'Manchmal verschlafen wir aber auch' fügt er ein wenig beschämt hinzu. Macht nix, dann warte ich eben, antworte ich und muss schmunzeln - kommt wohl drauf an wieviel Kava sie am Vorabend getrunken haben ;)


Quer über die Insel - Ausklarieren in Lenakel

Die Fahrt nach Lenakel, quer über die ca 30 km breite Insel, kostet 3000 Vatu (27 Euro) hin und zurück, dauert 2,5 Stunden one-way und ist spektakulär. Ich sitze mit weiteren 3 Frauen und 3 kleinen Kindern im Inneren des 5-Sitzer Pickups während die Männer hinten auf der offenen Ladefläche stehen.
Die Strasse (den Namen verdient sie eigentlich nicht) ist erst mal der selbe Waldpfad den ich bereits auf dem Weg zum Vulkan zurückgelegt hatte. Dann führt die schmale holprige Piste um den Vulkan herum auf dessen Rückseite und über ein riesiges Aschefeld. Hier gibt es keine Strasse und auch keine Piste mehr. Es sieht spektakulär aus und Werry, der Fahrer, freut sich dass er endlich mal Gas geben kann, denn auf den Pisten konnten wir nur Schritttempo fahren. Jetzt sausen und schlittern wir durch eine graue Wüste mit spektakulärem Blick auf den Vulkan, durch felsige Schluchten, vorbei an roten Felsen bis uns der dichte Dschungel wieder verschluckt und wir, jetzt wieder im Schritttempo, auf der Piste weiterhoppeln.
Es geht über hohe Berge mit schönen Blicken über die Insel und auf die weitläufige Whitesand Bay und bis auf wenige Kilometer gab es keine Teerstrasse.

Lenakel ist hässlich. Barackenartige Gebäude in denen sich verschiedene Läden und Büros befinden. Die Wharf (der Anlegeplatz für Schiffe) ist von grusligen Riffs gesäumt und der Ankerplatz ist ziemlich rau und ungeschützt. Deshalb wollte ich auch nicht mit dem Schiff hier her kommen. Da habe ich gerne die 3000 Vatu für die Fahrt in Kauf genommen. Außerdem hätte ich mir die großartige Landschaft entgehen lassen.

Im Zollbüro erklärt man mir dann dass ich 5000 Vatu fürs Ausklarieren bezahlen müsse. Das kommt mir spanisch vor, denn in Port Vila hatte man mir beim Einklarieren erklärt dass Ausklarieren nichts kostet. Und alle Bekannten die in Port Vila ausklariert hatten, haben auch nichts bezahlt. Ich ruf mal lieber Simon an, den netten Zollbeamten aus Port Vila (denn das ist der Hauptsitz von Vanuatu) um mich zu erkundigen ob das hier mit rechten Dingen zugeht.
Freundlich erklärt er mir das Ausklarieren kostenlos sei und das ich und das Schiff in Lenakel sein müssen. Es ist nicht möglich auszuklarieren wenn sich das Schiff in Port Resolution befindet (was in meinem Fall zutrifft). Ich müsse das Schiff nach Lenakel bringen. Oh nein, das will ich gar nicht. Wenn mich die Herren in Lenakel trotzdem ausklarieren wäre das absolut Gutwill und ich könne nun selbst entscheiden ob mir das die geforderten 5000 Vatu (45 Euro) wert sei oder ob ich vorschriftsmäßig das Schiff rübersegle. Ich hab die 5000 bezahlt.

Für David und Mathilda soll ich Tanna-Kaffee kaufen. Im dritten Laden finde ich dann das letzte Päckchen - 250g für 1500 Vatu (13 Euro). Ein Horrorpreis. Denn er schmeckt nicht besser als andere Kaffees. Das Besondere ist nur das er in Tanna angebaut wird und somit eine Touristenattraktion ist und als Souvenir gern gekauft wird.

Das einzig gute an Lenakel ist der Markt. Dort ist es schön, voller Leben und es gibt gutes Obst und Gemüse. Viele Frauen haben zu Hause etwas gekocht dass sie nun hier auf dem Markt verkaufen. Ich esse Taro mit Rindfleisch gefüllt und in Blätter gewickelt. Es war sehr lecker, hat 1 Euro gekostet und ich bin richtig satt.

Auf dem Rückweg hält der Pickup mehrmals an Ständen die irgendwo im Nirgendwo am Strassenrand aufgestellt sind und Obst und Gemüse verkaufen. Die Ladefläche wird voll und voller und die Männer dahinten, stehen nun knietief in Taro, Kraut, Karotten, Zwiebeln, ...

Am Nachmittag sind wir zurück im Dorf, aber Louise ist unauffindbar. Das ist schlecht, denn ich brauche doch das Brot für die morgen beginnende, mindestens 10-tägige, Überfahrt nach Neuseeland.

Am Morgen meiner Abreise gehe ich nochmal an Land mit der Hoffnung dass ich bei Louise noch Brot bekomme. Aber sie ist wieder nicht zu Hause und die Kinder sagen sie hätte heute gar nicht gebacken. Deprimiert wandere ich zurück zur Bucht, vorbei an den Frauen die wie immer für den Workshop kochen. Da fällt mir doch ein ...
Ja, das verstehen sie, dass ich für die Überfahrt unbedingt Brot brauche und sie treten mir 4 Laibe vom Workshopfrühstück ab. Was für großartige Menschen! Gäbe es die Wirbelstürme nicht würde ich hier noch viel länger bleiben.

Das Schiff ist startklar, nur noch ein paar letzte Handgriffe, da sehe ich Stanley mit dem Kanu zu mir rauspaddeln. Er bringt mir noch Obst und Süßkartoffeln für die Reise. Verhungern werde ich also nicht.

Um 14:00 lichte ich den Anker und mach mich auf den Weg, zurück in die Zivilisation, wobei ich mich frage wer hier mehr zivilisiert ist.

 

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